Test: 8 Aero-Rennräder der Saison 2020
Aero-Renner im Windkanal und im Praxistest

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Speed-Junkies und Wettkämpfer fahren voll darauf ab: kompromisslos auf Geschwindigkeit getrimmte Aero-Renner. Welcher aktuell der schnellste ist, zeigt der RB-Test in Windkanal, Prüflabor und Praxis.

Aero-Renner-Test 2020
Foto: Björn Hänssler

Diese Aero-Rennräder haben wir getestet

Klar, es gibt viele Motive, Rennrad zu fahren: sportliche Betätigung, Naturerlebnis, Freiheit ... Ganz oben steht aber für viele Rennradfahrer: die Geschwindigkeit! Kaum eine muskelbetriebene Maschine lässt sich schneller bewegen. Und der Geschwindigkeitsrausch macht einfach Spaß, egal ob bei der Sonntagsausfahrt oder im Wettkampf.

Aero-Rennräder: Tests, Infos und Neuheiten

Größter Gegner für Speed-Junkies ist der Luftwiderstand. Radprofis setzen deswegen schon länger auf Aero-Rennräder. Viele Amateur-Rennfahrer tun es ihnen gleich, Triathleten schätzen die größere Alltagstauglichkeit gegenüber Zeitfahrmaschinen und auch immer mehr speedverliebte Hobbysportler sind auf Aero-Boliden unterwegs. Grund genug für ROADBIKE, aktuelle Modelle zu testen: im Windkanal, im Prüflabor und auf der Straße.

Aero-Renner-Test 2020
Björn Hänssler
Testfahrten mit hohem Spaßfaktor: Die Aero- Renner verleiteten zum Tempobolzen.

Was macht ein Rennrad zum Aero-Renner? Jean-Paul Ballard, Aeronautical Engineer und Gründer des Aerodynamik-Dienstleisters Swiss Side, erklärt: "Rahmen- und Gabelrohre sind so designt und dimensioniert, dass sie weniger Luftwiderstand produzieren, Luftverwirbelungen vermeiden und Luftströme im Idealfall sogar nutzen. Züge, Kabel und/oder Leitungen sind oft integriert, das räumt nicht nur die Optik auf, sondern spart bis zu drei Watt. Auch die Ausstattung ist wichtig: Ein abgeflachter Aero-Lenker verkleinert die Stirnfläche, hohe Felgen reduzieren vor allem bei Seitenwind den Luftwiderstand."

Aber sind Windkanalmesswerte von Aero- Rennern überhaupt vergleichbar, wenn jede Geometrie den Fahrer in eine andere Haltung zwingt? "Der Fahrer macht tatsächlich 75 Prozent des Luftwiderstands aus", räumt Ballard ein, "aber wenn man die Räder ohne Fahrer misst, wie in diesem Test, erhält man ein Ranking für die Ingenieursleistung der Rahmen-Set-Konstruktion. Und dieses könnte erstens auch in anderer Geometrie hergestellt werden und zweitens lässt sich eine identische Fahrerhaltung oft durch Anpassung von Lenkerbreite, Vorbau und Sitzhöhe einstellen. Davon abgesehen: Bei Tests und Produktentwicklungen ermitteln wir seit Jahren zu 80 Prozent dieselben Delta-Werte – egal ob mit oder ohne Fahrer."

Aero-Renner-Test 2020
Björn Hänssler
Need for Speed: Aero-Renner spornen ihre Fahrer an, alles zu geben. Immer.

ROADBIKE entschied, die Aero-Renner von BMC, Cannondale, Canyon, Cube, Merida, Scott, Specialized und Trek nicht mit Referenzlaufradsatz, sondern jeweils in Originalausstattung zu testen. Das bewertet die Herstellerleistung bei der Entwicklung des Rahmensets, aber auch das fertige Gesamtkonzept – also letztlich das, was Käufer real erwerben. Alle Renner wurden realitätsnah mit Flaschenhaltern und Flaschen getestet, jedoch ohne Satteltäschchen und Radcomputer – hier gibt es schlicht zu viele mögliche Lösungen. Häufiges Argument gegen Aero-Renner ist ihr oft hoher Preis.

