Interview: Franziska Koch vom Team Sunweb
Franziska Koch: „Der Sieg macht Lust auf mehr“

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Franziska Koch, 19, ist Radprofi beim Team Sunweb. Mit ROADBIKE sprach sie über ihre ersten Monate im Profipeloton, den Frauenradsport, ihre Ziele – und den Moment, als sie fast aus Versehen ihr erstes WorldTour-Rennen gewann.

Franziska Koch Team Sunweb
Foto: Team Sunweb/Vincent Riemersma

Zur Person: Franziska Koch, Jahrgang 2000 aus Mettmann bei Düsseldorf, wuchs in einer radsportverrückten Familie auf und fuhr bereits im Kindesalter Radrennen. Sie ist mehrfache Deutsche Meisterin, in der Klasse U17 war sie zeitgleich Titelträgerin auf der Bahn, auf der Straße, beim Mountainbiken und im Cyclocross. Schon vor dem Abitur, das sie im Juni 2019 ablegte, unterschrieb sie einen Profivertrag beim Team Sunweb, für das sie seit dem 1. August 2019 fährt. Im September gewann sie bei der Boels Ladies Tour die 4. Etappe – zugleich der erste WorldTour-Sieg von Sunweb in jener Saison.

Hinweis: Das Interview könnt Ihr auch in voller Länge in unserem Podcast „Faszination Rennrad“ hören.

Team Sunweb/Vincent Riemersma
Franziska Koch, Team Sunweb

ROADBIKE: Franziska, ist mit dem Profivertrag für Dich ein Lebenstraum wahr geworden?

Franziska Koch: Ja, eigentlich schon. Es war immer in meinem Hinterkopf, einmal mein Geld mit dem Radfahren zu verdienen. Und jetzt hat es tatsächlich geklappt.

Du stammst aus einer Radsportfamilie: Der Großvater fuhr schon Radrennen, beide Elternteile, Deine Geschwister, Cousinen und Cousins. Wie stark hat das Deinen Lebensweg geprägt?

Ich glaube schon stark. Ich kenne es gar nicht anders, als dass man am Wochenende zu den Rennen fährt und unter der Woche nach der Arbeit oder nach der Schule Rad gefahren wird. Das hat mich schon sehr stark geprägt. Aber ich habe das gar nicht als Prägung wahr genommen, das war halt einfach unser Leben.

Drehen sich bei Familienfeiern dann auch alle Gespräche ums Radfahren?

(lacht) Ja, meistens wenn wir uns treffen, läuft auch ein Fernseher, wo ein Radrennen übertragen wird – Tour de France, Giro oder im Winter Cyclocross.

Was macht für Dich die Faszination von Radrennen aus?

Sich messen mit Anderen. Nicht immer gewinnt der Stärkste, manchmal auch der Schlauste. Das Zusammenspiel von Stärke und Köpfchen. Und jetzt im Profisport der Teamgedanke: Man kämpft zusammen für ein Ziel. Man weiß vielleicht, dieses Rennen liegt mir nicht, das kann ich nicht gewinnen, aber meine Teamkollegin. Und da kannst Du 100 Prozent geben auf den ersten 70 Kilometern. Da ist dann Dein eigenes Rennen zu Ende, aber Deine Teamkollegin kann vielleicht gewinnen.

Franziska Koch Team Sunweb
Moritz Pfeiffer
Bundesligarennen in Auenstein-Ilsfeld 2018, Franziska Koch in der Mitte im grünen Trikot

Stimmt es, dass man nochmal ein paar Prozent mehr raushauen kann, wenn man für jemanden anders fährt?

Für mich stimmt das eher nicht. Ich gebe immer alles für jemand anders, aber ich würde auch immer voll für mich selbst fahren. Man will ja auch selbst gewinnen.

Dein Bruder Michel Koch fuhr zwei Jahre beim Team Cannondale Pro Cycling, holte Top-Ten-Ergebnisse bei Zeitfahren der Tour de Suisse, beendete den Giro d´Italia 2014. Hat er viel mit Dir über seine Erfahrungen als Radprofi gesprochen oder machst Du Dein eigenes Ding?

