Test: Carbon-Rennräder unter 2.000 Euro
16 Carbon-Rennräder bis 2.000 Euro

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Wer holt sich den Sieg in der Kampfpreisklasse? 16 Carbonräder bis 2000 Euro traten an. RoadBIKE zeigt, wer am Ende die Nase vorn hat.

RB 0508 16 Carbonrrennraeder unter 2000 Euro - Titel
Foto: Björn Hänssler

„Hast du auch wirklich richtig geguckt?“ So lautete die meist gestellte Frage bei der Auswahl der Kandidaten für den Test „Carbonräder bis 2000 Euro“. Misstrauen machte sich unter den Kollegen breit, die immer und immer wieder die Preislisten der Hersteller überprüften. Und nachdem die Räder ausgepackt im Testkeller standen, war es bei zahlreichen Kandidaten erst recht schwer zu glauben, dass sie sich im richtigen Testfeld befinden.

Noch in der vergangenen Saison hätten gleich mehrere der Modelle aufgrund ihres zu hohen Preises nicht an diesem Vergleich teilnehmen dürfen, und noch vor wenigen Jahren hätte es diesen Test gar nicht gegeben. Wer sich als Kunde für den neuen Renner eine Schmerzgrenze von 2000 Euro gesetzt hatte, brauchte sich mit dem Rahmenmaterial nicht groß zu beschäftigen – Carbon sprengte früher das Budget in den allermeisten Fällen.

RoadBIKE wollte es genau wissen und hat 16 aktuelle Carbon-Modelle auf den Test-Parcout geschickt.

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Parts: Die Ausstattung

Der Carbon-Boom hat die Preisspirale heftig ins Rotieren gebracht – die Hersteller im Test verlangen Preise zwischen 1799 und 2000 Euro. Um in dieser Preisklasse mitspielen zu können, haben die Firmen beim Aufbau ihrer Modelle unterschiedliche Wege eingeschlagen. Die Basis bilden naturgemäß die Rahmen, die aber in vielen Fällen nur das Material gemeinsam haben.

Im Labor offenbarten sich zahlreiche Überraschun­gen – im positiven wie im negativen Sinne. Schon auf der Waage wurden Unterschiede deutlich: Satte 442 Gramm liegen zwischen dem leichtesten Rahmen im Test, dem Scott CR1 mit 987 Gramm, und dem Cannondale Synapse mit 1429 Gramm. Damit erreicht das Cannondale einen Wert, der sogar im Testfeld der Aluminiumräder bis 1500 Euro nur im Mittelfeld liegen würde. Die leichtesten Rahmen in diesem Test erzielen Werte um die 1000 Gramm, das Gros liegt zwischen 1100 und 1220. Da jedoch keinem Fahrer mit einem leichten Rahmen gedient ist, der sich im Einsatz zu stark verwindet, unterzieht RoadBIKE alle Kandidaten den zwei entscheidenden Steifigkeitsmessungen – im Tretlager und im Lenkkopf.

Für beide Messungen gilt die Zahl 80 (N/mm) als Mindestwert, den ein Rahmen erreichen sollte. Während beim Lenkkopf bis auf das Trek Madone 4.5 alle Rahmen diesen Wert überschreiten, entlarvte die Tretlagermessung die Hälfte der Getesteten als zu weich. Leichtgewichte stören sich nicht an diesem Ergebnis. Sportliche Fahrer und Schwergewichte bringen jedoch so viel Druck aufs Pedal, dass sich Rahmen, die den grünen Bereich deutlich unterschreiten, beim Antritt spürbar verwinden. Dadurch verpufft ein Teil der Kraft ungenutzt und kann nicht in Vortrieb umgesetzt werden. Dies ärgert vor allem sprintfreudige Athleten. Ihrer Fahrweise entsprechen Räder wie die Modelle von Cube, Focus oder Red Bull, deren Tretlagersteifigkeiten gute Werte erreichen.

Entscheidende Teile

Entscheidend für die Performance eines Rades sind neben dem Rahmen die Anbauteile und Laufräder. Sie tragen nicht nur ihren Teil zum Fahrverhalten bei, sondern sind zum größten Teil für das Gesamtgewicht verantwortlich. Aus diesem Grund lohnt es sich besonders in den „Kampfpreisklassen“, die verbauten Komponenten genauer unter die Lupe zu nehmen. Hier versucht mancher Hersteller zu sparen. Im positiven Sinne, wenn es ums Gewicht geht, ärgerlich für den Kunden, wenn die Qualität darunter leidet. So zeigt sich das Testfeld als bunter Strauß unterschiedlichster Varianten.

