Zwölf Top-Rennräder der Saison 2011 im Vergleichstest
Rennräder von 4.500 bis 10.100 Euro im Test

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Zwölf Rennrad-Glanzlichter der noch jungen Saison 2011 stellen sich einem ersten Vergleichstest – und geben eine überzeugende Vorstellung!

RB 0211 Top-Rennräder Teaserbild
Foto: Daniel Geiger

Der Test zwölf aktueller Top-Rennräder zeigt deutlich, wohin die Reise zukünftig geht. Denn was heute noch den bekannten Stars und Top-Modellen der Szene vorbehalten ist, findet sich traditionell nur wenig später auch in den erschwinglicheren Preisklassen wieder.

Deshalb dürfen auch all die vielen Rennradfahrer gespannt sein, die von diesen sündteuren Rädern – meist weit jenseits der 4500 Euro – nur träumen können. Die Räder in diesem Testfeld geben Trends vor – für die kommende Saison ebenso wie für die nächsten Jahre!

Die Trendsetter-Rahmen

Die wesentlichen Entwicklungen lassen sich an den Rahmen der Räder ablesen. Sechs Modelle im Test sind echte Neuheiten – oder tiefgreifend überarbeitete Konstruktionen: das Canyon Ultimate CF SLX (mit neuer Sattelstütze), Isaac Proton FW, Kuota KOM Evo, das RS C40T von Principia, Simplon Pavo und das Madone 6.7 SSL von Trek. Ebenfalls im Test sind bekannte Räder, die bereits Trends gesetzt haben: BMC Teammachine SLR 01, Cannon­dale Supersix, Rose (ehemals Red Bull) Car­bon X-Lite, Scott Addict, Specialized S-Works Tarmac SL3 und Storck Fascenario 0.7.

Nicht zu übersehen ist die Tatsache, dass die Rahmen(-Gabel-Sets) noch leichter, immer steifer – aber dennoch komfortabler werden. Abgesehen vom Kuota wiegen alle Rahmen weniger als ein Kilo. Simplon und Storck unterbieten sogar die 900- Gramm-Grenze. Bei den Set-Gewichten reißt nur Kuota die 1,5-Kilo-Messlatte, der beeindruckende Test-Durchschnitt liegt bei 1388 Gramm.

Das Set von Storck wiegt nur sensationelle 1230 Gramm! Trotzdem gibt es bei den Steifigkeiten absolut keine Probleme, im Gegenteil: Die Sets sind fast durch die Bank ausreichend steif für jedes Fahrergewicht und jeden Fahrertyp. Lediglich BMC verfehlt im Lenkkopf den von RoadBIKE geforderten Mindestwert von 70 Newtonmeter pro Grad (Nm/°), um jedem Fahrer in jeder Situation präzise Lenkmanöver zu ermöglichen. Aber auch die 65 Nm/° des BMC bedeuten noch keinen Wert, der in der Praxis zu kritischen Situationen führt – im Vergleich zu einem supersteifen Rahmen folgt das BMC aber spürbar weniger präzise dem vorgebenen Weg.

Komfort und Laufruhe

Richtig viel getan hat sich auch beim Dämpfungskomfort, der sogenannten vertikalen Nachgiebigkeit, welche die Rahmen-Gabel-Sets bieten. An der Sattelstütze bleibt nur das Isaac weit über dem Wert von 350 Newton pro Millimeter (N/mm), ab dem man von spürbarer Dämpfung sprechen kann. An der Front verfehlen nur Kuota und Specialized diesen Wert deutlich. Allerdings verspielen einige Hersteller diesen mit einigem technischem Aufwand erkauften Komfort in der Praxis gleich wieder – durch Fehlentscheidungen bei der Ausstattung. So montieren etwa Isaac und Storck nur 22 Millimeter breite Reifen. Die sind zwar leicht, Komfort ist für sie aber ein Fremdwort, zumal die schmalen Pneus mindestens acht Bar Luftdruck verlangen.

Auffällig ist, dass viele Hersteller an anderer Stelle für Komfort sorgen: mit Rahmen-Layouts, die gemäßigte Sitz- und Lenkgeometrien aufweisen. Die Rahmen von BMC, Cannondale, Scott, Specialized und Trek sind sich hier sehr ähnlich: Die Oberrohrlänge und Sattelüberhöhung erlaubt bei diesen Rahmen eine sportliche, aber keinesfalls extreme Sitzposition. Zudem überzeugen all diese Rahmen mit ihrer ausgeprägten Laufruhe und einer ruhige, dennoch punktgenauen Lenkung. Interessant: Auf genau diesen Rennmaschinen sind auch die Profis einiger ProTour-Teams unterwegs – ihnen ist ein vielseitiges, spurtreues Rad offensichtlich wichtiger als die quirlige „Giftspritze“, die noch vor wenigen Jahren als typisches Profi-Rad galt.

