Carbon oder Aluminium? Welches Rahmenmaterial macht in der attraktiven Preisklasse unter 2000 Euro das Rennen?
Carbon oder Aluminium? Welches Rahmenmaterial macht in der attraktiven Preisklasse unter 2000 Euro das Rennen?
Sekt oder Selters? Die Mutter aller Fragen stellt sich – im übertragenen Sinne – jedem Rennradkäufer im Preissegment um 1800 Euro. „Ich möchte einen Carbonrahmen, aber mein Händler sagt, Alu ist für den Preis viel besser. Stimmt das?“
Solche oder ähnliche Leserfragen kreisen Woche für Woche um diese Materialfrage. Sie zeigen die Unsicherheit vieler potenziellen Kunden, die in Räder dieser Preisklasse investieren wollen: Alu-Rahmen wirken – „dank“ des Carbon-Hypes der vergangen Jahre – einfach altmodisch. Aber ist Carbon wirklich immer die bessere Wahl?
Diese Grundsatzfrage legitimieren die Hersteller selbst – sie durften für diesen Test von Rennern unter 2000 Euro selbst über das Rahmenmaterial entscheiden. Die Überraschung: Alu und Carbon sind zu gleichen Teilen vertreten.
Ein Kopf-an-Kopf-Rennen, obwohl doch die Kohlefaser scheinbar das überlegene Material ist. Doch wer wissen will, welches Rahmenmaterial nun wirklich die Nase vorn hat, muss schon ganz genau hinschauen.
Denn auf den ersten Blick verwirrt die Situation in diesem Testfeld eher: So wartet das günstigste Rad, Cubes Agree GTC für 1599 Euro, mit einem Carbonrahmen auf, die beiden nächst günstigen Räder von Canyon (1699 Euro) und Simplon (1700 Euro) – wie wohl eher zu erwarten – einen Alu-Rahmen.
Unter den drei teuersten für je 1999 Euro überrascht Radon mit einem Alu-Rahmen, während es bei Carver und Specialized dem hohen Preis entsprechend Carbonrahmen gibt.
Auch der Blick auf die Gewichtstabelle bringt keine Klarheit, welches Material mehr Punkte sammelt: Mit jeweils rund 8,5 Kilo teilen sich der Alu-Renner von Cannondale und Cubes Carbonmodell die rote Laterne, vorn liegt ein Alu-Modell von Radon – dessen Traumgewicht knapp über sieben Kilo wäre ohne eine versendertypische Kampfausstattung allerdings unmöglich.
Die darauf folgenden Plätze teilen sich das Carbonrad von Carver und der Alu-Renner von Red Bull mit je knapp 7,5 Kilo.
Noch mehr 2009er-Renner im Test:
Die Erklärung leuchtet aber ein: Da Aluminium-Rahmen grundsätzlich deutlich günstiger gefertigt werden, können die Hersteller hier in die Vollen greifen. Bei Carbon hingegen müssen sie Kompromisse beim Rahmen eingehen, um noch eine konkurrenzfähige Ausstattung montieren zu können.
Allerdings schaffen es Bulls und Focus, auf den Plätzen drei und vier der Bewertung aller Messwerte jeweils rund 1100 Gramm schwere Carbonrahmen folgen zu lassen. So leichte Rahmen sind sonst eigentlich nur in der 2500-Euro-Klasse zu finden. Das Gros der Testrahmen, gleich welches Material, wiegt um 1300 Gramm – ein guter Wert.
Mit einer einzigen Ausnahme erreichen übrigens alle Steifigkeitswerte über dem Minimum, das RoadBIKE als für jedes Fahrergewicht ausreichend festgelegt hat. Nur der Carbonrahmen von Carver bleibt im Lenkkopf hinter dieser Forderung – was Fahrer ab 80 Kilo bei den Praxistests an einer unpräziseren Lenkung spürten.
Der neben Steifigkeit und Gewicht wichtigste Vorteil von Carbon, dass es nämlich höheren Komfort bieten kann, bestätigt dieses Testfeld nicht. Auf Platz eins der Komfortmessung liegt zwar das Specialized Tarmac aus Carbon, gefolgt jedoch vom Red Bull aus Alu, auf den weiteren Plätzen wechseln sich die beiden Materialien ab.
Auch hier kommt wieder der Preisfaktor zum Tragen: Carbon kann seine Vorteile eben nur an aufwendigen und damit teuren Rahmen ausspielen. Komfort ist ohnehin ein Thema, bei dem Kunden dieser preisaggressiven Kategorie meist Abstriche machen müssen.
Selbst Ex-Profi Andreas Dilger monierte in seinen Testprotokollen, wie hart sich viele Testräder anfühlen. Griffige Lenker mit dickem Band und gute Sättel sind eben ein Kostenfaktor, den die Produktmanager weit hinten anstellen.
Noch mehr 2009er-Renner im Test:
So finden sich in den zuvor gelobten leichten Carbonrahmen von Bulls und Focus jeweils recht schwere Radsätze: Shimanos WH-RS 10 beziehungsweise Mavics Aksium. In sieben der 16 Testräder stecken solche Einsteiger-Systemlaufräder: neben Bulls und Focus in vier weiteren Carbonrahmen. Versteckt sich hier also doch ein Unterschied zwischen Alu- und Carbonrennern?
