Shimano-Chefentwickler Takao Harada zur neuen Dura-Ace
Interview: Shimano-Chefentwickler Takao Harada zur neuen Dura-Ace

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Wie entsteht eigentlich eine Rennrad-Schaltgruppe? Shimanos Chefentwickler Takao Harada gewährte RoadBIKE einen Einblick.

RB Shimano-Chefentwickler Takao Harada
Foto: Shimano

Dieser Mann ist das Gehirn hinter der neuen Dura-Ace-Gruppe – und hinter allen anderen Rennrad-Komponenten aus dem Hause Shimano: Takao Harada. RoadBIKE hat mit dem Chefentwickler gesprochen.

Herr Harada, Hand aufs Herz: Kommt der Dura-Ace-Entwickler auch mal in den Genuss, nur so zum Spaß Rennrad zu fahren?
Takao Harada: Natürlich! Ich liebe es, gemeinsam mit Freunden eine Runde zu drehen. Dieses Jahr würde ich zum Beispiel gern meinen ersten Triathlon absolvieren.

Würden Sie dann auch gerne mal den Job mit einem Radprofi tauschen?
Ganz im Ernst: Ich fahre wirklich gerne Fahrrad und ich ziehe meinen Hut vor diesen Jungs. Aber ich glaube, ich ziehe meinen derzeitigen Job doch dem Leben als Profi-Rennfahrer vor. Schließlich kann ich die Sportler mit meiner Arbeit immer wieder aufs Neue begeistern.

Wenn Sie privat im Sattel sitzen, können Sie dann entspannen? Oder denken Sie bei jedem Schaltvorgang daran, was man noch alles verbessern könnte?
Gute Frage! Manchmal klappt es, und ich kann tatsächlich einfach nur entspannen. Aber meistens schießen mir während der Fahrt ständig neue Ideen durch den Kopf.

Und wie lange dauert es dann, diese Ideen umzusetzen? Mal am Beispiel der neuen Dura-Ace – von der ersten Idee bis zum Serienprodukt?
Das waren so fünf bis sechs Jahre. Gleich nach dem Markstart der Vorgängergruppe, also der Dura-Ace 7900, begann für uns die neue Herausforderung, die Dura-Ace 9000.

Wie viele Mitarbeiter waren in den Entwicklungsprozess involviert?
Ziemlich viele unserer Mitarbeiter aus Entwicklung und Produktion waren beteiligt. Das Kernteam bestand jedoch aus rund zwanzig Personen.

Welches Teil war Ihnen bei der Entwicklung der neuen Gruppe am wichtigsten?
Die Hebel. Der Fahrer muss sich auf dem Rennrad wohl­fühlen. Und die Hebel hat er dabei fast die ganze Zeit über in der Hand.

Und welches ist Ihr persönliches Highlight an der neuen Dura-Ace?
Die Kurbel. Mit ihrer vierarmigen Konstruktion gibt sie der Dura-Ace ein ganz neues Gesicht. Und gleichzeitig optimiert sie den Leistungstransport vom Fahrer zum Fahrrad.

Wie wichtig war es Ihnen, das Gewicht der Dura-Ace unter die magischen 2.000 Gramm zu drücken?
Das war natürlich ein nettes, greifbares Ziel für das Team. Gewicht spielt im Rennsport immer eine Rolle. Eine Gewichtsabnahme darf aber auf keinen Fall zulasten der Schaltperformance erzielt werden.

Anders als die "alte" Dura-Ace ist die neue Di2 nicht mehr schwerer als die mechanische Variante. Was spricht, außer dem Preis, überhaupt noch für eine mechanische Schaltung?
Zunächst einmal würde es die Di2 ohne die mechanische Dura-Ace natürlich gar nicht geben. Und meiner Meinung nach erlaubt eine mechanische Schaltung einfach einen direkteren, sinnlicheren Kontakt zum Rennrad.

Inwiefern unterscheidet sich die Entwicklung der Dura-Ace von den günstigeren Schaltgruppen?
Bei der Dura-Ace, unserem Flaggschiff, machen wir keine Kompromisse. Ganz gleich, was wir leisten müssen, um sie besser und leichter zu machen – wir tun es. Gruppen wie die Ultegra, die 105 und andere Komponenten profitieren dann später von diesen Entwicklungen – und bieten das perfekte Preis-Leistungs-Verhältnis für jeden Anspruch.

Wenn ein Spitzenprodukt wie die Dura-Ace gerade frisch auf dem Markt ist, muss man dann als Entwickler nicht der Meinung sein, das ultimativ Machbare erreicht zu haben?
Nein. Die Herausforderung des Neuen ist immer da. Ständig werden neue Materialien oder Technologien erforscht. So wie etwa die digitale Technik. Wenn wir Rennrad-Komponenten entwickeln, müssen wir diese neuen Trends immer genau beobachten und entscheiden, ob sie zu besseren Rennrad-Produkten führen könnten.

Wo holen Sie sich die Anregungen? Die Motivation zu neuen Entwicklungen?
Wir sprechen natürlich viel mit den Profi-Fahrern. Und ich versuche auch, selbst viel zu testen und auszuprobieren.

Was war das größte Kompliment, das Sie je für Ihre Arbeit erhalten haben?
Das war ohne Frage der erfolgreiche Marktstart der ersten Di2-Generation. Bis dahin hatten sich die meisten Sportler gegen eine elektronische Schaltung gesträubt. Heute lieben die Profis die Di2.

Zurück zur Eingangsfrage: Wenn Sie privat mit Ihren Freunden auf dem Rennrad unterwegs sind, wie schalten Sie dann?
Bei entspannten Touren bevorzuge ich die mechanische Schaltung. Da kann ich einfach direkt mit meinen Fingern spüren, wie die Kette geschmeidig über die Ritzel gleitet.

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Erscheinungsdatum 05.03.2024