Ich würde eher sagen, ich mache mein eigenes Ding. Ich kann ihn immer fragen, aber die Zeit ist inzwischen eine andere und der Frauenradsport ist ja auch nochmal etwas anderes. Ein ständiger direkter Austausch findet nicht statt, aber manchmal greife ich schon auf seine Erfahrungen zurück. Und früher, als mein Papa mich noch trainiert hat, war mein Bruder manchmal ein Ansprechpartner für ihn für die Trainingsplanung.

Wie ist Dein Werdegang, wer hat Dich trainiert?

Bis ich zu Sunweb gekommen bin, hat mich immer mein Papa trainiert. Das war natürlich ein sehr enger Austausch: Wenn’s mir mal nicht gut ging, konnte der Trainingsplan schnell angepasst werden. Jetzt bei Sunweb habe ich einen neuen Trainer bekommen. Das tut auch bestimmt gut, bringt frische Luft rein, erfrischt das Eltern-Kind-Verhältnis. Jetzt kann man beim Mittagessen auch mal über was anderes reden als Radsport (lacht).

Du hast eine sehr breite Radsportausbildung genossen, warst sehr erfolgreich auf dem Mountainbike, beim Cyclocross, auf Bahn und Straße. Geht das auch in Zukunft noch oder hast Du Dich jetzt für die Straße entschieden?

Die Bahn ist jetzt nicht mehr so präsent, irgendwann muss man sich ja auch fokussieren. Im Moment fahre ich hauptsächlich Straße, aber trotzdem auch ab und zu noch Mountainbikerennen.

Im Sommer 2019 hast Du Abitur gemacht. Wie wichtig war es Dir, neben dem Sport auch die Schule abzuschließen?

Sehr wichtig. Die Doppelbelastung aus Sport und Schule ging in Ordnung. Ich würde fast sagen, das Abiturjahr war am entspanntesten, weil man sich am Ende die Zeit fürs Lernen selbst einteilen konnte. Aber als Basis, um einmal studieren zu können, war es für mich schon sehr wichtig, die Schule abzuschließen. Auch mit guten Noten, denn wenn die Noten stimmten, war es auch leichter, von der Schule für Trainingslager oder Wettkämpfe freigestellt zu werden.

Wie muss man sich das vorstellen: Beantragt man Freistellungen bei der Schulleitung?

Ja genau. Ich hatte das Glück, dass meine Schule viel Verständnis hatte. Ich habe auf dem Gymnasium die offiziellen Einladungen vom Bund Deutscher Radfahrer für Trainingslager oder Kaderveranstaltungen vorgelegt, dann konnten die sehen, auf welchem Niveau der Sport von mir betrieben wurde. Am Ende musste ich nur per E-Mail die Termine durchgeben und die Einladungen anhängen. Ich habe eigentlich immer freibekommen, aber wie gesagt: Die Noten mussten auch stimmen.

Wie war das mit den gleichaltrigen Freundinnen und Freunden: Musste man sich da manchmal entscheiden zwischen gemeinsamer Zeit und Sport?

Naja, man muss sich nicht wirklich entscheiden, aber ich würde sagen, man braucht schon die richtigen Freunde. Klar, in der Schule hatte ich irgendwann den Ruf, „die Franzi, die ist wieder mal nicht da.“ Aber heutzutage mit WhatsApp und so weiter kann man immer Kontakt halten, und in der Off-Season im Winter kann man sich dann auch häufiger sehen. Meine Freunde haben immer gut verstanden, dass ich in der Woche nicht so viel Zeit hatte, wenn man Schule hat, Training hat und abends dann noch Hausaufgaben warten oder man lernen muss. Und sie haben mich immer voll unterstützt.

Wie bist Du dann zum Team Sunweb gekommen?

