Tipps fürs Rennrad-Trainingslager
Vorbereitungstipps für das Trainingslager

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Sie planen, in Kürze ins Trainingslager aufzubrechen? Überlassen Sie nichts dem Zufall, nehmen Sie sich Zeit für die Vorbereitung. Damit die Tage im Süden auch den gewünschten Erfolg bringen.

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Foto: Alexander Walz

Für viele Rennradfahrer zählt das Trainingslager im Frühling zu den schönsten Wochen des Jahres. Früh im Jahr bei Sonnenschein – und gemeinsam mit anderen – Touren fahren. Die Wärme genießen. Tag für Tag die Kilometerleistung steigern. Und am Ende hoch motiviert wieder nach Hause fahren. Mit dem guten Gefühl, Form aufgebaut und etwas erreicht zu haben. So viel zur Idealvorstellung, zur Theorie also.

In der Praxis sieht es oft anders aus: Nach zwei bis drei Tagen heftigem „Kilometerschrubben“ wünscht sich mancher den ersten Ruhetag sehnlichst herbei. Im schlimmsten Fall steigt man am Ende erschöpft in den Flieger und fängt sich dann noch einen Infekt ein. Und schon ist er aus, der Traum von der perfekten Frühform.

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Nils Flieshardt / Jens Vögele
Zusammen macht das Trainingslager noch mehr Spaß.

Damit das alles nicht passiert und die Wunschvorstellung von erfolgreichen Tagen unter südlicher Sonne Realität wird, müssen Rennradfahrer nur ein paar wenige, aber wichtige Punkte beachten. „Der allergrößte Fehler, den man machen kann, ist ein Kaltstart. Also mit null Kilometern auf dem Rad oder unzureichender Vorbereitung ins Trainingslager zu starten“, sagt Mario Kummer, ehemaliger Profi, erfahrener Tourguide und Headcoach des ROADBIKE Trainingscamps im Frühjahr auf Mallorca.

Perfekt vorbereitet ins Camp

„Der Sportler will große Umfänge absolvieren und länger als gewohnt im Sattel sitzen, weil er im Trainingslager endlich die Zeit dazu hat. Dafür empfiehlt sich eine geeignete, den individuellen Möglichkeiten angepasste Vorbereitung. Für mehr Spaß im Trainingscamp – von Anfang an. Je besser man vorbereitet ist, desto höher können natürlich auch Umfänge und Intensitäten im Camp sein“, erklärt Kummer. Wer wenig Zeit zur Vorbereitung hat, sollte seine Ziele für das Trainingslager moderat gestalten – und nicht zu abrupt steigern. Ansonsten wird der Körper nach wenigen Tagen schlicht streiken, da er nicht auf die extreme und ungewohnte Belastungssteigerung vorbereitet ist, was wiederum das Immunsystem extrem stresst.

Kummers Rat: zu Hause schon auf das Trainingscamp vorbereiten, und zwar richtig nach Plan. Und nicht einfach nur ein-, zweimal Rad fahren, vielmehr empfiehlt sich ein regelmäßiges Trainingsprogramm, um das Rennrad und die müden Glieder aus dem Winterschlaf zu holen. „Für Hobbysportler ist jedes Trainingslager ein echtes Highlight – entsprechend sollte diesem ein großer Stellenwert eingeräumt werden. Ähnlich wie einem Rennen, auf das sich ein Athlet ja auch gezielt vorbereitet“, sagt Mario Kummer. Einmal ganz abgesehen davon, dass ein Trainingslager auch ein „Investment“ ist – schließlich kostet es eine Stange Geld und einige Urlaubstage.

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Nils Flieshardt / Jens Vögele
Ein Trainingslager gehört für viel zur Saisonvorbereitung dazu.

Je nach Leistungsstand und Zeitpunkt des Trainingslagers sollte mindestens vier bis acht Wochen vorher mit der sportlichen Vorbereitung begonnen werden. Wie solch eine Trainingsstruktur für die Vorbereitung aussehen kann, hat der Olympiasieger und Weltmeister im 100-Kilometer-Mannschaftszeitfahren auf der übernächsten Seite zusammengestellt.

