Aero-Rennradhelme im Test
Aero-Helme für Rennradfahrer: Windkanal, Kühlung, Praxistest

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Gute Aerodynamik ist essenziell beim Rennradfahren. Doch wie viel Einfluss hat ein Helm auf den Luftwiderstand? ROADBIKE macht den Test im Windkahl inklusive Kühlmessung und Praxistest auf der Straße.

Aero-Helme Test Windkanal
Foto: Björn Hänssler

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Testergebnis

Aero-Helme

Abus Gamechanger

199,95 Euro/279 g

Preisvergleich

GUT (64 Punkte)

Bell Z20 Aero Mips

249,99 Euro/270 g

Preisvergleich

GUT (58 Punkte)

HJC Furion 2.0

199 Euro/215 g

Preisvergleich

SEHR GUT (74 Punkte)

Kask Utopia

249 Euro/274 g

Preisvergleich

SEHR GUT (76 Punkte)

Lazer Bullet 2.0

249,95 Euro/372 g

Preisvergleich

BEFRIEDIGEND (35 Punkte)

Limar Air Speed

199,95 Euro/251 g

Preisvergleich

SEHR GUT (74 Punkte)

Mavic Comete Ultimate Mips

270 Euro/250 g

Preisvergleich

GUT (66 Punkte)

Specialized S-Works Evade ANGi

299,90 Euro/275 g

Preisvergleich

SEHR GUT (82 Punkte)

Rennradfahren ist – physikalisch be trachtet – eine recht simple Tätigkeit: Um voranzukommen, muss man durch Aufbringen von Kraft Wider stände überwinden. Dazu zählen unter anderem der Beschleunigungswiderstand, der Steigungswiderstand, der Rollwiderstand – und der Luftwiderstand. Letztererbremst die Fahrt mit Abstand am stärksten. Und: Der Luftwiderstand steigt im Quadrat zur Geschwindigkeit. In Zahlen ausgedrückt: Wer von 20 km/h auf 30 km/h beschleunigt, muss etwa 70 Watt mehr treten, allein um den Luftwiderstand zu überwinden – will man noch einmal um 10 km/h auf 40 km/h beschleunigen, sind statt weiteren 70 gleich satte 130 Watt Mehrleistung notwendig! Das bedeutet: Je besser Ihre Aerodynamik, desto weniger Kraft brauchen Sie, um eine bestimmte Geschwindigkeit zu erreichen – oder umgekehrt: Bei gleicher Leistung fahren Sie einfach schneller.

Der herausragenden Bedeutung, die der Aerodynamik beim Rennradfahren zukommt, widmet ROADBIKE in den kommenden Ausgaben eine Artikelserie – mit Windkanal- und Praxistests von Produkten, die von sich behaupten, aerodynamisch optimiert zu sein. Dazu gibt es Tipps und Tricks, wie Sie mit einfachen Mitteln schneller Rad fahren. Natürlich geht es nicht allen Radsportlern um maximale Geschwindigkeit – die physikalischen Gesetze gelten aber für alle. Deshalb können sicher alle Leserinnen und Leser wichtige Erkenntnisse aus der ROADBIKE-Aerodynamik-Serie ziehen.

Aero-Helme Test Windkanal
Björn Hänssler
Ein Aero-Helm macht messbar schneller.

Den Auftakt bilden Aero-Helme. Sie versprechen nicht nur, im Falle eines Sturzes den Kopf zu schützen, sondern auch vergleichsweise günstig und einfach einen positiven aerodynamischen Effekt zu erzielen. Um Luftströme effektiver am Helm vorbeizulenken und weniger Verwirbelungen zu produzieren, die die Fahrt bremsen, verzichten sie auf die vielen Belüftungsöffnungen "normaler" Helme. Doch wie groß sind solche Effekte? Welcher Helm ist der beste? Und sorgt die weniger offene Helmschale für einen Hitzestau am Kopf?

Um diese Fragen zu beantworten, hat ROADBIKE in Kooperation mit dem Aerodynamik-Dienstleister Swiss Side acht aktuelle Aero-Helmmodelle im Windkanal getestet und aufwendige Kühlmessungen durchgeführt. Darüber hinaus wurden die Testkandidaten von mehreren Fahrern ausgiebig in der Praxis getestet. Die Modelle von Bell, HJC, Kask, Lazer, Limar und Mavic nehmen zum ersten Mal an einem RB-Windkanaltest teil, Specializeds Evade – Testsieger aus RB 10/18 – und der weit verbreitete Gamechanger von Abus sind zum zweiten Mal mit von der Partie. Um den Effekt der Aero-Helme einordnen zu können, wurde mit dem Prevail von Specialized ein "normaler" Rennradhelm mit Fokus auf bestmögliche Belüftung mitgetestet.

