Im RoadBIKE-Test: 7 Rennräder aus Titan und Stahl
Klassische Moderne: Titan- und Stahlrennräder im Test

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Alles, außer gewöhnlich: Wer ein Rennrad aus Titan oder Stahl kauft, gibt damit ein Statement ab. Für Individualität – und jede Menge Fahrspaß. RoadBIKE hat 7 aktuelle Modelle getestet.

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Foto: Christian Lampe

Die Schlacht ist geschlagen: Carbon und Alu haben endgültig gesiegt. Die allermeisten Rennräder werden mit Carbon- oder AluRahmen gekauft.

An der Grenze zwischen Preis-Leistung und Luxus lodern die Kämpfe um die Gunst der Kunden zwar immer wieder auf, doch im Grunde ist die Welt des Rahmenbaus klar aufgeteilt. Titan und Stahl? Diese Rennrad-Materialien sind etwas für Unvernünftige geworden.

Aber im Grunde ist auch das eine äußerst beruhigende Nachricht: Nie konnte man sich besseren Gewissens für eines der Schmuckstücke aus „edlem“ Metall entscheiden. Nun, da der Wettlauf um das geringste Gewicht entschieden ist, kann man sich endlich hingeben: Der bedingungslosen Liebe zum Material und der glühenden Verehrung der Handwerkskunst.

Der bewusste Ausstieg aus der Immer-leichter-Welt gibt einfach ein beruhigendes Gefühl. Etwas zu kaufen etwa, das, wie im Fall von Titan, auch in vielen Jahren aufgrund seiner zeitlosen wie unverwüstlichen Eleganz dieselbe Freude bereiten wird, wie am ersten Tag. Das kann keine schlechte Entscheidung sein.

Gedämpfte Freunde

Und Stahl? Hier ist es das, zu Recht, viel gerühmte, geschmeidige Fahrverhalten, das sich zwar nicht in Zahlen ausdrücken lässt, aber doch oft den Ausschlag gibt, sich eine Steel-Ikone zuzulegen.

Und selbst wenn die Entscheidung für Stahl nur die Huldigung an längst vergangene Radsport-Zeiten ist, in denen die Helden auf aus heutiger Sicht legendären Rahmen ihre Rennen austrugen. Welcher Carbon-Fahrer kann schließlich schon behaupten, dass die Rohre seines Renners eigene, klangvolle Namen haben und aus Traditionshäusern wie Columbus oder Reynolds kommen?

Zeit ist Geld

Keine Frage: Auch die Carbon-Fertigung verlangt hohes handwerkliches Geschick und ist äußerst mühevoll. Doch die Entstehung eines Stahl- oder Titan-Rahmens versprüht im wahrsten Sinne ein ganz anderes Feuer. Nicht umsonst werden fein geschuppte Schweißnähte an Titan-Rahmen in der Regel offen zur Schau getragen statt überlackiert. Gelten sie doch als Visitenkarten für die Kunstfertigkeit seiner Erbauer. Und die Hersteller tun gut daran, ihr Können selbstbewusst zu präsentieren, schließlich geht ein Großteil der oft empfindlich hohen Preise auf das Konto „Handarbeit“.

Zwar sind schon die Materialien selbst deutlich kostspieliger als etwa Aluminium, doch richtig teuer macht einen Edel-Rahmen erst die Vorbereitung und Verarbeitung der Rohre. Titan beispielsweise muss unter Ausschluss von Sauerstoff geschweißt werden, damit es nicht spröde wird. Eine aufwendige Prozedur, die in speziellen Kammern oder unter fließendem Schutzgas stattfindet. Preisgünstige Massenfertigung der schimmernden Schönheiten ist deshalb nicht möglich.

Im Umkehrschluss haben die kleinen Stückzahlen jedoch auch einen Vorteil: Wenn ein Arbeiter schon bis zu 15 Stunden reine Arbeitszeit in einen Rahmen investiert, dann kann er ihn auch gleich so bauen, wie es sich der Kunde wünscht. „Auf Maß“ lautet der Name eines Angebots, das jeden Individualisten in Verzückung versetzt und das von vielen Herstellern edler Titan und Stahl-Rahmen gemacht wird – manchmal sogar ohne Aufpreis.

Und wenn am Stammtisch doch mal die unromantische Diskussion um Messwerte aufkommt? Dann können sich viele Metaller mittlerweile ganz entspannt beteiligen, denn die Labortests aktueller Modelle zeigen, dass sich heute mit Titan und Stahl Rahmen bauen lassen, die den Messuhren der Prüftische Werte entlocken, die, vom Gewicht einmal abgesehen, keine Wünsche offen lassen. So sind Lenkkopfsteifigkeiten von über 70 Nm/°, die auch 80-Kilo-Fahrern in puncto Fahrstabilität genügen, längst keine Seltenheit mehr. Alle hier getesteten Titan- Neuheiten nehmen diese Hürde, und auch die Steifigkeiten im Tretlager sind über jeden Zweifel erhaben.

Das Risiko fährt mit

Doch da gerade im Fall von Titan und Stahl die Theorie noch grauer ist als die Materialien, um die es geht, bleibt, nur das persönliche Erlebnis, um erfahren zu können, was die Besonderheit der Werkstoffe ausmacht.

Aber Vorsicht: Auch wer sich für einen rationalen Menschen hält, sollte sich des Risikos bewusst sein, dass eine Probefahrt mit den hier vorgestellten Rädern zu finanziell unvernünftigen Entscheidungen führen kann. Falls hier Redebedarf bestehen sollte: Die RoadBIKE-Redaktion hilft gerne weiter. Denn als Betroffene wissen alle RoadBIKE-Tester nur zu gut, wie reizvoll Unvernunft letztlich sein kann.

Testfazit kompakt

Da sich die getesteten Räder aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausstattungen, Ansätze und Preisklassen nicht objektiv vergleichen lassen, wurden sie in Einzeltests ohne Note bewertet. Will man dennoch ein allgemeines Bild zeichnen, fällt auf, dass jedes Modell seinen ganz eigenen Charakter hat – und eine klare Linie verfolgt. Die vielen ausgezeichneten Testwerte untermauern den Eindruck, den die Kandidaten auf der Straße hinterließen. Und der war, von wenigen Ausnahmen abgesehen, hervorragend!

Die Rennräder in diesem Test

Die aktuelle Ausgabe
4 / 2024
 4 / 2024

Erscheinungsdatum 05.03.2024