ROADBIKE orderte deshalb einheitlich das Aero-Modell mit Shimano-Ultegra-Di2-Disc-Ausstattung: Geometrie und Rohrquerschnitte entsprechen dem Topmodell, Ausstattung und Carbon-Qualität sind hingegen etwas einfacher – das ermöglicht massenkompatiblere Preise. Genug der Theorie: Was leisten die Räder? Im Windkanal sind die Unterschiede erstaunlich: 22 Watt spart das schnellste Rad im Test – Cannondales SystemSix – gegenüber dem langsamsten – Meridas Reacto. "Das ist wirklich viel", betont Aero-Experte Ballard von Swiss Side, "auf einer 100-Kilometer-Runde mit 1500 Höhenmetern wäre ein durchschnittlich trainierter Hobbysportler bei gleicher körperlicher Anstrengung knapp drei Minuten schneller – nur weil er auf einem anderen Rad sitzt!" Gegenüber "normalen" Rennrädern sind die Ersparnisse noch größer.

Cube Litening C:68X Pro
Björn Hänssler
SPARPOTENZIAL: RB führte alle Messungen mit identischen Flaschenhaltern und Flaschen durch.
Cube Litening C:68X Pro
Björn Hänssler
Das Einsparpotenzial zeigten zwei Vergleichsmessungen mit dem Rad von Cube: Mit Aero-Flaschen von Elite war es vier Watt „schneller“ – und würde sich so auf Platz vier des Aero-Rankings katapultieren.

Die Praxistests hingegen zeigen: Die oft aggressive Geometrie mit tiefer, sportlich-gestreckter Fahrerhaltung ist ebenso Geschmackssache wie das häufig eher träge, auf Laufruhe bei hoher Geschwindigkeit ausgelegte Handling und der eingeschränkte Komfort der Aero-Boliden.

FAZIT: Wer nach Geschwindigkeit giert, hat mit einem Aero-Rennrad einen deutlichen, erfahrbaren Vorteil. Aus dem Testfeld stechen Cannondale, Canyon und Specialized heraus. Über die oft kompromisslose Ausrichtung von Aero-Rennern sollte man sich jedoch vor einem Kauf im Klaren sein.

Preis/Leistung

Das Preis-Leistungs- Ranking zeigt, wie die im ROADBIKE-Test erreichten Punkte zum Kaufpreis des Rades im Verhältnis stehen. Getestet wurde einheitlich das jeweilige Aero-Modell mit Shimano-Ultegra-Di2-Disc- Ausstattung.

  • Canyon (94 Punkte): 4.699 €
  • Cube (74 Punkte): 3.999 €
  • Trek 86 Punkte): 6.999 €
  • Cannondale (89 Punkte): 6.299 €
  • Merida (65 Punkte): 4.699 €
  • Scott (68 Punkte): 6.499 €
  • Specialized (90 Punkte): 7.299 €
  • BMC (81 Punkte): 6.999 €

Aero-Performance der Testräder

Aero-Renner-Test 2020
Björn Hänssler

Acht Aero-Renner hat ROADBIKE im Windkanal getestet. Hier finden Sie ihre Luftwiderstände bei 45 km/h bei Luftanströmungen von plus bis minus 20 Grad – und zum Vergleich die Kurve eines "normalen" Rennrads.

Deutlich sichtbar: Cannondales SystemSix setzt sich von der Konkurrenz ab, das Reacto von Merida und Scotts Foil bilden die Schlusslichter. Cubes Litening bietet sehr gute Werte bei frontaler Luftanströmung, "segelt" aber aufgrund der untypisch niedrigen Felgen schlechter als die Konkurrenz. Alle Aero-Renner sind deutlich schneller als ein handelsübliches "normales" Rennrad.

Alle Ergebnisse im Überblick

ROADBIKE testet mit großem Aufwand, um Herstellerangaben zu überprüfen und Produkte vergleichbar zu machen. Ziel ist es, den ROADBIKE-Lesern Unterstützung bei konkreten Kaufentscheidungen anzubieten, aber auch losgelöst davon die Faszination Rennradtechnik mit profunden Tests und Artikeln zu vermitteln. Die folgenden Tabellen zeigen die wichtigsten Ergebnisse des aktuellen Tests von Aero-Rennrädern.

Aero-Rennräder Test
ROADBIKE
Die Aerodynamikwerte und das Gewicht im Vergleich.