Die Ergebnisse der RB-Messungen sind überraschend deutlich: Über 10 Watt spart der "schnellste" Helm – erneut Specializeds Evade – gegenüber dem "langsamsten". Und ganze 25 Prozent besser ist die "Kühlleistung" des besten Aero-Helms – Kasks Utopia – im Vergleich zu dem in dieser Disziplin schwächsten Modell. "So deutliche Unterschiede haben wir bisher noch nie gemessen", betont Aero-Experte JeanPaul Ballard von Swiss Side (s. Tabellen unten). Welchen Vorteil bringen 10 Watt weniger Luftwiderstand? Auf einer 100-Kilometer-Ausfahrt (1500 Höhenmeter, Durchschnittsleistung 200 Watt und 27 km/h) würde man fast anderthalb Minuten schneller fahren – nur durch die Wahl eines anderen Helms.

Ein Freizeitfahrer mag hier abwinken. Wer jedoch gerne schnell fährt oder sogar ambitioniert bei Amateur- oder Lizenzrennen startet, einen Radmarathon wie den Ötztaler in einer bestimmten Zeit finishen möchte oder ein gutes Resultat beim Zeitfahren anpeilt, horcht auf. Die beiden Helme von Specialized stechen aus dem Testfeld heraus: Das Aero-Modell Evade verteidigt seine Spitzenposition im Windkanal. Und kühlt auch noch sehr gut: Testsieg. Und der eigentlich "nur" als Referenzhelm mitgemessene Prevail bietet nicht nur erwartungsgemäß die beste Kühlung, sondern ist auch aerodynamisch besser als mancher Aero-Helm.

Klare Kaufempfehlung für die Specialized-Helme also? Jein. Denn die sind nur noch mit einem ANGi genannten Sensor erhältlich, der – bei Koppelung mit einer App – die Route aufzeichnet und im Falle eines Sturzes einen Notfallkontakt informiert. Zweifellos sinnvoll, allerdings droht eine (teure) Doppelung mit den Funktionen moderner Radcomputer. Der Sensor lässt sich zwar entfernen, bezahlen muss ihn der Helmkäufer dennoch, denn Specialized lässt seinen Kunden keine Wahl. Gegenüber älteren Helmen ohne ANGi sind die neuen 40 Euro teurer und 30 Gramm schwerer.

Wem das nicht gefällt, greift zu kaum weniger empfehlenswerten Modellen im RB-Test: Kasks Utopia etwa kühlt als Aero-Helm kau schlechter als das Referenzmodell und landet auch in der Aerodynamikwertung weit vorn. Der Air Speed von Limar bietet das beste Preis-Leistungs-Verhältnis, und der Furion 2.0 von HJC ist trotz windschnittiger Bauweise bestechend leicht. Nicht überzeugen konnte hingegen der Bullet 2.0 von Lazer: Sowohl mit geschlossener wie auch mit geöffneter Frontklappe liefert er die schwächsten Aero- und Kühlwerte, das mit Abstand höchste Gewicht ist auch in der Praxis deutlich spürbar.

Überhaupt: Die besten Laborwerte sind Makulatur, wenn der Helm drückt, das Einstellrädchen fummelig zu bedienen ist oder der Kinnriemen einschneidet. Die Praxiseindrücke mehrerer RB-Tester, die die Testhelme im direkten Vergleich, aber auch auf längeren Touren fuhren, finden Sie in den Testbriefen. Last but not least: die Optik. Während manche auf die schnittigen Schalen schwören, können andere mit dem Profi-Look wenig anfangen. Ansichtssache. Unstrittig ist: Ein Aero-Helm macht für vergleichsweise kleines Geld messbar schneller.

Aero-Helme Test Windkanal
Björn Hänssler
ROADBIKE testet alle Helme im Windkanal auf Aerodynamik und Kühlung.