„Radfahren kommt immer noch von Rad fahren“, das ist auch Kummers Credo. Um die eigene Leistungsfähigkeit zu verbessern, kann man aber auch eine Kombination aus spezifischem Radtraining – im Idealfall auf der Straße, Rolle oder im Gelände – und allgemein athletischem Training wählen. Wer es zeit- oder witterungsbedingt nicht schafft, im Vorfeld des Trainingslagers zwei bis vier Einheiten pro Woche auf dem Rad zu absolvieren, darf auch „fremdgehen“ und andere Ausdauersportarten mit dem Radtraining kombinieren. Laufen, Skilanglauf, Skitouren gehen und Schwimmen sind Disziplinen, die das Herz-Kreislauf-System ebenso in Schwung bringen und die Ausdauer steigern. Allerdings empfiehlt es sich, hier keine Experimente einzugehen, sondern Sportarten zu wählen, deren Technik der Athlet problemlos beherrscht. Denn gewisse Umfänge gilt es schon zu absolvieren, um die erforderlichen Reize zur Leistungssteigerung zu setzen. Beim Skilanglauf sollten die Touren ähnlich lang sein wie auf dem Rad; wer joggt, sollte das mindestens 45 Minuten am Stück beherrschen, ohne Bänder, Sehnen und Gelenke zu überfordern. Und im Wasser sollte man mindestens eine Stunde lang Bahnen ziehen.

Stundenplan fürs Camp schreiben

Zu einer soliden Vorbereitung zählt auch, die Trainingseinheiten im Camp zu planen. Bewährt haben sich hier sogenannte Dreierblöcke – also drei Tage Training gefolgt von einem Tag aktiver Erholung. „Locker pedalieren für 1 bis 1,5 Stunden lässt viele Sportler besser regenerieren als Müßiggang“, weiß Mario Kummer. Wie lange pro Tag gefahren wird, kommt ganz auf das individuelle Fitnesslevel an – und auf die Ziele des Sportlers. Das 2- bis 2,5-Fache des normalen Pensums sollte möglich sein – also Touren von drei bis fünf Stunden. Tipp: Immer nach Zeit, nicht nach Distanz rechnen. Ist der Stundenplan erstellt, sollten dazu passend unterschiedliche Touren inklusive Optionen gesucht werden. Wer schon am Schreiben, Organisieren und Planen ist, kann sich auch Gedanken über das erforderliche Gepäck machen. Orientierung gibt die RB-Checkliste oben.

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MVH/Getty Images
Für ein effizientes Training sind Pausen essenziell.

Reiseapotheke für Rennradfahrer

Nicht fehlen darf im Gepäck die für Radfahrer typische Reiseapotheke. „Zu dieser gehören übrigens mehr als Sitzcreme und Sonnenschutz“, sagt Jan-Niklas Droste, oberster Teamarzt bei der Profi-Equipe Bora-hansgrohe. Droste, früher selbst starker Amateurrennfahrer und heute Arzt am BG Klinikum in Hamburg, rät, Medika­mente gegen Kopf- und Halsschmerzen, Magenbeschwerden sowie Nasenspray, Augentropfen und ein Handdesinfektionsmittel mitzunehmen. Dazu eine Salbe mit Dexpanthenol gegen Hautirritationen sowie ein Gel mit entzündungshemmendem Wirkstoff wie Diclofenac – „falls das Knie durch die ungewohnte Belastung schmerzt“, so der Mediziner. Für den Fall der Fälle sollte auch ein Erste-Hilfe-Set mit Desinfektionsmittel und Verbandsmaterial ins Gepäck. Ergänzt werden kann die Auswahl durch eine spezielle Salbe: „Um nach Stürzen auf schmutzigem Asphalt die Wunde schnell von Keimen zu befreien, ein Gel oder eine Salbe mit dem Wirkstoff Polyhexanid mitnehmen. Die ist zwar nicht lange haltbar, aber das Beste, was es für solche Unfälle gibt“, so der Profi-Tipp.

Einige der Medikamente gehören ins Handgepäck, etwa Nasenspray und Halsschmerztabletten. „Durch die trockene Luft am Flughafen und an Bord des Fliegers trocknen die Schleimhäute aus. Das sollte vermieden werden, da gesunde, feuchte Schleimhäute eine Barriere gegen Erreger bilden“, so Droste. Kratzt also trotz genügend Flüssigkeitszufuhr der Rachen, oder die Nase geht zu, sollte man schnell gegensteuern – mit Halsschmerztabletten bzw. Lutschpastillen und Nasenspray.

