Die leichtesten Renner der Welt im Test: Zwölf Modelle unter 6,8 Kilo
Verboten leicht

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Die UCI würde Profis auf diesen ­Rädern die rote Kelle zeigen. Zu leicht! Hobbyfahrer aber dürfen weiterfahren.

RB Superleicht-Renner Teaserbild

Das Gewicht des Fahrrades kann nicht geringer sein als 6,8 Kilogramm." Punkt, aus, und Ende der Diskussion. Das Regelwerk des Fahrrad-Weltverbandes UCI verliert wenig Worte zu einem Thema, das Jahr für Jahr ­immer hitziger diskutiert wird.

Seit Januar 2000 gibt es die Bestimmung zum Minimalgewicht für Rennräder im Wettkampf, und seitdem ignoriert der Weltverband beharrlich den technischen Fortschritt des neuen Jahrtausends. Doch während die 6,8-Kilo-Marke eher willkürlich festgelegt wurde – angeblich soll das Rad, auf dem Marco Pantani 1998 die Tour gewann, als Maßstab gedient haben –, gründet sich die Regel auf die konkrete Beobachtung, dass sich der Radsport durch die rasante technische Entwicklung von seiner Tradition entfernte.

Die Funktionäre hatten Angst vor den möglichen Risiken gewagter Konstruktionen, dass in Zukunft die Leistung mehr von Maschinen als vom Menschen abhängen würden, und dass aufgrund der enor­men Kosten, die diese Materialschlacht seinerzeit verursachte, die Chancengleichheit nicht mehr gegeben sein könnte.

Legaler Leichtbau

An dieser Sicht hat sich bis heute nichts geändert, doch aufhalten konnte sie die Entwicklung nicht: Mussten sich die Hersteller vor ein paar Jahren noch mächtig anstrengen, um ihre Top-Modelle mit steifen, haltbaren Rahmen und Serienteilen auf unter 6,8 Kilo zu bringen, ist es heute für einige Profi-Ausrüster die größere ­Herausforderung, das Serienrad mit Gewichten und ­allerlei Tricks schwer genug für den Wettkampf zu machen.

Ein Problem, das ambitionierte Hobbysportler nicht zu belasten braucht. Sie können – das nötige Budget vorausgesetzt – in der kommenden Saison aus etlichen Ultraleicht-Rädern wählen und sich freuen, dass sie den Profis technisch überlegen sind. RoadBIKE wollte wissen, was diese Raketen wirklich können und hat zum großen Test geladen.

Die einzigen Voraussetzungen: Das komplette Paket muss in dieser Variante erhältlich sein und weniger als 6,8 Kilo wiegen, selbst wenn man Pedale dazurechnet. Keine Prototypen und keine "fremden" Teile, die nicht ins Programm gehören. Das Ergebnis: 12 Räder im Gesamtwert von fast 80 000 Euro. Traumrenner, bei denen sogar Profis den "Haben-will-Blick" bekommen.

Die Rennräder in diesem Test:

Gewichtskontrolle: Was die Testräder wirklich wiegen

Da RoadBIKE die Rädergewichte ohne Pedale angibt (das gilt auch für die Angaben in diesem Test), mussten die Kandidaten so leicht sein, dass noch Luft für das Pedalgewicht gewesen wäre (rund 150 Gramm). Auch mit dieser ­Extralast hätten alle Testräder die Vorgabe erfüllt, doch es gab deutliche Unterschiede zwischen den Modellen. Während das Canyon Ultimate CF SLX Ete 201 nur 5850 Gramm wiegt, kommt das "schwerste" Rad im Test, das Lapierre Xelius 900, auf 6640 Gramm.

Absolut zwar super leicht, doch um ein Haar zu schwer für das Testfeld. Woher die gro­ßen Unterschiede kommen, wird deutlich, wenn man sich die einzelnen Bestandteile ansieht: Vor allem das Set aus Rahmen, Gabel und Steuersatz, die Schaltgruppe und die Laufräder samt Bereifung.

Die Rahmen sind im Modelljahr 2010 zum Teil noch einmal leichter geworden, und das bei, bis auf wenige Ausnahmen, guten bis sehr guten Steifigkeits- und Komfortwerten. Neun von zwölf Kandidaten knacken die ehemals magische 1-Kilo-Marke.