So testet ROADBIKE

Tragekomfort: Alle Helme wurden von mehreren Testern Probe gefahren, die Eindrücke schriftlich dokumentiert. Kriterien in puncto Tragekomfort waren unter anderem: Sind die Pads ausreichend groß dimensioniert und weich? Decken sie alle wichtigen Bereiche ab, oder gibt es spürbare Druckstellen? Liegen die Gurte angenehm auf der Haut oder sind sie kratzig? Drückt die Kopfweitenverstellung am Hinterkopf an einer oder gar an mehreren Stellen? Neben diesen direkten Vergleichstests wurden alle Modelle von RB-Testern teils über Monate hinweg gefahren, u.a. bei Wettkämpfen. Auch die dabei gemachten Erfahrungen wurden mitberücksichtigt. Der Tragekomfort
fließt mit 20% in die Gesamtnote ein.


Gewicht: Alle Helme wurden gewogen, ihr Gewicht wurde zueinander in Relation gesetzt. Der leichteste Helm erhält die höchste Punktzahl. Die Ergebnisse machen 25% der Gesamtnote aus. Anpassung: Mehrere Tester probierten alle Helme an und stellten sie bestmöglich auf ihren Kopf ein. Dabei bewerteten sie, wie gut die Kopfweiteneinstellung funktioniert, ob das Einstellrad am Heck gut zu greifen und ausreichend fein und definiert gerastert ist, ob sich die Kopfweiteneinstellung in der Höhe verstellen lässt und ob sich die Clips an den Riemen gut anpassen lassen. Das Ergebnis macht
10% der Gesamtnote aus.


Aerodynamik: RB testete unter Anleitung der Aerodynamik-Experten von Swiss Side im GST-Windkanal in Immenstaad am Bodensee. Dabei wurde jeder Helm in zuvor markierter, exakt gleicher Position auf einem unbeweglichen Dummy platziert. Der Torso mit halben Armen und Beinen simulierte eine realistische Fahrerhaltung in Unterlenkerposition. Die Messgeschwindigkeit betrug 45km/h, die Messgenauigkeit lag bei 0,7 Watt (0,3 %). Der GST-Windkanal saugt die Luft am Testobjekt vorbei, gemessen wurde in einem Anströmwinkel von + bis –20 Grad. Schwankungen in der Luftdichte oder Außentemperatur werden herausgerechnet. Die Ergebnisse der Windkanalmessungen machen 25 % der Gesamtnote aus.


Kühlmessung: Auf dem Dummy wurde ein beheizbarer Kopf montiert, der misst, wie viel Strom nötig
ist, um bei einem Fahrtwind von 45 km/h die Temperatur exakt zu halten. Je mehr Strom notwendig ist, umso besser kühlt der Helm. Die Messgenauigkeit lag bei 0,3 Watt (0,7 %). Die Laborergebnisse wurden anschließend mit den Eindrücken der Testfahrten abgeglichen. Die Kühlung macht 20 % der Gesamtnote aus.

Abus Gamechanger

BO-Aero-Helm-Test-2020
BO

Hersteller: Abus

Modell: Gamechanger

Preis/Gewicht: 199,95 Euro/279 g

Größen: S, M, L

Farboptionen: 19

Praxisbewertung

(25%) Aerodynamik

(20%) Belüftung

(20%) Tragekomfort

(25%) Gewicht

(10%) Anpassbarkeit

Fazit: In puncto Aerodynamik und Kühlung im Mittelfeld. Gut anpassbar, manche Tester klagten aber über Druckstellen – ausprobieren! Kinnverschluss etwas fligran, Einstellrad defniert. Sehr viele Farben.

Testurteil: GUT (64 Punkte)

Bell Z20 Aero Mips

BO-Aero-Helm-Test-2020
BO

Hersteller: Bell

Modell: Z20 Aero MIPS

Preis/Gewicht: 249,99 Euro/270 g

Größen: S, M, L

Farboptionen: 8

Praxisbewertung

(25%) Aerodynamik

(20%) Belüftung

(20%) Tragekomfort

(25%) Gewicht

(10%) Anpassbarkeit

Fazit: Der wuchtig wirkende Z20 sitzt angenehm auf dem Kopf und lässt sich gut anpassen. Defniertes Einstellrad. Im Windkanal noch im Mittelfeld, verhindert die schwache Kühlung eine bessere Note.