Die größten Abweichungen gibt es bei den Schaltgruppen: Von hochwertigen Komplettgruppen bis zu unterdurchschnittlichen Mischungen ist alles vertreten. Die komplette Ultegra SL – Rang zwei in der Shimano-Ordnung – glänzt am Red Bull, Cube tauscht lediglich die Kurbel gegen das bewährte SLK-Kompaktmodell von FSA, und Stevens montiert ausschließlich Teile der „normalen“ Ultegra. Gruppenreinheit gibt es auch bei KTM, Look und Scott, allerdings haben ­diese Hersteller ins günstigere Regal gegriffen: KTM und Scott werden mit der Shimano 105 angetrieben, beim Look kommt die Campagnolo Veloce zum Einsatz. Beides solide Gruppen, die jedoch im Vergleich mit der Ultegra-Konkurrenz vor allem in Sachen Materialgüte, aber auch beim Gewicht, das Nachsehen haben. Aufgepasst heißt es beim Gruppenmix der übrigen Hersteller, denn hier tauchen an einigen Rädern Teile auf, die den Preis senken sollen und qualitativ nicht mit den hochwertigen Ultegra-Parts mithalten können. Zum Beispiel die FSA-Gossamer-Kurbeln am Focus, Merida und Specialized, oder billigste No-Name-Bremsen – ebenfalls am Specialized und bei Trek. Lenker, Vorbauten und Sattelstützen stammen überwiegend aus dem Eigenmarken-Sortiment der Hersteller, was aber keinen Nachteil in der Funktion bedeuten muss. Meist handelt es sich um solide Aluminiummodelle, die während der Testfahrten absolut unauffällig ihren Dienst verrichteten. Gute Beispiele geben erneut Cube und Red Bull, die mit hochwertigen FSA-, Syntace- und Race-Face-Komponenten Punkte sammeln.

Steifigkeit: Die Labormessungen

Dabei spielt zum einen die Steifigkeit eine Rolle und zum anderen das Gewicht der bereiften Räder mit Kassette. Je steifer die Laufräder, desto besser ist die Kraftübertragung und – noch wichtiger – die Präzision bei Lenkmanövern. Die Ergebnisse der Laufradmessungen zeigen, dass hier die meisten Hersteller im grünen Bereich liegen, der die optimale Steifigkeit anzeigt. Lediglich die Vorderräder im Lapierre und im Specialized verfehlen den Schwellenwert von 70 (Nm/°). Dafür offenbaren die Messungen erneut, welch riesige Serienstreuung der Kunde in den unteren Preisklassen hinnehmen muss. Etwa beim insgesamt fünfmal vertretenen Aksium Race von Mavic. Während das Aksium-Vorderrad im Centurion mit 85 Nm/° den zweitbesten Wert aller Vorderräder erreicht, ist das gleiche Modell im Lapierre mit 65 Nm/° das Schlusslicht dieser Wertung.

Mit anderen Worten: Ob im neuen Renner ein gutes oder schlechtes Laufrad steckt, ist reine Glückssache. Und auch gewichtsmäßig ergeben sich bedeutende Unterschiede, was zum großen Teil auch von der Reifenwahl der Hersteller abhängt. So liegen zwischen dem leichtesten Laufradsatz, dem Easton Circuit im Red Bull (2515 Gramm), und dem schwerstem Satz im Look (3203 Gramm) fast 700 Gramm. Da mehrere der getesteten Hersteller Baukastensysteme anbieten, ist es im Einzelfall eine Überlegung wert, den serienmäßigen Laufradsatz gegen einen hochwertigeren zu tauschen, auch wenn dadurch der Gesamtpreis des Rades steigt. Das investierte Geld ist in jedem Fall gut investiert.

