Test: 4 Rennräder mit Felgenbremsen
Canyon, Rose, Stevens und Storck: Felgenbrems-Renner im Test

Inhalt von

Auslaufmodelle? Von wegen! Es gibt immer noch gute Argumente für Rennräder mit Felgenbremsen. ROADBIKE hat vier aktuelle Modelle von Canyon, Rose, Stevens und Storck getestet.

Felgenbremsen Test
Foto: Bjoern Hänssler

Diese Räder mit Felgenbremsen haben wir getestet:

Neben Riemchenpedalen, Rahmenschaltung und 23-mm-Reifen – ist bald auch die Felgenbremse ein Fall fürs Radsport-Museum? Wer sich auf den Internetseiten der großen Radhersteller umschaut, muss diesen Eindruck bekommen. Die Scheibenbremse dominiert klar, viele Modelle sind gar nicht mehr mit klassischer Felgenbremse verfügbar. Und es werden immer mehr Hersteller, die sich komplett von dem über Jahrzehnte bewährten System verabschieden. Einzig im Einsteigerbereich, bei Rädern für 1000 bis 1500 Euro, findet sich noch eine größere Auswahl an Rädern mit Felgenbremsen, in der Mittel- und Oberklasse wandert die Spezies zunehmend auf die rote Liste aussterbender Arten.

Rose Bikes

So hagelte es auch auf die Einladungen zu diesem Vergleich reihenweise Absagen, was das überschaubare Testfeld erklärt: So verzichteten unter anderem Cube, Cannondale, KTM, Ridley und Scott auf eine Teilnahme, weil sie entweder keine entsprechenden Räder mehr im Programm führen oder die Schwerpunkte der eigenen Entwicklung "woanders", sprich im Disc-Segment, liegen. "In Sachen Felgenbremse wird bei KTM nicht mehr weiterentwickelt. Alle neuen Rahmenkonzepte im Road-Sektor sind für Disc ausgerichtet", sagt etwa Matthias Grick von KTM stellvertretend für viele Hersteller: "Eine klare Entscheidung – beim Mountainbike wird der Felgenbremse auch nicht nachgetrauert." Ähnlich sieht man es bei Scott: "Die deutlich bessere Bremsleistung sowie langlebigere und aerodynamischere Laufräder gleichen das minimal höhere Gewicht von Scheibenbremsen mehr als aus", begründet Julian Oswald die Entscheidung, kaum noch Räder mit Felgenbremse anzubieten.

Felgenbremsen Test
Bjoern Hänssler

Nichtsdestotrotz hat die Felgenbremse noch immer viele Fans – und es gibt auch im Jahr 2020 noch gute Argumente, sich für ein Rennrad mit Felgenbremse zu entscheiden. Vier solcher Räder finden sich in diesem Vergleichstest, denn Canyon, Rose, Stevens und Storck halten noch an der Felgenbremse fest. Und die Testkandidaten zeigen, dass sie nach wie vor mehr als konkurrenzfähig sind.

Günstig und leicht

Das fängt schon beim Blick auf die Waage an: Gerade mal 6,9 kg wiegt das leichteste Rad im Test, das Aernario.2 Comp von Storck – auch dank des extrem leichten Rahmens, der nur 890 g auf die Waage bringt. Aber auch die anderen Anbieter schickten ausgesprochen leichte Rennräder zum Testen, die beim Rahmen- und Komplettgewicht nur wenig über der vom Aernario.2 gesetzten Messlatte liegen. Das "schwerste" Rad kommt mit dem Xenon von Stevens – mit immer noch leichten 7,3 kg. Und das bei einem Preis von 3000 Euro. Nur zum Ver- gleich: Für einen vergleichbar leichten Renner mit Scheibenbremse werden schnell 2000 Euro mehr fällig. Denn das Mehrgewicht der Scheibe von rund 400 g muss an anderer Stelle kompensiert werden, also entweder an Laufrädern, Schaltgruppe oder Rahmen – und das geht schnell ins Geld.

Und, auch das ist Fakt: Ein leichtes Rennrad fährt sich einfach agiler, lebendiger und schneller als ein schweres. Wer dieses Fahrgefühl liebt und ein begrenztes Budget verwaltet, kommt kaum um einen Felgenbrems-Renner herum.