Freilich sind auch solche ungezügelten Energiebündel im Testfeld vertreten: Allen voran Rose, aber auch Canyon, Kuota und Simplon bauen Räder, die durch ihre agile Lenkung extrem lebendig wirken – und damit ihren Fahrer stetig anspornen, konstant Höchstleistungen zu bringen.

Neue Test-Informationen

Aus den Labormesswerten der oben genannten Punkte – Steifigkeiten, Komfort, Gewichte – errechnet RoadBIKE den KSG-(Komfort-Steifigkeits-Gewichts-Index), der anteilig in die Endnote der Testräder einfließt. Ab dieser Ausgabe vergibt RB auf Basis des KSG-Index im Messlabor (siehe Tabelle unten) eine Note für jedes Rahmen-Gabel-Set.

Diese zusätzliche Note erlaubt es, auf einen Blick die besten Rahmen im Testfeld auszumachen: Eine wertvolle Information für all die Leser, die ein getestetes Rad in einer anderen/günstigeren Modellversion kaufen möchten. Schließlich sind viele Top-Rahmen auch mit preiswerteren Komponenten zu haben.

Ebenfalls ab dieser Ausgabe bildet RB in jedem Testbrief – neben der Bewertung für Ausstattung und Gesamtgewicht – eine Bewertung der Fahreigenschaften ab. Sie ist die Summe aller Einzelnoten, die ein Rad in den umfassenden Praxistests erhält. Die Fahreindrücke machen 50 Prozent der Endnote eines Rades aus.

Die Rennräder in diesem Test:

Viel Kohle bei den Laufrädern

Gerade bei teuren Top-Rennern etwa immer wieder zu wenig seitensteife Laufräder, die damit die Stärken der steifen Rahmen-Gabel-Sets wieder verspielten. Solche Laufradschwächen traten im aktuellen Testfeld seltener auf. Nur bei Isaac, Kuota, Specialized und Trek verfehlten Vorder- oder Hinterrad die 70 Nm/°, die wie bei den Rahmen-Gabel-Sets das für jedes Fahrergewicht ausreichende Minimum darstellen.

Alle anderen Laufräder erreichten teils exzellente Steifigkeiten – allerdings mitunter auf Kosten der Mittigkeit: Wenn eine Felge im Neuzustand über 1,5 Millimeter aus der Mitte steht, zeugt das entweder von schlampiger Arbeit oder zu sehr auf Steifigkeit orientiertem Zentrieren. Das alles stellt keinen sicherheitsrelevanten Mangel dar. Wohl aber einen, der in dieser Preisklasse unnötig – und mit etwas Aufwand problemlos vermeidbar wäre.

Bei den Laufrädern zeichnet sich noch ein weiterer Trend ab: Carbon ist weiter auf dem Vormarsch. Fast jedes Rad im Test ist optional auch mit Carbonlaufrädern zu haben. RoadBIKE hat bewusst darauf verzichtet, entsprechend ausgestattete Modelle zu bestellen.Isaac, Kuota und Storck wollten auf Carbonfelgen dennoch nicht verzichten. Und das, obwohl die nur bedingt alltagstauglich sind: Ihre Bremsleistungen sind zumindest gewöhnungsbedürftig. Kommen wie bei Isaac und Storck noch Schlauchreifen hinzu, ist wohl fast jeder Hobbyfahrer bei der Montage – oder im Pannenfall – überfordert.

Doch auch bei „klassischen“ Systemlaufrädern spielt der Werkstoff Carbon eine immer wichtigere Rolle. Mavic beispielsweise setzt, beim teuren R-Sys-Modell ebenso wie beim erschwinglicheren Ksyrium SR, auf Speichen aus dem Verbundmaterial. Wer beim Transport sorgsam mit diesen Laufrädern umgeht, freut sich über satte Steifigkeiten, geringes Gewicht und, dank Alu-Felge/Bremsflanke, uneingeschränkte Alltagstauglichkeit!