Sunweb ist immer auf der Suche nach Talenten, speziell auch nach deutschen Talenten. Das Team hat dann Liane Lippert [Fahrerin im Team und Deutsche Meisterin 2018, d. Red.] gefragt, ob sie deutsche Nachwuchsfahrerinnen kennt, und sie hat Hannah Ludwig und mich empfohlen. Ich war dann 2018 bei den Talent Days von Sunweb, wo verschiedene Talente gesichtet wurden. Mein Leistungstest war gar nicht so super – ich hatte mich nicht spezifisch vorbereitet, war zuvor Mountainbike-Rennen gefahren. Aber ich habe ein Vertragsangebot bekommen. Weil ich mir im August 2018 das Sprunggelenk gebrochen habe und nach der Zwangspause nicht überstürzt die Form aufbauen wollte und bis zum Sommer 2019 ja auch noch das Abitur anstand, bin ich „erst“ seit 1. August offiziell beim Team Sunweb. Hannah Ludwig ist übrigens bei Canyon-Sram untergekommen!

Franziska Koch Team Sunweb
Moritz Pfeiffer
Franziska Koch (l.) mit Hannah Ludwig (M.) und Anna-Helene Zdun (r.) bei der Siegerehrung des Bundesligarennens in Auenstein-Ilsfeld 2018.

Kann man als Neuprofi vom Radsport leben? Oder machst Du noch etwas anderes?

Am Anfang der Profikarriere kann man eher nicht vom Radfahren leben, da braucht man schon noch gute Unterstützung, zum Beispiel von den Eltern. Ich habe bei Sunweb das Glück, dass wir zum Beispiel in Sittard die Appartments zur Verfügung haben und ich kostenlos wohnen kann. Ab 2020 gibt es dann auch ein Mindestgehalt für WorldTour-Teams. Das ist definitiv gut, davon kann man schon leben – aber auch noch nichts zurücklegen. Neben dem Profisport studiere ich Psychologie – im Fernstudium. Ich habe also keine Präsenzveranstaltungen, sondern kann sowohl im Trainingslager auf Mallorca als auch zu Hause studieren. Klar, der Fokus liegt klar auf Radsport, aber ich finde es wichtig, dass ich den Kopf auch mal frei kriege und mich mit etwas anderem beschäftigen kann.

Hilft Dir das Studium auch schon beim Sport?

(lacht) Nee, noch nicht. Ich stehe ja auch erst ganz am Anfang, und es ist auch keine Sportpsychologie, mit der ich mich gerade beschäftige. Aber manchmal ist es schon ganz witzig, im Alltag erkenne ich in manchen Situationen gewisse Muster wieder. Ich hoffe auf jeden Fall, dass ich das Studium später auch für den Sport nutzen kann.

Hast Du ein konkretes Berufsziel?

Im Moment ist es erstmal ein zweites Standbein. Aber ich brauche immer ein Ziel: Ich fände es interessant als Mental Coach für Sportler zu arbeiten, aber ob das in sechs oder zehn Jahren ist, das ist völlig offen.

Team Sunweb/Vincent Riemersma
Franziska Koch, Team Sunweb

Was würdest Du sagen: Wo steht der Frauenradsport? In Deutschland, aber auch international.

Nur in Deutschland, würde ich sagen, ist der Frauenradsport schon sehr ausbaufähig. Da gibt es hauptsächlich die Bundesligarennen, und da stehen nicht so viele Fahrerinnen am Start, das ist ein bisschen traurig. Ich würde mir auch eine aggressivere Fahrmoral wünschen. International ist der Profisport auf einem guten Weg, es gibt sinnvolle UCI-Neuerungen wie Mindestgehalt, bessere Rechte [Neben Mindestgehältern werden erstmals Versicherungspflichten eingeführt, Regeln für ein Maximum an Renneinsätzen geschaffen und die Preisgelder erhöht. 2020 wird es acht UCI Women’s World-Teams geben, d. Red.]. TV-Übertragungen sind ein großer Punkt. Bei mehr Sichtbarkeit würde auch mehr Geld fließen, dann kann man auch noch mehr aufbauen. Die Teams könnten ihre Infrastruktur weiter ausbauen, die Betreuung der Fahrerinnen noch stärker verbessern. Ich denke, insgesamt ist der Frauenradsport auf einem guten Weg.

Müssten auch einfach mehr Mädchen und Frauen Rennen fahren?