Beeindruckendes Fahrgefühl

Felgenbremsen sind im Vergleich zu Discs nicht nur leichter, sondern auch günstiger: Der Preisunterschied zwischen sonst vergleichbar ausgestatteten Rädern beläuft sich auf 300 bis 400 Euro. Geld, das man sich sparen oder an anderer Stelle investieren kann. Beispielsweise in eine elektronische Schaltung, wie am Canyon Ultimate CF SL 8.0 oder Roses X-Lite Four, die beide mit Shimanos Ultegra Di2 kommen. Alternativ fließt das Geld in einen leichteren Rahmen wie beim Stevens Xenon oder in Carbon-Hochprofillaufräder wie beim Aernario.2 Comp von Storck. All diese "Tuning-Maßnahmen" sind nicht nur von akademischem Interesse, sie lassen sich auch spürbar erleben:

Die Renner im Test fahren sich agil und machen durch ihr geringes Gewicht viel Freude, beeindrucken mit einem lebendigen Fahrgefühl und zwei bieten den Komfort einer elektronischen Schaltung. Was Käufer eines Renners mit Felgenbremse allerdings nicht vergessen sollten: Spätere Upgrades, etwa bei den Laufrädern, werden künftig schwieriger, weil immer mehr Hersteller zwar weiterhin Laufräder für Felgenbremsen im Programm führen, auf Neuentwicklungen in diesem Segment aber eher verzichten. Das gilt umso mehr, weil auch die meisten Profiteams planen, auf Disc umzusteigen, oder den Wechsel schon vollzogen haben – und so der Innovationsdruck nachlässt. Wer indes mit der Konfiguration des infrage kommenden Felgenbrems-Renners zufrieden ist und mittelfristig keinen Handlungsbedarf sieht, kann bedenkenlos zugreifen. In jedem Fall wird er ein preislich wie auch gewichtstechnisch äußerst attraktives Rad von hohem Reifegrad erhalten.

Ist die Felgenbremse tot?

Peter Kinzel,
 Canyon:
 "Die Felgenbremse ist nicht komplett tot, auch wenn der Trend zur Scheibenbremse unaufhaltsam ist. So liegt auch der Fokus von Neuentwicklungen bei uns auf der Scheibenbremse. Allerdings wird es immer Liebhaber der klassischen Felgenbremse geben. Deshalb sind Modelle mit Felgenbremse auch immer noch in unserem Programm."

Volker Dohrmann, Stevens: "Stevens hat alle Neuentwicklungen konsequent auf Disc konzentriert. Allerdings bieten wir unsere Bestandsmodelle weiterhin an. Felgenbremsen sind leichter und preiswerter als Discs. Wir denken, dass die Entwicklungen bei Laufrädern und Rah- men noch Gewichtsoptimierungen der Scheibenbremsmodelle erlauben, was die Akzeptanz fördern wird."

Michael Wild, 
Paul Lange/Shimano: "Wir haben eine sehr dynamisch wachsende Nachfrage nach Scheibenbremsen beobachtet und deshalb die Entwicklung stark forciert. Zugleich herrscht aber nach wie vor eine, wenn auch stark zurückgehende Nachfrage nach Felgenbremsen. Daher wird auch in diesem Bereich stetig weiterentwickelt, solange diese Nachfrage gegeben ist."

Frank Greifzu, 
Cube:
 "Mit unseren High-End-Rädern konnten wir sogar die Profiathleten zu Disc-Fans machen. Funktion und die Werte aus dem Windkanal ließen Zweifel schnell schwinden. Im Endurance-Bereich profitiert die Disc von Einflüssen wie Gravel. Deshalb haben wir nur noch ein Attain-Modell mit Felgenbremse, setzen ansonsten auf die Scheibenbremse."

Kommentar von RB-Redakteur Christian Brunker

"Gibt es bald nur noch Rennräder mit Scheibenbremsen? Der Trend weist jedenfalls eindeutig in diese Richtung und es fällt schwer, sich vorzustellen, dass sich diese Entwicklung wieder umkehren könnte. Aber trotzdem hat die Felgenbremse auch im Jahr 2020 noch ihre Berechtigung:
 Sie ist konkurrenzlos leicht und erlaubt spritzige, lebendige, vor allem aber bezahlbare Rennräder auf hohem technischem Niveau zu bauen. Die Technik ist vergleichbar einfach aufgebaut, wurde über Jahrzehnte immer weiter perfektioniert und ist auch von Laien zu durchschauen – und zu warten. Ersatzteile gibt es in je- dem Radladen der Welt. Natürlich hat die Disc ihre Vorteile, vor allem in puncto Dosierbarkeit und Nassbrems-Performance. Aber muss wirklich immer das Bessere der Feind des Guten sein?"

Hier finden Sie die Testberichte zu den einzelnen Bikes:

Die aktuelle Ausgabe
5 / 2024
 5 / 2024

Erscheinungsdatum 09.04.2024