Vielseitigkeit ist beim neuen Focus Paralane Trumpf. Das legt alleine schon ein Blick ins Testtagebuch nahe:
- September: bei bestem Wetter über mehrere Vogesenpässe
- Oktober: beim Jedermannrennen mitgeballert
- November: Cyclocrosstraining
- Dezember: dank Schutzblechen auch bei schlechtem Wetter mit dem Rad zur Arbeit
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- High-End-Gravelbikes im Test
- Stahlrenner im Test
- Performance-Renner im Test
- Endurance-Renner im Test
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Auch im ROADBIKE-Prüflabor schlägt sich das neue Focus Paralane gut, und trotzdem ist nicht alles Gold was glänzt. Doch der Reihe nach und etwas tiefer ins Detail.
Komfortabel auch ohne aktive Federung
2016 präsentierte Focus das Paralane als vielseitiges, komfortables Endurance-Rennrad, das schnell eine große Fangemeinde fand. Es lag nahe, das beliebte Modell nach einigen Jahren auf den aktuellen technischen Stand zu bringen, doch die Corona-Pandemie bremste eine frühere Überarbeitung aus, und markenintern lenkte der Gravelboom viel Aufmerksamkeit auf das Focus Atlas. Die Folge: Einige Jahre wurde es etwas stiller um das Paralane – doch nun meldet sich der Allrounder zurück.
Roadbike Unboxing Video Focus Paralane 8.8
"Das perfekte Rad für eine Mehrheit aller Rennradfahrerinnen und -fahrer", beschrieb Focus' Produktmanager Colin Pfister das Rad beim Pressetermin in den Vogesen. Dieses Versprechen soll durch verschiedene Maßnahmen eingehalten werden: Da wäre zum einen die neue Endurance-Geometrie, die im Vergleich zum ebenfalls neuen Racebike Izalco Max eine etwas aufrechtere und entspanntere Fahrerhaltung auf dem Rad erlaubt und folglich den unteren Rücken und die Arme entlastet.
Komfort kommt neben der Sitzposition vor allem über die sehr gut dämpfenden 32 Millimeter breiten Vittoria-Reifen, die werkseitig montiert sind. Auch der Carbonmix des Rahmensets, tief angesetzte Sitzstreben sowie die runde Carbonsattelstütze mit 27,2 Millimetern Durchmesser zahlen auf den Faktor Komfort ein. Auf aktive Federelemente, wie so mancher Radhersteller sie in seinen Endurance-Rennern verbaut, verzichtet Focus hingegen. Diese vermisst man aber auch nicht: In der Praxis bügelt das Paralane viele Straßenunebenheiten glatt, auch nach vielen Stunden im Sattel ist der Spaßfaktor hoch.
Dazu trägt auch die Übersetzung bei, die Focus sehr leicht wählt: Alle drei Ausstattungsvarianten kommen mit Kompaktkurbeln und großen Bergkassetten, das Paralane 8.8 mit Srams Rival AXS bietet im leichtesten Gang 33-36 gar eine Untersetzung – genug Puffer, um auch die steilsten und längsten Berge mit hoher Kadenz hinaufzukurbeln, was ganz nebenbei auch sportwissenschaftlich und medizinisch sinnvoller ist als dicke Gänge zu drücken. Gleichzeitig steht im jeweils schwersten Gang – 46-10 bei Sram, 50-11 bei Shimano – selbst bergab genug Entfaltung zur Verfügung.
"Nur" komfortabel?
Wer sich bei so viel Konzentration auf das Thema Komfort fragt, ob das Paralane auch ein sportliches Rennrad bleibt, sei beruhigt: Das Paralane ist nicht "nur" komfortabel, sondern durchaus auch sportlich-schnell. Ein Faktor dabei ist die Aerodynamik: Die Rohrquerschnitte orientieren sich an den aerodynamisch-optimierten, abgestumpften NACA-Profilen, die auch das Racebike Izalco Max prägen. Größter Unterschied: Während beim Izalco Max eine spezielle, D-förmige Sattelstütze auch noch das letzte Watt sparen soll, setzt das Paralane auf eine "normale", runde 27,2-mm-Stütze. Windschlüpfig dürfte aber auch das leicht taillierte Steuerrohr des Paralane sein, zudem verschwinden die Bremsleitungen direkt durch den neuen C.I.S.-Technology-Vorbau im Rahmeninneren, was neben aerodynamischen Vorteilen auch eine aufgeräumte Optik mit sich bringt.
Apropos Optik: Das Paralane orientiert sich auch optisch stark am Racebike Izalco Max und greift nicht nur dessen gepflegtes Understatement ohne große Schriftzüge auf, sondern setzt auch auf nahezu identische Farben und Designs. Muss ein Endurance-Bike langsam aussehen, fragt Focus? Das Paralane tut es jedenfalls nicht.