Ja. Wir waren in der U17 meistens „nur“ vier Rennfahrerinnen auf einem ähnlich hohen Niveau, die gegeneinander gefahren sind: Hannah Ludwig, Ricarda Bauernfeind, Katharina Hechler und ich. Das hatte dann auch was von Rennen fahren, danach kam aber leider nicht so viel. Ricarda und Katharina haben sich dann auf die Bahn spezialisiert, ich bin viel Mountainbike gefahren, Hannah stand bei manchen Bundesligarennen da, ist irgendwann vorne rausgefahren, hat solo gewonnen. Das hat natürlich wenig von Rennen fahren. Kein Vorwurf an sie!

Was muss passieren, damit die Leistungsdichte wieder größer wird?

Radfahren an sich ist total faszinierend, diese Freiheit! Du kannst aus eigener Kraft 100, 120 Kilometer fahren, an schöne Orte kommen, wo keine Autos sind. Das ist für mich die Faszination Radsport. Und im Rennen fasziniert mich der Wille, besser zu sein als die Anderen. Man muss die Rennen attraktiv machen, schöne Kurse, viele Zuschauer, dass es ein Event ist, wo Sportler gerne hinkommen. Nachwuchsförderung ist wichtig. Dass man mit dem Sport in Verbindung kommt, dass früh die Saat der Faszination gesät wird.

Hast Du Tipps und Tricks für junge Radsportlerinnen und Radsportler, die jetzt dieses Interview lesen und raus aufs Rad wollen?

Ganz ruhig angehen, nicht zuviel Druck machen, erstmal Spaß haben. Und im Rennen nicht sofort auf Ergebnisse schauen und frustriert sein, wenn man nicht in die Top Ten fährt, eher kleine Ziele setzen: einen Fahrer oder eine Fahrerin suchen, die etwa auf gleichem Niveau sind und da dann dran bleiben. Nach einer Kurve kein Loch zufahren müssen, über den Anstieg kommen mit der Gruppe, die Rennen im Feld beenden und so weiter.

Wie hast Du nun die ersten Monate als Radprofi erlebt? Bist Du bereits bei vielen Rennen gestartet?

Ich habe seit dem 1. Januar 2019 schon mit Sunweb zusammengearbeitet, war mit bei Trainingslagern. Da habe ich gleich gemerkt: Ja, gute Stimmung, mega-coole Atmosphäre. Und es ist alles durchstrukturiert, von vorne bis hinten professionell. Mein erstes Rennen war dann die Tour of Norway im August, da habe ich mich super drauf gefreut, auch weil es eine viertägige Rundfahrt war, und ich wusste: Wenn ich was falsch mache, habe ich am nächsten Tag gleich eine neue Chance. Für mich war neu, dass überall Kameras waren und das Rennen im Internet live übertragen wurde. Das hat mich auch nochmal total gepusht, zu wissen, Freunde und Familie können Dich jetzt sehen. Also, ich genieße es total!

Wie bist Du von den Teamkolleginnen aufgenommen worden?

Total gut. Dadurch, dass wir uns schon von früheren Trainingslagern kannten, sind wir recht früh gut zusammengewachsen, ich war gleich Teil des Teams. Und als ich das erste Rennen mit dem Team gefahren bin, haben hinterher alle gesagt: Hat sich gar nicht angefühlt, als ob Du jetzt erst bei uns angefangen hättest.

Team Sunweb/Vincent Riemersma
Die Frauenmannschaft des Team Sunweb mit Franziska Koch vorne links beim Trainingslager im Dezember 2019 in Calpe/Spanien.

Was sind Deine Aufgaben im Team?

Unterschiedlich, aber meistens early support und positioning, das heißt die Leader in der ersten Rennphase unterstützen und im Feld aus dem Wind nehmen und positionieren.

Gab es auch schon einen nicht so schönen Moment?

Bei der Tour of Norway gab es einmal einen Massensturz. Das Team Sunweb fährt im Feld eigentlich immer sehr dicht beieinander, was ein schönes Gefühl ist. Aber da lagen wir dann auch wirklich alle auf der Straße. Das war wirkliches Chaos, nicht leicht zu erkennen, fahre ich jetzt weiter, wo ist die Leaderin, wer ist schon wieder auf dem Rad. Nicht schön, aber man lernt auch daraus.

