"Keine Junkmiles mehr" - Trainieren mit Leistungsmesser
In Topform mit einem Leistungsmesser

Inhalt von

Rennrad-Fahrer, die mit einem Leistungsmesser trainieren, kommen schneller in Top-Form und lernen sich selbst viel besser kennen.

RB 0510 Leistungsmessgerät Powertap
Foto: Benjamin Hahn
RB 0510 Leistungsmessung Powertap-Nabe
Daniel Geiger
Leistungsgesteuertes Training – hier per Power­tap-Nabe – begeistert immer mehr Hobbyfahrer.

"Keine Junkmiles mehr", sagt Sportwissenschaftler Frieder Uflacker, als er den Teilnehmern des RoadBIKE-Camps das Rennrad-Training per Leistungsmessung erklärt.
Verwundert blicken ihn die Hobbysportler an. "Als Junkmiles bezeichnet man Abschnitte, in denen der Sportler nichts leistet und seine Beine einfach hängen lässt und rollt", erklärt Uflacker.

Um diese "unnützen" Kilometer zu verhindern, sollen die Hobbysportler während des Fahrens ein am Vorbau befestigtes "gelbes Ei" im Auge haben, das die momentane Leistung in Watt anzeigt. Gefüttert wird die Anzeige von einem Powertap-Leistungsmessser, der in der Hinterradnabe sitzt.

Nach Watt fahren

"Der Vorteil eines solchen Powermeters liegt darin, dass er objektiv genau das aufzeichnet, was von der aufgebrachten körperlichen Energie des Radsportlers als messbare Leistung auf die Straße kommt", so Uflacker weiter. Anders als per Herzfrequenz, Geschwindigkeit oder Körpergefühl ist die so ermittelte Leistung eine unbestechliche, objektive und dadurch überhaupt vergleichbare Größe – so viel zur Theorie.

Als die Teilnehmer die ersten Runden drehen, wissen sie, was Uflacker meint. 35 km/h bei schlappen 80 Watt auf ebener Strecke sind zu sehen, dann nur noch 21 km/h mit plötzlich 250 Watt – den Unterschied macht hier gerade der Wechsel der Windrichtung nach dem Abbiegen. "Viele richten sich nach der Geschwindigkeitsanzeige und düsen am Anfang viel zu schnell los, ob beim Grundlagentraining oder bei kraftbetonten Intervallen.

Ein Leistungsmesser kann hier als Bremse dienen und damit ein Überziehen vermeiden", sagt Uflacker. "Bei Sprints dagegen kann ein Powermeter, wenn die Anzeige über 1000 Watt klettert, auch enorm pushen", sagt Uflacker, der als Personal-Trainer Hobby-Rennradfahrer und Leistungssportler betreut.

Auch am Berg bekommt die heterogene Trainingsgruppe recht schnell angezeigt, was überflüssige Pfunde an Vortrieb kosten. Da alle mit einer Wattzahl von rund 150 ausdauernd fahren sollen, ziehen die Leichtgewichte davon, während die schweren Fahrer damit zu kämpfen haben, um überhaupt mit "so wenig" Anstrengung den Anstieg zu erklimmen. Hier bekommt das bei Profis oft herangezogene Verhältnis von Leistung zu Last – Watt pro Kilogramm – ein ganz besonderes Gewicht.

Exakte Steuerung

"Wer sein Training per Watt steuert, kann einfach viel effizienter trainieren, da er die äußeren Einflüsse wie Wind oder Streckenprofil komplett ausschließt. Er kann sich auf die angestrebte Leistung konzentrieren und so ganz gezielt Trainingsreize setzen", erklärt RoadBIKE-Experte und Trainer Florian Geyer vom Radlabor in Freiburg.

So kann auch ein ambitionierter Hobbysportler per Powermeter die Belastungsintensitäten der einzelnen Einheiten präzise steuern – wenn er weiß, was er trainieren will – und bei aufmerksamer Betrachtung der Werte eine Unter- und auch eine Überforderung vermeiden.

Mit der richtigen Leistung trainieren wie die Rad-Profis

RB Leistungsmessgerät Watt SRM
Benjamin Hahn
Viele Profis messen ihre Leistung über eine SRM-Kurbel.

"Der Puls reagiert dagegen auf eine Belastungssteigerung sehr langsam, also verzögert, während Leistungsmessgeräte diese sofort anzeigen", erklärt Geyer (siehe Grafik Seite). Bei kurzen, intensiven Einheiten wie Sprints und Antritten steigt die Herzfrequenz sogar erst nach Ende der Belastung an – und ist so zur präzisen Intervallsteuerung nicht optimal. "Außerdem lässt sich der Puls von Wärme sowie Kälte beeinflussen", sagt Geyer.

Neu ist das Training per Powermeter allerdings nicht – Profis und ihre Trainer arbeiten damit schon seit über 20 Jahren: Ulrich Schoberer entwickelte bereits 1986 das erste Leistungsmesssystem – das SRM.

"Wer allerdings mit Powermeter wie ein Profi trainieren will, sollte bereit sein, das Training auch wirklich in die Hand nehmen zu wollen und es entsprechend strukturiert umzusetzen", sagt Uflacker, selbst erfolgreicher Rad-Amateur. Erst mit einer Leistungsdiagnostik zur Ermittlung der individuellen Trainingsbereiche in Herzfrequenz und Watt, einem persönlichen Plan und eine Auswertung durch einen erfahrenen Coach werden die Potenziale durch ein wattbasiertes Training voll ausgeschöpft.