Handling und Zielgruppe
Das Handling ist ausgewogen-sportlich – und in sich stimmig: Bergab und bei hohem Tempo vermittelt das Paralane viel Sicherheit, legt sich willig in die Kurve und lenkt präzise, wohin es soll. Damit sind auch kurvenreiche Passagen und/oder gelegentliche Starts bei Jedermann-/-fraurennen kein Problem. Positiv: Kleinere Fahrfehler korrigiert das Paralane mit stoischer Ruhe. Kurzum: Für viele Rennradfahrerinnen und -fahrer dürfte das Paralane eine anschlussfähige, goldene Mitte aus Agilität und Laufruhe treffen.
Wer sich hingegen etwas mehr Temperament wünscht oder gar regelmäßig bei Kriteriumsrennen startet, gehört nicht zur primären Zielgruppe des Paralane und wird vermutlich mit einem anderen Rennrad glücklicher.
Vielseitigkeit ist Trumpf
Eine besondere Stärke des Paralane ist, wie eingangs angedeutet, seine große Vielseitigkeit. Türöffner dafür ist die Reifenfreiheit von 35 Millimetern, welche das Einsatzspektrum des Rades mit einigen wenigen Handgriffen maßgeblich erweitert. Obwohl schon die werkseitig montierten 32 Millimeter Vittoria Zaffiro-Reifen keine Berührungsängste mit nicht-aspahltierten Waldautobahnen zeigten und auf zahlreichen Arbeitswegen verlässlich und defektfrei auch abseits asphaltierter Straßen ihren Dienst verrichteten, mutiert das Paralane mit 35-Millimter-Schlappen endgültig zum sportlich-orientierten Gravelflitzer – zumindest für alle, die offroad nicht gerade auf Stein- und Wurzeltrails abbiegen möchten, wofür 35 Millimeter dann doch etwas schwach auf der Brust wären.
Auch stark profilierte Cyclocrossreifen passten problemlos durch Rahmen und Gabel. Der lange Radstand sorgte auch auf Wiesen, in Sandbunkern und bei tiefem Matsch für tolle Radkontrolle, einem Start bei einem Hobbycrossrennen steht mit dem Paralane nichts im Weg.
Wer auf lange Tour geht, freut sich zudem über das Oberrohrtäschchen, das werkseitig mit dem Paralane mitgeliefert wird. Ob Verpflegung für unterwegs oder Windweste, Ersatzschlauch und Tool oder Schlüssel, Ausweis und Bargeld – was man auch transportieren möchte, die Lösung ist optisch ansprechend, die Montage mit zwei Schrauben am Oberrohr ebenso einfach wie stabil und verlässlich. Einziger Wermutstropfen: Im Wiegetritt können die Knie das Täschchen streifen.
Zur großen Vielseitigkeit des Paralane trägt darüber hinaus ein optional erhältliches Schutzblechset bei. Dieses wird an Montagepunkten an Gabelkrone, Sitzstreben und Tretlager befestigt, sowie mithilfe von speziellen Steckachsen, in denen die Schutzblechstreben festgeschraubt werden. In der Praxis schützt die Konstruktion nach ROADBIKE-Erfahrung effektiv vor Spritzwasser. Hintern und Füße bleiben beeindruckend trocken, was auch damit zusammenhängt, das Focus die Schutzbleche sowohl vorne als auch hinten sehr weit herunterzieht (was übrigens auch die am Hinterrad Fahrenden erfreut).
Spätestens die für 59,95 Euro beim Fachhändler erhältlichen Schutzbleche machen das Focus Paralane potenziell zu einem Ganzjahresfahrrad, zum Beispiel für den täglichen Weg zur Arbeit.
Im ROADBIKE-Prüflabor
Auch in der ROADBIKE-Werkstatt löste das neue Focus Paralane mehrheitlich anerkennendes Nicken aus. Das klassisch geschraubte BSA-Tretlager ist erfreulich alltagstauglich, da einfacher und schneller als bei einem Press-Fit-Lager nachgefettet werden kann, sollte es mal zu knacken anfangen. Der Vorbau kann demontiert werden – etwa für einen Radtransport oder zur Anpassung der Sitzposition -, ohne dass die integrierten Bremsleitungen geöffnet werden müssen. Und optisch ansprechend in den Vorbau integriert ist eine Halterung für den Radcomputer, der mit Modellen mit Wahoo- oder Garminstandard kompatibel ist.
Im ROADBIKE-Testlabor liefert das Focus Paralane 8.8 mit 247 N/mm am Heck einen soliden, wenngleich nicht herausragenden Komfortwert ab. In Kombination mit den 32 Millimeter breiten Vittoria-Reifen ist der subjektiv empfundene Dämpfungskomfort wie zuvor bereits beschrieben aber angenehm hoch.