Vor wenigen Wochen wurde das Team Sunweb für die Saison 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt. Wie fühlte es sich an, auf einmal auf einer Bühne zu stehen mit Fahrerinnen und Fahrern wie der Flandernrundfahrt-Gewinnerin Coryn Rivera oder Sprinter Michael Matthews?

Es ist ein mega-schönes Gefühl. Aber ich habe eigentlich nie gedacht, „krass, jetzt stehe ich hier mit Coryn Rivera.“ Im Prinzip sind das auch nur Menschen, die etwas richtig gut können, etwas richtig cooles geleistet haben. Aber sie hätten es nicht geschafft, wenn nicht alle geholfen hätten, dafür stehen wir alle zusammen da. Es ist ein atemberaubendes Gefühl, Teil dieses großen Ganzen zu sein.

Präsentation Team Sunweb 2020
Team Sunweb/Vincent Riemersma
Präsentation der Männer-, Frauen- und Nachwuchsmannschaften des Teams Sunweb, Dezember 2019

Du hast bei der Boels Ladies Tour, einem Etappenrennen in den Niederlanden, Deinen ersten Profisieg erringen können, und das gleich bei einem WorldTour-Rennen, in einem packenden Sprintfinish. Schildere doch einmal das Etappenfinale und die Emotionen nach Deinem Sieg.

Wir waren zu dritt weggefahren. Kurz vorher wurde eine Ausreißergruppe gestellt und bei uns wurde im Teamfunk gesagt „seid aufmerksam, wenn eine geht, geht mit“ – und fünf Sekunden später attackierte eine Fahrerin, ich war in guter Position, fuhr mit. In der Gruppe war eine Fahrerin, die auf Gesamtklassement fuhr, meine Leaderin Lucinda Brand war hingegen hinten. Also habe ich am Ende nicht voll mitgeführt. Ich dachte immer, gleich kommt die Gruppe von hinten, dann kann ich noch fürs Finale helfen.

Aber die kamen nicht.

Nein, plötzlich waren es nur noch fünf Kilometer, und es hieß über Teamfunk: „Okay, Franzi, es ist für Dich, Du kannst es raushauen.“ Ich dachte nur: Ach du Scheiße! Meine Aufgabe im Rennen war eigentlich viel früher vorgesehen, dafür hatte ich mir die Strecke auf Google Earth angeschaut, aber nicht die Zielankunft. Wir haben aber immer ein internes Roadbook, das wird reihum für jedes Rennen von einer Fahrerin geschrieben, die sich die Strecke vorher auf Google Earth anschaut und wichtige Stellen für das ganze Team identifiziert und beschreibt. Das hatte ich zum Glück komplett gelesen, also wusste ich ungefähr, was auf mich zukommt. Letzter Kilometer, 500 Meter vorm Ziel noch mal eine Brücke, 300 Meter vorm Ziel die letzte Kurve und so weiter. Und ich hatte guten Support über den Teamfunk: Mein sportlicher Leiter warnte mich: „Die eine Fahrerin wird vermutlich 1000 Meter vor dem Ziel attackieren, weil sie nicht so gut sprintet.“ Und genau das war der Fall. Am Ende war ich dann tatsächlich die Frischeste. Es wurde zwar knapp, weil ich die Zielgerade länger eingeschätzt habe als sie dann war, aber es hat gereicht. Das war wirklich unglaublich!

Der Lohn für all die Jahre, in denen man auf solche Momente hintrainiert?

Ja. Und ich würde auch sagen: die Lust auf mehr. Außerdem war es sogar der erste Sieg für das gesamte Frauenteam in dem ganzen Jahr. Wir wurden immer „nur“ Zweite oder Dritte, von daher war es noch einmal mehr „Oh mein Gott, was ist da nur passiert“, auch für das ganze Team. Man merkt schon einen Unterschied zwischen Podium und Sieg.

Hat sich dadurch für Dich was geändert im Teamgefüge?

Nein, ich war da als Support-Rider, in dem Moment hätte auch jede andere Fahrerin aus dem Team vorne sein können.