Die leichtesten Modelle wie das Cervélo R3 SL und das Storck Fascenario 0.7 IS bleiben sogar unter 900 Gramm, doch ­damit scheint die Grenze für gleichzeitig ­steife und haltbare Konstruktionen in der ­Diamant-Form auch erreicht zu sein. "Viel geht da nicht mehr", lautet die einhellige Meinung der Konstrukteure.

Die Parts im Detail

Da diese drei Elemente immer häufiger gemeinsam konstruiert und in ihren Maßen und Formen genau aufeinander abgestimmt werden, bleibt das Set-Gewicht die einzige einigermaßen vergleichbare Größe. Was es bringt, auch auf das Gewicht der Gabel und Lager zu achten, zeigt Storck mit dem Fascenario 0.7 IS.

Mit einem Set-Gewicht von 1248 Gramm unterbietet es die Konkurrenz zum Teil um mehrere hundert Gramm. Und auch das Scott Addict, seit Jahren eine echte Hausnummer unter den Leichtgewichten, beeindruckt mit einem spektakulären Set-Wert: 1307 Gramm, und das mit integrierter Sattelstütze!

Die zweite Größe, die das Gesamtgewicht eines Rennrades entscheidend beeinflussen kann, ist die Schaltgruppe. Doch weil an Rädern zwischen rund 5000 und 11 000 Euro nur Top-Material verbaut wird, gibt es zumindest in diesem Testfeld keine extremen Unterschiede. Da die Antwort auf die Frage nach Campagnolo, Shimano oder Sram aber immerhin 100 Gramm mehr oder weniger bedeuten kann, lohnt auch hier ein prüfender Blick.

Nicht alle holen gewichtsmäßig das Maximum heraus, indem sie mit der Sram Red die leichteste Gruppe auf dem Markt montieren. Drei Testräder waren mit Campagnolos Super Record bestückt, vier mit ­Shimanos Dura-Ace und fünf mit der ­Gewicht sparenden Sram Red.

Genauer angeschaut: die Laufräder

Wer bei Rennern unter dem UCI-Limit reflexartig Carbonlaufräder vermutet, liegt nur zum Teil richtig. Immerhin ein Drittel der Kandidaten verbaut Alu-Laufräder (Cervélo und Scott) oder Kombinationen aus Alu und Carbon (La­pierre und Simplon). Dass dies kein Nachteil sein muss, zeigen die R-Sys-Laufräder im Simplon.

Der komplette Satz mit Reifen, Schläuchen und Kassette wiegt nur 2186 Gramm und damit weniger als die Carbonlaufräder im BMC, im Haibike und im Storck (alle über 2300 Gramm). Und: Während alle Aluminium-Modelle – bis auf das Vorderrad im Cervélo – ausreichend steif sind, gibt es bei fünf von acht Carbonmodellen zum Teil massive Steifigkeitsprobleme am Hinterrad.

Hier schießen die betroffenen Hersteller mit ihrer Materialwahl ein echtes Eigentor, denn die Nachgiebigkeit der Hinterräder wirkt sich in der Praxis negativ auf den Vortrieb aus, was alle Tester im Protokoll vermerkten. Das ist ärgerlich, weil die Tretlagersteifigkeiten überzeugen und damit die Voraussetzungen für tollen Vortrieb liefern.

Dass ein Carbonlaufrad einem Rad auch gut tun kann, zeigen Canyon, Cube und Focus mit ihren Lightweight-Standards. Für überragende Satzgewichte ­unter 2000 Gramm und die besten Steifigkeitswerte im Test gibt es Top-Noten und reichlich Lob von den Testern nach den Ausfahrten. Doch bei aller Anerkennung sollte der Freizeitfahrer nicht vergessen, dass es sich hierbei um Wettkampfmaterial mit Nachteilen im Alltag handelt und bei einer Panne kein Materialwagen anhalten wird.

Überhaupt hinterließen im Praxistest, bis auf ein paar Einschränkungen bei den Lenkkopf- und den angesprochenen Laufradsteifigkeiten, alle Kandidaten einen guten bis überwältigenden Eindruck.