Die Preise steigen

Doch nicht nur im Rahmen- und Laufradbau ist Carbon ein immer wichtigeres Thema. Sattelstützen und Lenker aus dem Verbundwerkstoff sind (nicht nur) bei Top-Rennern mittlerweile üblich. Auch Vorbauten aus Kohlefaser sieht man häufiger – im Test etwa am Scott.

Doch die leichten Kohlefaserteile haben ihren Preis: Die Testräder sind größtenteils teurer als vergleichbare Vorjahresmodelle. Auch Wechselkurse und steigende Produktionskosten spielen hier ein Rolle. Fakt ist aber, dass Rennräder teurer werden. Auch das ist ein Trend für das Jahr 2011 – zum Leidwesen der Käufer.

Benotet: Die Rahmen-Gabel-Sets der Testräder

RB 0211 Top-Renner Rahmen-Gabel-Set

RoadBIKE-Messlabor: Die Gewichte der Testräder

RB 0211 Top-Renner Gewichte

RoadBIKE-Messlabor: Steifigkeiten und Komfortwerte der Testräder

RB 0211 Top-Renner Laufradsteifigkeit
RB 0211 Top-Renner Tretlagersteifigkeit
RB 0211 Top-Renner Lenkkopfsteifigkeit
RB 0211 Top-Renner Komfort

So testet RoadBIKE die Rennräder

Labortest:

RB 0211 Top-Renner So testet RoadBIKE
Daniel Geiger
RoadBIKE-Techniker misst am Prüfstand die Steifigkeiten der Rahmen.

Im eigenen Labor misst Road­BIKE die Steifig­keiten und die vertikalen Nachgiebigkeiten (Komfort) der Rahmen-Gabel-Sets sowie Rundlauf und Mittigkeit der Laufräder. Auch Gewichte, Geometrie und Ausstattungen werden im eigenen Testlabor erfasst. Diese Daten und Werte fließen zu 50 Prozent in die Endnote ein.

Praxistest:

Mindestens drei Testfahrer sind mit jedem Rad auf der Testrunde unterwegs, ohne dabei die Messwerte zu kennen. So können sie unvoreingenommen ihre Erfahrungen und Eindrücke sammeln und abgleichen. Der Praxistest macht 50 Prozent der Endnote aus.

Kommentar: Wer braucht Rennräder für 10.000 Euro?

RB 18 Alu-Rennräder bis 1500 Euro im Vergleich Felix Böhlken
Felix Böhlken, Redakteur

10.000 Euro für ein Fahrrad – geht’s eigentlich noch?! Leserkommentare wie dieser werden uns auch nach dem aktuellen Test wieder erreichen. Zurecht! Denn Rennräder zum Preis eines Neuwagens mögen faszinieren. Kaufen und fah­ren werden solche Hightech-Boliden nur wenige Rennradfahrer.

Aber: Die Top-Renner setzen Trends und lassen erkennen, wohin sich der Markt (auch bei den günstigeren Modellen) in Zukunft entwickeln wird. Deshalb testet RoadBIKE solche Räder – für alle Leser.

Allerdings hat RB „vernünftige“ Topmodelle zu diesem Test bestellt – das bedeutet: Spitzenrahmen mit Top-Gruppe, aber mit bezahlbaren Laufrädern mit Alu-Felgen. Die sind voll alltagstauglich. Ganz im Gegensatz zu sündteuren Vollcarbon-Laufrädern, die RoadBIKE explizit nicht angefordert hat.

Denn diese Prestige-Objekte treiben den Kaufpreis nochmals gewaltig nach oben, ihr Nutzen im Alltag dagegen ist fragwürdig – bei den Bremsleistungen und auch was die (meist) notwendigen Schlauch­reifen angeht. Auch Profis fahren Carbonlaufräder nur im Rennen, nicht im Training. Lediglich Storck schickte trotzdem Vollcarbon – und punktet deshalb beim Gewicht.

Fazit: Jedes Testrad ist ein Star

Nicht nur im Rampenlicht, gerade auch im Rennfahreralltag auf der Straße ist jedes davon ein echtes Erlebnis! Die Note „sehr gut“ markiert die Untergrenze in einem Wettstreit auf höchstem Niveau. Cannondale, Scott und Simplon setzen sich durch ihre Charakterstärke ab und holen sich Kauftipps. Das bis ins Detail durchdachte, nobel aufgebaute Canyon verdient sich den Testsieg.

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Erscheinungsdatum 09.04.2024