Testurteil: GUT (58 Punkte)

HJC Furion 2.0

BO-Aero-Helm-Test-2020
BO

Hersteller: HJC

Modell: Furion 2.0

Preis/Gewicht: 199 Euro/215 g

Größen: S, M, L

Farboptionen: 8

Praxisbewertung

(25%) Aerodynamik

(20%) Belüftung

(20%) Tragekomfort

(25%) Gewicht

(10%) Anpassbarkeit

Fazit: Das Gewicht ist für einen Aero-Helm rekordverdächtig, die Aerodynamik sehr gut. Wichtige Punkte kostet die vergleichsweise schwache Kühlung. Pfiffig: Das Haltesystem passt sich automatisch an.

Testurteil: SEHR GUT (74 Punkte)

Kask Utopia

BO-Aero-Helm-Test-2020
BO

Hersteller: Kask

Modell: Utopia

Preis/Gewicht: 249 Euro/274 g

Größen: S, M, L

Farboptionen: 6

Praxisbewertung

(25%) Aerodynamik

(20%) Belüftung

(20%) Tragekomfort

(25%) Gewicht

(10%) Anpassbarkeit

Fazit: Bestwert bei der Kühlung, Platz zwei im Windkanal und einstimmig positives Feedback der RB-Tester. Komfortabel-stabiler Trageeindruck. Geschmacksache ist der dicke Lederkinnriemen

Testurteil: SEHR GUT (76 Punkte)

Lazer Bullet 2.0

BO-Aero-Helm-Test-2020
BO

Hersteller: Lazer

Modell: Bullet 2.0

Preis/Gewicht: 249,95 Euro/372 g

Größen: S, M, L

Farboptionen: 3

Praxisbewertung

(25%) Aerodynamik

(20%) Belüftung

(20%) Tragekomfort

(25%) Gewicht

(10%) Anpassbarkeit

Fazit: Schlusslicht bei den Aeround Kühlmessungen – mit offener und geschlossener Frontklappe. Dazu kommt das höchste Gewicht imTest. Die gute Ausstattung mit Magnetvisier und Rücklicht hilft da wenig.

Testurteil: BEFRIEDIGEND (35 Punkte)

Limar Air Speed

BO-Aero-Helm-Test-2020
BO

Hersteller: Limar

Modell: Air Speed

Preis/Gewicht: 199,95 Euro/251 g

Größen: S, M, L

Farboptionen: 13

Praxisbewertung

(25%) Aerodynamik

(20%) Belüftung

(20%) Tragekomfort

(25%) Gewicht

(10%) Anpassbarkeit

Fazit: Im Windkanal vorne dabei, ordentlich belüftet, angenehm zu tragen. Einstellung am Kinn etwas fummelig, an den Ohrriemen schwergängig, Drehrädchen wenig grifg. Trotzdem: Preis-Leistungs-Tipp!

Testurteil: SEHR GUT (74 Punkte)

Mavic Comete Ultimate Mips

BO-Aero-Helm-Test-2020
BO

Hersteller: Mavic

Modell: Comete Ultimate MIPS

Preis/Gewicht: 270 Euro/250 g

Größen: S, M, L

Farboptionen: 3

Praxisbewertung

(25%) Aerodynamik

(20%) Belüftung

(20%) Tragekomfort

(25%) Gewicht

(10%) Anpassbarkeit

Fazit: Aerodynamisch mit Lazer das Schlusslicht, der Helm sitzt ungewöhnlich hoch. Dafür tolle Belüftung. Einstellrädchen am Heckgeschirr schwammig, ansonsten gut anpassbar. Recht leichter Helm.

Testurteil: GUT (66 Punkte)

Specialized S-Works Evade ANGi

BO-Aero-Helm-Test-2020
BO

Hersteller: Specialized

Modell: S-Works Evade ANGi

Preis/Gewicht: 299,90 Euro/275 g

Größen: S, M, L

Farboptionen: 5

Praxisbewertung

(25%) Aerodynamik

(20%) Belüftung

(20%) Tragekomfort

(25%) Gewicht

(10%) Anpassbarkeit

Fazit: Bestwert im Windkanal bei guter Belüftung, dazu toller Tragekomfort und einfache Einstellung – ein schneller Helm zum Wohlfühlen. Das ANGi-System ist Geschmacksache und macht den Helm teuer.

Testurteil: SEHR GUT (82 Punkte)

Die aktuelle Ausgabe
5 / 2024
 5 / 2024

Erscheinungsdatum 09.04.2024