Dazu tragen die niedrigen Gewichte bei, die den Rennern zu einem leichtfüßigen Auftritt verhelfen, sowie stimmige Geometrien, Top-Reifen und High-End-Teile bei Lenkern und Vorbauten. Traumräder eben – verboten leicht, verboten teuer, aber auch verboten gut.

RoadBIKE Messlabor: Die Gewichte der getesteten Rennräder im Detail

Gewichtscheck

Beim Gesamtgewicht bringen absolut gesehen alle Kandidaten einen tollen Wert auf die Waage. Im Vergleich miteinander werden aber deutliche Unterschiede sichtbar.

Canyon gewinnt die Wertung knapp vor Trek, aber mit zum Teil großem Abstand zum Rest des Feldes. Den leichtesten Rahmen macht Cervélo, dicht gefolgt von Storck und Scott, und bei der Gabel bringen ebenfalls letztere die besten Werte. Mit 288 Gramm legt Storck hier eine Marke vor, die nur schwer zu toppen sein dürfte. Die leichtesten Laufradsätze sind die Lightweights im Canyon, "schwer" wiegen die HEDs im Cervélo.

RB 1109 Superleicht Renner - Gewichte im Vergleich

RoadBIKE Messlabor: Die Steifigkeiten der getesteten Rennräder im Detail

Steifigkeitscheck

Wie viel Vortrieb lässt sich aus einem Rahmen-Set herausholen? Wie viel Fahrstabilität ermöglicht der Lenkkopfbereich? Antworten auf diese Fragen liefern die Steifigkeitswerte, die RoadBIKE für jedes Set ermittelt, bevor die Fahrer auf die Testrunde gehen. Die Tretlagersteifigkeiten in dieser Konkurrenz geben mit einer Ausnahme nicht den geringsten Anlass zur Kritik. Hier ist alles im grünen Bereich. Nur vom Lapierre wünschen sich antrittsstarke Fahrer mehr Reserven. Die Mehrheit der Lenkköpfe bietet auch für schwere Piloten genug Steifigkeit. Die Werte von BMC, Cervélo und Lapierre sind allerdings sowohl im Vergleich mit den übrigen Kandidaten im Test als auch absolut gesehen zu niedrig. Mittlerweile darf man von modernen Rennrädern mehr Fahrstabilität erwarten. Erst recht, wenn die Räder, wie diese Modelle, zum Teil deutlich mehr als 5000 Euro kosten.

RB 1109 Superleicht Renner - Tretlagersteifigkeit
RB 1109 Superleicht Renner - Lenkkopfsteifigkeit

Gabelcheck

Die Messung der Gabelsteifigkeiten ist wichtig, damit bei einem zu weichen Lenkkopf (gemessen inklusive Gabel) festgestellt werden kann, welches ­Element für den Wert verantwortlich ist. Das Ergebnis für diesen Test: Alle Gabelsteifigkeiten erreichen mühelos den grünen Bereich, der für alle Fahrergewichte ausreichend ist. Die tollen Werte sind besonderns aufgrund des sehr niedrigen Gewichts bemerkenswert.

RB 1109 Superleicht Renner - Gabelsteifigkeit

Komfortcheck

Mittlerweile darf man ruhig anspruchsvoll sein, was den Komfort der Rennmaschine angeht. Die Zeiten, in denen sich die Eigenschaften schnell und steif und komfortabel ausschlossen, sind vorbei. Sehr gute Laborwerte erreichen die Rahmen-Gabel-Stützen-Sets von BMC, Canyon, Focus und Trek, aber auch die anderen gehen für so schnelle Räder in Ordnung. Nur Cube und Scott fehlt es an messbarem Komfort.

RB 1109 Superleicht Renner - Komfort

Laufradcheck

Die Laufradmessungen brachten Licht und Schatten, unabhängig vom Material übrigens. So gab es sehr steife Carbonlaufradsätze, wie im Canyon, Cube und Focus (alle mit Lightweight Standard), aber auch Totalausfälle wie bei den Hinterrädern im BMC, Haibike, Red Bull und Storck. Das Alu-Vorderrad im Cervélo und das Carbonhinterrad im Trek verpassen nur knapp den grünen Bereich. Der Rest erreicht Werte, die für jeden Fahrertyp und für jedes "Kampfgewicht" ausreichen.