Den Puls im Blick

Trotz aller Objektivität und Unbestechlichkeit des Powermeters sollten Sportler die Pulsanzeige beim leistungsgesteuerten Training immer beachten. "Die Herzfrequenz ist ein physiologischer Parameter, der mir Feedback auf meine körperliche Beanspruchung gibt", sagt Geyer.

So lässt sich ein plötzliches Abweichen der Pulswerte von der Norm schnell erkennen; beispielsweise wenn die Herzfrequenz bei Belastung nur träge ansteigt oder nach intensiven Einheiten weniger schnell sinkt. Andererseits lassen sich auch erste Erfolge anzeigen. Nach den ersten Wochen Grundlagenausdauertraining sollte bei identischem Puls die Leistung ansteigen.

„Generell sollte ein Powermeter das Training unterstützen und nicht komplett übernehmen“, sagt Florian Geyer. "Im Zusammenspiel mit Herzfrequenz und persönlichem Empfinden können gerade Hobbysportler so sehr viel über ihren Körper lernen und erkennen, wie er auf bestimmte Situationen reagiert", so Geyer.

Bei Grundlagenausdauer- sowie Regenerationseinheiten rät Florian Geyer, die Belastung nur nach Herzfrequenz zu steuern: "Zum einen vermittelt der Puls dem Sportler gerade über einen längeren Zeitraum von mehreren Stunden einen Eindruck von der individuellen Beanspruchung, die der Körper erfährt.

Zum anderen haben Tests gezeigt, dass die Leistungs- wie Pulsfrequenzkurven bei diesen Steady-State-Trainingsformen parallel zueinander verlaufen." Zur Auswertung einer solchen Einheit, um beispielsweise zu sehen, wie hoch der Energieverbrauch war, leistet das Powermeter dann wieder sehr gute Dienste – und zeigt die gefahrenen Junkmiles an.

Drei Leistungsmessgeräte im Vergleich

RB Leistungsmessgerät Watt SRM
Benjamin Hahn
Leistungsmessgerät Watt SRM

SRM: Diese Modelle gelten seit vielen Jahren als Referenz. Das SRM misst die Daten per Dehnmessstreifen in einer speziellen Kurbel – erhältlich für alle Systeme – und überträgt sie schnurlos an das Display am Lenker. Preis: ab 2487 Euro.

RB 0510 Leistungsmessgerät Powertap
Benjamin Hahn
Leistungsmessgerät Powertap

Powertap: Hier steckt die Technik in der Hinterradnabe und ermittelt dort ebenfalls per Dehnmessstreifen die Daten und funkt sie ans Display. Powertap gibt es sowohl als reine Nabe, die sich einspeichen lässt, wie auch als komplettes Laufrad von Zipp und Mavic. Preis: ab 799
Euro (Nabe).

RB 0510 Leistungsmessgerät Polar
Benjamin Hahn
Leistungsmessgerät Polar

Polar Power-Kraft-Leistungsmesser: Dieses System misst per elektromagnetischem Sensor die Schwingung der Kette (je mehr Zug, desto straffer die Gliederspannung) und errechnet daraus die Leistung. Preis: 640 Euro inklusive Radcomputer CS600X.

Puls, Watt oder Gefühl: Die Unterschiede beim Training

Die Grafik unten zeigt die Steuerung des Trainings bei einem Radsportler durch unterschiedliche Parameter. Beim ersten Intervall sollte der Athlet die Intensität seines K3-Trainings (Kraftausdauertraining am Berg) lediglich per Herzfrequenz kontrollieren, beim zweiten per Leistung, beim dritten nach Körpergefühl. Zur Überprüfung der Ergebnisse zeichnete das SRM-Powermeter dauerhaft sowohl Leistung (blaue Kurve) als auch Herzfrequenz (rote Kurve) auf.

Steuerung des Trainings per Herzfrequenz:

Bei der ersten Einheit hat der Athlet nur seinen Puls im Blick. Es lässt sich gut erkennen, dass er die vorgegebene Leistung von 340 Watt zu Beginn stark überschreitet, da der Puls ihm eine geringe Belastung vorgaukelt und stark verzögert reagiert. Im Verlauf des Intervalls muss der Athlet seine Leistung reduzieren, da er sich zu Beginn übernommen hat.

Steuerung des Trainings nach Leistung:

Bei diesem K3-Intervall fährt der Rennradfahrer mit Blick auf seinen Powermeter und hält das Leistungsplateau wie gewünscht über die gesamte Zeit fast konstant. Auch hier lässt sich sehen, dass die Herzfrequenz ihren höchsten Wert erst zum Ende des Intervalls erreicht.

Steuerung des Trainings nach Gefühl:

Hier verlässt sich der Radsportler ganz auf sein Körpergefühl und erzielt in allen Bereichen ähnliche Werte wie beim Training per Herzfrequenz. Folge: Er kann die Leistung nicht konstant auf einem Level halten, da er am Anfang des Intervalls zu stark angegangen ist.

Fazit:

Es zeigt sich, wie präzise der Einsatz eines Powermeters bei kraftbetonten bzw. intensiveren Einheiten ist, da mit ihm eine ganz exakte Ansteuerung der Leistung möglich ist. So lässt sich hier eine Überforderung beziehungsweise eine falsche Trainingsintensität wie bei der Steuerung per Puls sowie nach Gefühl vermeiden.

RB 0510 Leistungsmessung Grafik
RoadBIKE
Leistungsmessung Grafik
Die aktuelle Ausgabe
5 / 2024
 5 / 2024

Erscheinungsdatum 09.04.2024