Messwerte Focus Paralane 8.8 in Rahmengröße XL:
- Gewicht Komplettrad ohne Pedale: 9,5 kg
- Gewicht Vorderrad inkl. Reifen und Schlauch: 1591 g
- Gewicht Hinterrad inkl. Reifen, Schlauch und Kassette: 2073 g
- Gewicht Laufradset fahrfertig: 3664 g
- Komfort am Heck: 247 N/mm
Im Wortsinne schwer wiegt das Gewicht: Satte 9,5 Kilogramm bringt das Paralane 8.8 mit elektronischer Sram Rival AXS-Gruppe auf die Waage – zwar in der größten Rahmengröße XL, aber selbst für Größe M meldet Focus für dieses Modell 9,3 kg. Fahrfertig mit Pedalen und Flaschenhaltern, womöglich noch Radcomputer, Satteltasche und Schutzblechset sprengt das Paralane die 10-Kilo-Marke.
Vor allem die DT Swiss Aluminium-Laufräder schlagen mit – fahrfertig – fast 3,7 Kilogramm ordentlich zu Buche. Zum Vergleich: Die DT Swiss Aero-Laufräder des Izalco Max 9.9 wiegen selbst mit großer Maulweite und 45-mm-Aerofelgen ein knappes Kilogramm weniger, und auch bei den Reifen besteht selbst in identischer Reifenbreite noch deutliches Abspeckpotenzial. Leichtere Laufräder und Reifen, die im Testverlauf zum Vergleich kurzzeitig montiert wurden, drückten zwar das Gesamtgewicht und zahlten sofort positiv auf das Fahrerlebnis ein, würden aber natürlich auch Mehrkosten bedeuten.
Fazit
Das neue Focus Paralane ist ein sehr stimmig konzipiertes und ausgestattetes Endurance-Rennrad. In der Praxis gefällt vor allem seine Vielseitigkeit: Von klassischen, gerne episch langen Einsätzen auf der Straße über Ausflüge auf nicht-asphaltierten Strecken bis hin zum täglichen Weg zur Arbeit mit optional erhältlichem Schutzblechset – das Paralane macht überall eine gute Figur.
Klar ist aber auch: Ein Rennrad, das sich auf ein bestimmtes Einsatzgebiet spezialisiert, ist dort einem Allrounder wie dem Paralane vermutlich überlegen. So gilt es vor einem möglichen Kauf abzuwägen, für welche Einsatzzwecke man ein Rad sucht.
Wer kein Extrem sucht, sondern einen auf vielen Terrains überzeugenden Alleskönner mit Schwerpunkt Straße, sollte sich das Paralane einmal genauer anschauen. Größter Kritikpunkt ist das hohe Gesamtgewicht, auf Dauer sind leichtere Laufräder und Reifen eine sinnvolle Investition.
Das eingangs zitierte Focus-Statement, beim Paralane handle es sich um das perfekte Rennrad für eine Vielzahl von Fahrerinnen und Fahrern, ist zwar marketing-typisch etwas dick aufgetragen, aber nicht per se übertrieben: Das neue Focus Paralane bietet das Potenzial, sehr viele verschiedene Rennradtypen glücklich zu machen. Wie viele sich tatsächlich dafür entscheiden, wird die Zukunft zeigen.
Ausstattungsvarianten und Verfügbarkeit
Focus bietet das neue Paralane in drei Ausstattungsvarianten, fünf Rahmengrößen und vier Farben an. Das zugelassene Systemgewicht beträgt 120 Kilogramm für Fahrer/in, Rad und Ausrüstung. Das neue Paralane ist ab sofort bei Focushändlern verfügbar, neben sechs Jahren Garantie bei Registrierung wird auch ein Crash-Replacement-Programm angeboten.
Focus Paralane 8.9 | Focus Paralane 8.8 | Focus Paralane 8.7 | |
Rahmen | Carbonrahmen mit NACA-Rohrquerschnitten (1050 G, Herstellerangabe Gr. M) | Carbonrahmen mit NACA-Rohrquerschnitten (1050 G, Herstellerangabe Gr. M) | Carbonrahmen mit NACA-Rohrquerschnitten (1050 G, Herstellerangabe Gr. M) |
Antriebsgruppe | Shimano Ultegra Di2, Kurbel 50/34, Kassette 11-34 | Sram Rival AXS, Kurbel 46/33, Kassette 10-36 | Shimano 105-Mix mechanisch, Kurbel 50/34, Kassette 11-36 |
Laufräder | DT Swiss ER 1600 Spline | DT Swiss E 1800 Spline | Alexrims Boondocks 5 |
Reifen | Vittoria Rubino TR, 700 X 32C | Vittoria Zaffiro, 700X32C | Vittoria Zaffiro, 700X32C |
Lenker/Vorbau | Easton EC70 Carbonlenker, Focus C.I.S. Technology Vorbau | BBB Alu-Lenker, Focus C.I.S. Technology Vorbau | BBB Alu-Lenker, Focus C.I.S. Technology Vorbau |
Max. Systemgewicht | 120 kg | 120 kg | 120 kg |
Rahmengrößen | XS, S, M, L, XL | XS, S, M, L, XL | XS, S, M, L, XL |
Gewicht | 8,6 kg (Herstellerangabe Gr. M) | 9,3 kg (Herstellerangabe Gr. M) | 9,45 kg (Herstellerangabe Gr. M) |
Preis | 5299 Euro | 4299 Euro | 2999 Euro |