Probiotika vorbeugend einnehmen

Ebenfalls vorbeugend – ein bis zwei Wochen vor dem Abflug – kann man möglichen Magen-Darm-Beschwerden zuvorkommen, mit einem Probiotikum, das die Arznei-Hefe Saccharomyces boulardii enthält. „Durch die Einnahme können Durchfallerkrankungen erst gar nicht auftreten, oder aber sie fallen viel kürzer aus. Zudem werden solchen Probiotika positive Wirkungen auf das Immunsystem zugeschrieben, wobei das noch nicht ganz erforscht ist“, so Droste, der auch den Profis dazu rät.

Während Profis von Ärzteteams begleitet werden, sind Hobbysportler auf fremde Hilfe vor Ort angewiesen, was teuer werden kann. Deshalb immer eine Auslandskrankenversicherung abschließen und vor der Reise bei der Krankenkasse erkundigen, mit welchen Kliniken und Ärzten diese vor Ort zusammenarbeitet.

Wintertraining
Brian Hodes
Dr. Jan-Niklas Droste, Teamarzt beim WorldTour-Team Bora-Hansgrohe: „Wir empfehlen unseren Profis, bestimmte Probiotika schon im Vorfeld des Trainingslagers einzunehmen, um Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall vorzubeugen.“

Checkliste

  • Bekleidung: Mindestens zwei komplette Sätze mit Trikot, Radhose, Socken, Unterhemd, Handschuhen plus ein Langarmtrikot; Arm- und Beinlinge sowie Überschuhe; Westen und Jacken sowie Halstücher für den Wetterschutz. Helm, Brille und Schuhe nicht vergessen.
  • Ernährung: Da im Ausland nicht immer alles erhältlich ist, auf Bewährtes zurückgreifen und im Idealfall von zu Hause mitbringen. Dazu zählen Energieriegel und -gels sowie Getränkepulver. Nach der Einheit mit Recovery-Shakes und -Riegeln die Regeneration einleiten.
  • Rad & Equipment: Rennrad – wenn nicht vor Ort geliehen –, Pedale, Radcomputer sowie die dazugehörigen Ladegeräte (ggf. Netzadapter). Um für Defekte gerüstet zu sein, zwei Ersatzschläuche, Flickzeug und einen Mantel in Reserve. Kleine Pumpe sowie Minitool für unterwegs.
  • Reiseapotheke: Medikamente gegen Kopf- und Halsschmerzen sowie Magen-Darm-Beschwerden. Außerdem pflegendes Nasenspray mit Dexpanthenol sowie Augentropfen. Dazu für den Fall der Fälle Verbandsmaterial und Sprays sowie Salben zur Wunddesinfektion und -heilung. Immer mit dabei: Sitzcreme und Sonnenmilch oder -spray.
  • Organisatorisches: Personalausweis, eventuell Führerschein, EC-Karte, Kreditkarte, Bargeld, Impf- und Allergiepass – wenn vorhanden. Notfallnummern der Krankenkasse. Bei chronischen Erkrankungen Rufnummern der behandelnden Ärzte.
Trainingslager
Henning Angerer
Wie die sportliche Vorbereitung für das Trainingslager aussehen sollte, erklärt Ex-Profi und RB-Trainingscamp-Coach Mario Kummer.

Trainingsplan: Die wichtigsten Tipps

Wer aus dem Trainingslager das Optimum herausholen will, sollte bereits zu Hause auf dem Rad trainiert haben. ROADBIKE erklärt, welche Einheiten zum Formaufbau sinnvoll sind und wie sich das Training aufbauen lässt.