Im Gewichts-Ranking der Kompletträder setzen sich Specialized, Cube und Canyon von der Konkurrenz ab, Schlusslicht Trek packt fast ein Kilogramm mehr auf die Waage. Im Vergleich zu einem "normalen" Rennrad (als Referenz wurde ein Stevens Xenon gewählt) hinken alle Aero-Renner hinterher.

Das Aero-Ranking basiert auf einer Messgenauigkeit von 0,2 Watt. Cannondales SystemSix setzt sich deutlich von der Konkurrenz ab, Scotts Foil und Meridas Reacto bieten auffällig mehr Luftwiderstand. Die Referenz (Steven Xenon) zeigt: Aero-Renner sind gegenüber "normalen" Rennrädern klar im Vorteil.

So testet ROADBIKE

Aero-Renner-Test 2020
Björn Hänssler
Der Labortest macht 50 Prozent der Gesamtnote aus.

Grundsätzlich: Die Bewertungen in ROADBIKE-Tests beziehen sich immer auf das jeweilige Testfeld. Das heißt: Bei jedem Testkriterium definieren das jeweils beste und das jeweils schlechteste Rad im Test die höchste und die niedrigste Note. Hat ROADBIKE für ein Testkriterium einen "grünen Bereich" definiert, bekommt das schlechteste Rad des Testfeldes trotzdem eine Mindestpunktzahl. Dieses Testverfahren bedeutet: Die Note "sehr gut" aus einem 5000-Euro-Testfeld ist nicht vergleichbar mit einem "sehr gut" aus einem 1500-Euro-Testfeld. Bei einem anderen Testverfahren könnte ein günstiges Rad, allein schon wegen Ausstattung und Gewicht, nie eine gute Note erreichen. Hinweis: Bei Einzeltests werden die Räder ihrer jeweiligen Rennradkategorie und Preisklasse zugeordnet und entsprechend bewertet.

Labortest: Der Labortest macht 50 Prozent der Gesamtnote aus und setzt sich zusammen aus:

Aerodynamik (20 %): ROADBIKE testet in Kooperation mit den Experten des Aerodynamik-Dienstleisters Swiss Side im GST-Windkanal am Bodensee. Alle Rennräder wurden in ihrer Originalausstattung, ohne Pedale, Fahrer oder Dummy, mit identischen Flaschenhaltern und Flaschen, identischer Sattelhöhe (78 cm), im selben Gang (großes Kettenblatt, sechstes Ritzel) und horizontal fixierter Kurbel armausrichtung gemessen. Die Messgeschwindigkeit betrug 45 km/h, die Messgenauigkeit 0,2 Watt. Gemessen wird immer in einem Winkel von + bis -20 Grad Luftanströmung. Für die Auswertung werden korrigierte Mittelwerte verwendet, welche Schwankungen von Messgeschwindigkeit und Luftdichte auffangen und bei jedem Anströmwinkel auch den frontalen Fahrtwind berücksichtigen. Eine Formel gewichtet, wie oft welche Anströmwinkel in der Realität auftreten.

Gewicht (10 %): ROADBIKE ermittelt das Gesamtgewicht des Rades ohne Pedale.Laufradgewicht (10 %): ROADBIKE ermittelt das Set-Gewicht von Vorder- und Hinterrad inklusive montierter Reifen, Schläuche und Kassette.

Komfort (5 %): Das Rahmen-Gabel-Set wird an der serienmäßig montierten Sattelstütze sowie am Vorbau in vertikaler Richtung mit 80 Kilogramm belastet und die Nachgiebigkeit gemessen.

Ausstattung (5 %): Alle Anbauteile werden aufgelistet und nach einem definierten Schlüssel bewertet. Die Summe der Ausstattungspunkte aller Räder im Test wird in Relation zueinander gesetzt und bewertet.

Praxis: Der Praxistest macht 50 Prozent der Gesamtnote aus. Mehrere Testfahrer fahren die Räder unmittelbar nacheinander im direkten Vergleich auf einer definierten Teststrecke und bewerten Vortrieb, Handling und Praxiseindruck bergauf und bergab. Darüber hinaus werden die Räder bei längeren Touren eingesetzt.

Hier geht es zu den Testberichten

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Erscheinungsdatum 05.03.2024