Die Gewichte im Detail

Neben dem Gewicht des Komplettrades wird ebenfalls ermittelt, was die Gabel und der Laufradsatz inklusive Bereifung, Kassette und Schnellspannern auf die Waage bringt. So zeigt sich deutlich, wo einige Renner Übergewicht haben. Das leichteste Rad im Test stellt Red Bull. Das Carbon SL-3000 trennen 1420 Gramm vom Schlusslicht Cannondale mit 8910 Gramm. Die Amerikaner haben auch den schwersten Rahmen ins Rennen geschickt – der leichteste kommt von Scott, der sogar die 1-Kilo-Marke knackt. Look verbaut die leichteste Gabel (334 g), Red Bull die leichtesten Laufräder.

RB 0508 16 Carbonrrennraeder unter 2000 Euro - Geichte im Vergleich
Björn Hänssler
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Tretlager, Lenkkopf, Komfort – die Steifigkeiten im Detail

Die Rahmen der Räder werden nach dem Wiegen drei Tests unterzogen: Gemessen werden die Steifigkeiten von Tretlager und Lenkkopf, die für Vortrieb und Lenkpräzision verantwortlich sind, sowie die vertikale Federung inklusive Sattelstütze, die über das Komfortpotenzial der Räder Auskunft gibt. Beim Tretlager gilt der Wert von 80 N/mm als Beginn des grünen Bereichs, in dem sich der Messwert eines ideal steifen Rahmens bewegen sollte. Steifigkeitswerte von über 120 ergeben keine spürbaren Vorteile, sind aber unangenehm hart. Die Messungen ergaben, dass genau die Hälfte des Testfelds diesen Bereich unterschreitet – angesichts der Möglichkeiten, die das Rahmenmaterial Carbon bietet, eine viel zu hohe Zahl. Die besten Werte erreichen Cube, Look und Red Bull. Sie zeigen, dass auch in dieser Preisklasse steife Rahmen zum Gesamtpaket gehören können.

RB 0508 16 Carbonrrennraeder unter 2000 Euro - Tretlagersteifigkeit
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Besser sieht es bei den Lenkköpfen aus: Hier gibt es mit Trek nur einen Anbieter, der die RoadBIKE-Vorgabe nicht erfüllt. Da bei dieser Messung gilt, je steifer, desto besser, haben die Rahmen von Cube, Look, Red Bull und Scott ein Lob verdient – sie setzen sich zum Teil deutlich von der Konkurrenz ab. Die Komfort-Messung entscheidet Trek für sich, gefolgt von Stevens, Fuji und Felt. Den mess- und spürbar härtesten Rahmen hat das Focus Cayo Expert.

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Die Komfortbewertung

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Björn Hänssler

Laufräder – die Steifigkeiten im Detail

Bis auf das Mavic Aksium Race im Lapierre und den Laufradsatz im Specialized sind alle Kandidaten ausreichend steif. Ärgerlich ist die hohe Serienstreuung, die in den unteren Preisklassen immer wieder auftritt. Diese reicht so weit, dass zwischen gleichen Modellen fast
20 Nm/° liegen. Dadurch wird es nahezu unmöglich, generelle Aussagen über die Qualität der verschiedenen Modelle zu treffen.

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Björn Hänssler

Ab auf die Straße: Der Fahreindruck

­Diese umfasst alle Anforderungen, die an ein Rennrad gestellt werden können, wie enge Kurven, lange Flachstücke, Kletterpartien, rasante Abfahrten und Kopfsteinpflaster. Mindestens drei Tester bewerten ohne Kenntnis der Messwerte jedes Rad – ihr Urteil macht schließlich 50 Prozent der Endnote aus. Nur durch diese geballten Fahreindrücke lässt sich beurteilen, ob die Sitzposition tatsächlich zum Charakter eines Rades passt, ob eine Rahmengeo­metrie stimmig ist und für welchen Fahrertyp sich ein bestimmtes Radmodell eignet. So zeig­ten sich im Praxistest deutlich die unterschiedlichen Charaktere der Kandidaten: Die Bandbreite reicht vom komfortorientierten Tourenrad bis zum sportlichen Allrounder, der praktisch in jeder Rennradlebenslage die richtige Wahl ist. Insgesamt sorgten alle Rennräder für reichlich Fahrspaß, nur auf der steilsten Abfahrt der Strecke – mit 15 Prozent Gefälle – wurden die Gesichtsausdrücke der Testfahrer im einen oder anderen Fall etwas angestrengter. Die Testkandidaten von Felt, Fuji, Lapierre, Merida und Trek reagierten auf Richtungsänderungen bei hohen Geschwindigkeiten nervöser, als man es von einem modernen Rennrad aus dem Hightech-Material Carbon erwarten darf.