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Kritische Stimmen werfen dem Team Sunweb und namentlich Manager Iwan Spekenbrink vor, extrem perfektionistisch zu sein, den Lebens- und Trainingsalltag der Sportlerinnen und Sportler zu stark zu bestimmen. Andere sagen, gerade für junge Athleten sei Sunweb deswegen eine gute Adresse. Wie empfindest Du das?

Ich kann verstehen, wenn Fahrer sagen, ich möchte dieser Teamlinie nicht folgen. Aber genau das macht das Team aus. Gerade als junge Fahrerin weißt du nicht, wie der Hase läuft. Für mich persönlich ist es super, diese Orientierung zu haben, für mich machen auch viele Dinge Sinn. Und man kann auch immer mitdenken.

Hat sich rein praktisch viel geändert durch den Sprung zu den Profis?

Ja, das ist crazy! Vieles war total mind-blowing. Du stehst nicht mehr mit deinem eigenen Radkoffer am Flughafen. Du hast dein Trainingsrad zu Hause und das bleibt da auch. Du fährst zum Rennen, und da steht schon dein blitzblank geputztes Wettkampfrad. Helme, Klamotten, alles ist da. Du musst nichts mitnehmen. Überhaupt: Ich habe noch nie so viele Radklamotten besessen. Für alle Bedingungen. Kurze Trikots für heiße Tage, kurze Trikots für normale Tage, kurze Trikots für kühle Tage und so weiter. Manches ist noch gar nicht ausgepackt, da ist die Saison schon vorbei, und alles wird ersetzt mit neuen Trikots mit neuen Aufdrucken. Und das coolste: Überall steht dein eigener Name drauf (lacht).

Du bist auch in den sozialen Netzwerken aktiv, zum Beispiel bei Instagram. Macht das Team dort Vorgaben, werdet Ihr mit Bildmaterial oder anderem Input unterstützt oder kommen die Beiträge zu 100 Prozent von Dir?

Es gibt keine Vorgaben, wie viel gepostet werden soll. Manchmal heißt es, ladet keine Fotos von neuem Material hoch, zum Beispiel neue Trikots oder so. Ansonsten ist alles frei. Uns stehen auch Bilder zur Verfügung von den Rennen, das ist natürlich cool, qualitativ hochwertige Fotos posten zu können. Natürlich freuen sie sich, wenn man Fotos hochlädt, zum Beispiel von einem neuen Helm. Aber Vorgaben gibt es da nicht, alles ist freiwillig.

Und wo soll die Reise nun hingehen, was sind Deine persönlichen Ziele für die kommenden Jahre?

Erstes Ziel ist herauszufinden, was für ein Fahrertyp ich wirklich bin. Aktuell bin ich eher so eine Allrounderin. Im nächsten Jahr ist vor allem interessant, wie ich die Klassiker fahren werde, weil wir vermuten, dass ich dort gut abschneiden könnte. Das erste Ziel ist einfach, verschiedene Arten von Rennen zu fahren und zu schauen, wo ich gut bin. Über eine Leaderposition muss ich jetzt natürlich nicht nachdenken. Es ist ein Ziel von mir, bei Rennen auch mal als Leaderin eingesetzt zu werden, aber jetzt muss ich erstmal noch viel lernen. Ganz langfristig würde ich gerne eines Tages Weltmeisterin werden. Aber das will vermutlich jede Fahrerin.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die weitere Karriere!

Hinweis der Redaktion: Das Interview könnt Ihr auch in voller Länge in unserem Podcast „Faszination Rennrad“ hören. Die Anekdote, wie genau Franziska Koch zum Team Sunweb kam, und das Karriereziel Weltmeisterin hat die Sportlerin formuliert, als die Aufnahme bereits beendet war, deshalb sind diese Passagen nicht im Podcast zu hören. Franziska Koch war jedoch damit einverstanden, diese beiden Punkte in die schriftliche Fassung des Interviews aufzunehmen.

Franziska Koch Team Sunweb
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Franziska Koch mit ROADBIKE-Redakteur Moritz Pfeiffer
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