RB 1109 Superleicht Renner - Laufradsteifigkeit

So testet RoadBIKE die Superleicht-Renner

Labortest:

Auf mehreren eigenen Prüfständen, die zusammen mit dem EFBe-Institut entwickelt wurden, misst RoadBIKE eigenständig und unabhängig die Steifigkeiten und den Komfort aller Rahmen-Sets. Außerdem werden die genauen Gewichte und die Geome­triedaten ermittelt, da die Angaben der Hersteller oft von den tatsächlichen Daten abweichen. Zusätzlich werden in jedem Test sämtliche Laufräder vermessen und dabei auf Rundlauf, Mittigkeit, Schläge und Seitensteifigkeit getestet.

Praxistest:

Nach den Labormessungen gehen mit jedem Rad mindestens drei Tester auf die gleiche Testrunde, ohne die Labordaten zu kennen. Ihre Eindrücke ergeben einen Großteil der Endnote.

RoadBIKE-Wissen: Zum 6,8 Kilo-Gewichtslimit bei Wettkämpfen

Bereits 1996 äußerte der Radsport-Weltverband UCI in der der "Lugano Charter" seine Bedenken über die rasante technische Entwicklung und sah eine Gefahr für den Radsport, wenn er sich durch immer neue Geräte von der Einfachheit seiner Ursprünge entfernen würde und die Chancengleichheit aufgrund unterschiedlichen Materials nicht mehr gegeben wäre. Daraufhin legte der Verband fest, dass ab Januar 2000 Wettkampfräder nicht leichter sein dürfen als 6,8 Kilogramm.

Kommentar: UCI Gewichtslimit – Fluch oder Segen?

RB 18 Alu-Rennräder bis 1500 Euro im Vergleich Nils Flieshardt
Daniel Geiger
Nils Flieshardt, Testredakteur RoadBIKE

Was ist wichtiger für die Zukunft des Radsports: Fortschritt oder Tradition? Auf diese Frage läuft die Diskussion um die 6,8-Kilo-Regel hinaus. "Das Gewichtslimit behindert den Fortschritt", sagen Industrie und Fahrer. "Es bewahrt Tradition und Chancengleichheit", argumentiert die UCI. Mal angenommen, Räder dürften grenzenlos leicht sein: Was würde passieren?

Hätten die Fahrer wirklich einen Vorteil zu heute, wenn alle auf leichteren Rädern fahren?

Und wie wäre es für die Zuschauer? Würden sie den Leistungen der Profis auf leichteren Rädern mehr Bewunderung schenken als den Heldentaten von Bartali, Coppi und Merckx, die sich auf ihren "tonnenschweren" Stahl­ungetümen über die gleichen Gipfel gequält haben? Und könnten die Jahr für Jahr neuen Top-Räder wirklich noch leichter sein, wenn das Gewichtslimit der UCI nicht wäre?

Die Antwort ist Nein, und deshalb ist die Regel ein Segen. Sie sorgt dafür, dass der Mensch wichtiger bleibt als die Maschine, und sie hält die Fahrer davon ab, unter extremen Bedingungen riskantes Leichtbau-Material zu benutzen. Durch das ­Limit bleiben Radsport und Rennrad wie sie sind: faszinierend einfach und einfach begeisternd.

Fazit: Canyon macht das Rennen

In diesem Test von leichten und schweren, guten und schlechten Rädern zu sprechen, verbietet sich angesichts der Qualitäten der Kandidaten eigentlich. Doch beim Vergleich untereinander offenbaren sich sowohl im Labor als auch auf der Straße deutliche Unterschiede, die sich in Noten zwischen "Gut" und "Überragend" ausdrücken. Klarer Testsieg und Bestnote für das Canyon Ultimate CF SLX Ete 201. Das leichteste Rad im Test macht einfach wunschlos glücklich und zeigte keine Schwächen. Kauftipps und jeweils die Note "sehr gut" sicherten sich das Scott Addict R1 und das Simplon Pavo Red. Sie beweisen eindrucksvoll, dass gute Konstruktionen auch nach Jahren noch konkurrenzfähig sein können. Viel besser geht es eben nicht mehr.

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Erscheinungsdatum 05.03.2024