3 x Top 3 = Die RoadBIKE-Rankings

Rahmen-Gabel-Set

Die Summe aller Steifigkeitsmessungen, der Komfortmessung und des Gewichts zeigt die besten Rahmen-Gabel-Sets.

  1. Red bullCarbon SL-3000
  2. Look 555 Veloce
  3. Scott CR1 Team

Ausstattung

Die beste Ausstattung gibt es versendertypisch beim Red Bull. Cube liegt hauchdünn vor Focus auf dem zweiten Platz.

  1. Red Bull Carbon SL-3000
  2. Cube Agree GTC Race
  3. Focus Cayo Expert

Gesamtwertung

Am Ende zeigen die Punkte klar und unverrückbar, welches Testrad in Labor- und Praxistests die meisten Punkte sammelt: Red Bull liegt vor Stevens und Cube.

  1. Red Bull Carbon SL-3000
  2. Stevens SCF 2
  3. Cube Agree GTC Race

Carbon im Trend: Interview mit einem Material-Experten

RB: Rein optisch ist Carbon gleich Carbon. Wo liegen die Unterschiede?

Es gibt verschiedene Fasern, die sich hauptsächlich in der Zugfestigkeit und Steifigkeit unterscheiden. Die Auswahl und vor allem die Ausrichtung des Materials beeinflussen die Qualität des Rahmens.

RB: Können günstige Rahmen genauso gut sein wie teurere Modelle?

In der Regel führt ein hoher Aufwand auch zu besseren Produkten, es gibt aber immer wieder Ausnahmen – gute wie schlechte.Entscheidend ist die Qualitätssicherung, weil bei der Verarbeitung von Carbon viel Handarbeit im Spiel ist.

RB 0508 16 Carbonrrennraeder unter 2000 Euro - Manfred Otto
Björn Hänssler
Manfred Otto, Leiter EFBe-Prüfinstitut

RB: Wird der Preis für Carbonräder weiter fallen, oder ist ein Ende in Sicht?

Trotz niedriger Löhne in China oder Vietnam hat gute Handarbeit ihren Preis. Ich denke, dass die Rahmenpreise deshalb bald ihre Grenze erreicht haben werden.

Fazit: Große Marken als Verlierer

Einmal „überragend“, viermal „sehr gut“, achtmal „gut“ und dreimal „befriedigend“ lautet das Endergebnis. Red Bull geht dabei als Sieger hervor. Versendertypisch hat das Carbon SL-3000 die beste Ausstattung, aber auch das Rahmen-Gabel-Ranking und den Praxistest entscheidet es deutlich für sich. Einen Kauftipp sichern sich Cube, Focus und Stevens, die sich durch ein stimmiges Gesamtpaket insgesamt ein sauberes „Sehr Gut“ verdienten.

Würden nur die Fahreindrücke bewertet, fielen einige Noten besser aus, als in der Kombination mit den im Labor gewonnenen Werten. Dies betrifft durchweg Hersteller, deren klangvolle Namen es nicht unbedingt erwarten ließen: Cannondale, Specialized und Trek. Unter den Fahrprotokollen des Synapse und des Tarmac stand unter dem Strich die Note „sehr gut“, das Madone bekam trotz seiner Schwächen auf der Abfahrt immerhin noch ein „Gut“. Die größten Probleme der drei Amerikaner sind die unterdurchschnittlichen Ausstattungen und ihr Übergewicht. Um ein Rad in der Preisklasse unter 2000 Euro anbieten zu können Cannondale und Specialized sind mit 1799 Euro gar die günstigsten Räder im Test –, wurden bei der Ausstattung Kompromisse eingegangen, die trotz diesem Preis absolut unangemessen sind, und im Vergleich mit den positiven Beispielen im Test reichlich Punkte kosten. Und dies gleich doppelt, weil das Gewicht der Günstig-Teile das Gesamtgewicht der Räder anhebt, was zusätzlich Abzug bedeutet. So bekommt Specialized noch knapp ein „Gut“, für Specialized, und Trek reicht es in der Summe nur für ein „Befriedigend“.

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Erscheinungsdatum 05.03.2024