  • 4 bis 8 Wochen vor dem Abflug mit dem zielgerichteten Training beginnen.
  • Nicht mehr als 3 Tage hintereinander trainieren, aber wenn möglich am Wochenende zwei längere Touren in Folge fahren.
  • Umfänge bei den längeren Einheiten wie Fahrtspiel und Tour um nicht mehr als 15 bis 20 Prozent pro Woche erhöhen.
  • Nach 3 Wochen Training eine Regenerationswoche einplanen, in der nicht oder nur vermindert trainiert wird.
  • Auch mal in der Gruppe trainieren, um sich wieder an das Windschattenfahren zu gewöhnen.
  • Zusätzlich 2- bis 3-mal pro Woche Core- bzw. Rückentraining einplanen – siehe unten.

Trainingsplan für eine Vorbereitungswoche

  • Einheit 1 K3-Training: Nach dem Warmfahren 4 Intervalle à 5 Minuten knapp unterhalb der anaeroben Schwelle mit niedriger Trittfrequenz (40 bis 60 Umdrehungen pro Minute) fahren. Zwischen den Intervallen locker im GA1-Bereich fahren. Danach locker ausfahren.
  • Einheit 2 Trittfrequenzpyramide: Nach dem Warmfahren die Trittfrequenz pro Minute um 10 Umdrehungen steigern; beginnend bei 80 Umdrehungen, bis 120–140 Umdrehungen. Entscheidend ist dabei, die hohe Frequenz zu halten, ohne im Sattel zu hüpfen. Dann wieder mit jeder Minute die Trittfrequenz um 10 Umdrehungen verringern. Darauf achten, die Intensität im Bereich des GA1/2-Bereichs zu belassen. Ausfahren.
  • Einheit 3 Fahrtspiel – auf der Straße oder im Gelände: Nach dem Warm-up über 60 bis 90 Minuten mit dem Gelände „spielen“. Also kurze Steigung hochsprinten, aus der Kurve beschleunigen etc. Die Intensität so wählen, dass immer Zug auf der Kette ist. Am Ende 10 Minuten locker ausfahren.
  • Einheit 4 Tour: 2,5 bis 3,5 Stunden lang Grundlagenfahrten auf der Straße im GA1-Bereich.
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Alexander Walz
Gute Idee fürs Trainingslager:Radbeherrschung verbessern.

Core-Training:

Ein starker Rumpf lässt Rennradfahrer auch nach Stunden noch stabil im Sattel sitzen.

Da Sie im Trainingslager länger fahren werden als bei Ihren Einheiten zu Hause, sollten Sie Ihren Rumpf zusätzlich trainieren – entweder per Functional Training, Pilates, Yoga oder mit speziellen Core-Übungen. Das Training der Rumpfmuskulatur hilft, Überlastungen im Rücken und in der Schulter zu vermeiden und auch nach mehreren Stunden noch komfortabel und schmerzfrei zu fahren. Hier drei klassische Übungen:

  • Diagonaler Frontstütz: Nehmen Sie die Liegestützposition ein und heben den rechten Arm sowie das linke Bein vom Boden ab, sodass beide Gliedmaßen nach vorn bzw. hinten waagrecht in der Luft „stehen“. Diese Position halten Sie 30 Sekunden. Danach wechseln Sie Arm und Bein. Machen Sie je 3 Halteübungen pro Seite.
  • Seitstütz: stärkt Bauch und Rücken. Stützen Sie sich in Seitenlage auf Ihren angewinkelten Unterarm. Dann heben Sie das Becken, so dass Sie sich nur noch auf dem Arm und der Fuß-Seite liegen. Die Knie und Beine sollten zusammen mit dem Oberkörper eine gerade Linie bilden. In dieser Position verharren Sie 30 Sekunden. Dann wechseln Sie die Seite. Machen Sie je 3 Übungen pro Seite.
  • Hüftbrücke mit Lift: stärkt Oberschenkelrückseite und Gesäß. Zudem werden die tiefen Bauchmuskeln gefordert, die die Lendenwirbelsäule stabilisieren. Starten Sie in der Rückenlage und stellen Sie die Füße mit angewinkelten Beinen auf. Oberschenkel und Unterschenkel bilden einen rechten Winkel. Heben Sie das Becken an, bis Oberschenkel und Rumpf eine Linie bilden. Nur Schultern, Fersen und Arme berühren den Boden. Jetzt langsam das linke Bein so weit wie möglich zur Brust ziehen, Position 10 Sekunden halten. Seitenwechsel; 5 Wiederholungen.
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Erscheinungsdatum 05.03.2024