Zumindest eine klare Tendenz. Denn sucht man die hochwertigen Laufradsätze in den Testrädern, dann stecken sie allesamt in Alu-Rahmen: Ksyrium-Modelle bei Canyon, Haibike, Radon und Stevens, außerdem das vergleichbar hochwertige Easton EA70 im Red Bull.
Da gerade das Gewicht der Laufräder einen wichtigen Einfluss auf die Fahreigenschaften hat, lässt sich hier doch ein klarer Vorteil der Alu-Rahmen ableiten – nicht grundsätzlich, aber eben als deutliche Tendenz.
Noch mehr 2009er-Renner im Test:
Shimanos Ultegra SL markiert an acht der 16 Räder im Test den guten Standard; Canyon und Red Bull montieren Srams leichte Force. Kunden von Focus und Univega müssen allerdings auf den Ultegra-SL-Kurbelsatz verzichten, beide Radhersteller montieren stattdessen die knapp 900 Gramm schwere Gossamer-Kurbel von FSA – eine weitere Sparmaßnahme zugunsten der Carbonrahmen.
Die Produktmanager von Cube und Merida montieren an ihren Carbonrahmen die klassische Ultegra-Gruppe samt der gruppenlosen Kurbel. Zu Shimanos günstigster 10-fach-Gruppe 105 muss Specialized greifen, um das Rad mit dem Tarmac-Rahmen auf 1999 Euro kalkulieren zu können. Doch hier trifft der Rotstift nicht nur die Carbonrahmen: Auch Haibike und Simplon greifen bei ihren Alu-Rahmen zur 105-Gruppe.
Allerdings gibt es dafür bei beiden Herstellern die überdurchschnittlichen Ksyrium-Elite-Laufräder für 1700 beziehungsweise 1799 Euro.
Noch mehr 2009er-Renner im Test:
Auf der Waage liegen die Testräder fast auf dem Gewichtsniveau von Carbonrennern der deutlich teureren 2500-Euro-Klasse: Die schwersten Testräder wiegen nur 200 Gramm mehr als die Schlusslichter der teureren Preisklasse. Das für diese Preisklasse schier unglaubliche Leichtgewicht des Radon knapp über sieben Kilo verzerrt das Bild etwas – nur durch Versandhandel und knallharte Kalkulation wird so etwas möglich. Im Schnitt wiegen die Testräder rund acht Kilo, die Rahmen um 1300 Gramm – für unter 2000 Euro sind das sehr gute Werte und starke Kaufargumente.
Noch mehr 2009er-Renner im Test:
Die Rahmen-Gabel-Sets in diesem Test geben so gut wie keinen Anlass zur Kritik bei den Steifigkeitswerten. Bei den Tretlagermessungen erreichen alle Testkandidaten sehr gute bis herausragende Werte. Bei den Messungen der Lenkkopfsteifigkeiten bleibt nur Carver unter dem Wert, den RoadBIKE als für jedes Fahrergewicht ausreichend definiert hat.
In der Praxis ist diese Schwäche durch vergleichsweise unpräzise Richtungswechsel spürbar, aber nie gefährlich. Auch Specialized kratzt bei der Lenkkopfmessung an diesem Mindestwert, in der Praxis lassen sich aber noch keine Beeinträchtigungen spüren.
Warum sind die Rahmen dieser noch recht günstigen Preisklasse so steif? Die Hersteller setzen hier oft auf im Einkauf kostengünstige Rahmen – meist bewährte Modelle, die vor wenigen Jahren an weitaus teureren Modellen zum Einsatz kamen. Den Kunden freut das.
Wie bei den Rahmen-Gabel-Sets gibt auch die isolierte Messung der Seitensteifigkeit aller Gabeln der Testräder keinen Anlass zur Kritik – ganz im Gegenteil. Alle Gabeln erreichen gute, meist ganz hervorragende Ergebnisse. Auch hier profitiert der Kunde – wie bei den Rahmen – davon, dass die Hersteller in dieser Preisklasse auf bewährtes Material setzen. Das bedeutet für den Verbraucher bezahlbaren Fahrspaß.
Beim Komfort erreicht Specialized einen herausragenden Wert, auch Red Bull erzielt einen Messwert, der in der Praxis deutlich spürbare Dämpfung bedeutet. Die meisten anderen Testteilnehmer liegen hier im soliden Mittelfeld – in der Praxis bedeutet das keinen deutlich spürbaren Komfort, aber auch keine unangenehm harten Rahmen-Gabel-Sets. Nur Cube, Radon und Storck geben sich sehr unnachgiebig.
Bei den Laufrädern setzen viele Hersteller in dieser Preisklasse den Rotstift an – was recht schwere Laufräder bedeutet. Das geht auf Kosten der Fahrdynamik, in Sachen Haltbarkeit und Steifigkeit bedeutet dieses Mehrgewicht aber eher einen Vorteil. So liegen fast alle Räder bei den Messungen im soliden Mittelfeld, erreichen zwar keine Traumwerte, aber richtig krasse Ausreißer mit deutlich zu niedrigen Werten sucht man hier ebenfalls vergeblich. Gemessen am Preis ist das in Ordnung.
Noch mehr 2009er-Renner im Test: