Fitness: Schlaf macht gesund
Bessere Regeneration durch guten Schlaf

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Ausgeschlafen? Nur wer völlig regeneriert aufwacht, kann Top- Leistungen erbringen – im Beruf wie auch sportlich. RoadBIKE gibt Tipps, wie Sie nachts Erholung finden.

Schlafen ist gesund
Foto: Benjamin Hahn Fotografie

Während die Radprofis bei großen Rundfahrten wie Tour, Giro oder Vuelta um den Sieg kämpfen, wird auch an anderer Stelle auf Hochtouren gearbeitet. In den Mannschaftshotels richten die Betreuer ganze Hotelzimmer neu ein. Denn der Athlet soll ein wahres Recovery-Refugium vorfinden, um sich vom Stress des Tages erholen und gut schlafen zu können.

Für diesen Job gibt es in den Teams sogar eigene „mattressmen“ – Matratzen-Männer. Zuallererst eliminieren die „Raumausstatter“ die hoteleigene Matratze samt Decke, Kopfkissen sowie Laken, dann reinigen sie das komplette Zimmer, um hinterher die mitgebrachte, individuelle Bettstatt des Fahrers aufzubauen. Oftmals werden sogar die Fenster mit dunkler Plane abgeklebt, sodass kein Sonnenlicht hereinfallen kann. In Zimmern, die über keine Klimaanlage verfügen, werden mobile Geräte aufgestellt, um ein angenehmes Raumklima zu ermöglichen. Obwohl das alles logistisch ein gewaltiger Aufwand ist, da mindestens ein weiteres Fahrzeug und ein zusätzlicher Mitarbeiter mit zum Rennen müssen, bieten die großen Teams ihren Profis diesen Komfort.

MB Hotel Marica Eggental
Mountain Bike Holidays
Auf der Reise sollte das Hotel gründlich ausgesucht werden, damit der Schlaf nicht von einem unbequemen Bett gestört wird.

Mehr Power durch Schlaf

Zu Recht! Denn Schlaf ist der wichtigste Regenerationsbooster – nicht nur für Sportler. „In dieser Ruhephase repariert sich der Körper durch die Ausschüttung von Wachstumshormonen und Bildung neuer Immunzellen selbst“, sagt RB-Medizinexperte Dr. Lutz Graumann. „Durch die Stimulierung des Parasympathikus entspannt sich die Muskulatur – der Tonus wird verringert, Herzfrequenz und Blutdruck sinken“, so Graumann.

Der Arzt befasst sich seit einigen Jahren mit diesem Thema, da er hier noch viel Potenzial sieht. „Man muss verstehen, wie wichtig Schlaf ist, wie viel man davon benötigt, und wodurch er beeinflusst wird“, sagt der Mediziner. Denn: „Sobald die Schlafarchitektur – zu der auch Einschlafen sowie Aufwachen zählen – dauerhaft negativ verändert ist, kann es sein, dass der Sportler keine Bestleistungen mehr erbringt und zudem verletzungsanfälliger wird.“ Das gilt im Übrigen auch für Nichtsportler; jemand, der schlecht schläft, kann beispielsweise im Job nicht sein volles Potenzial entfalten.

Schlafrhythmus beachten

Oftmals wachen wir müde auf – und haben gar nicht zu wenig geschlafen. „Wir sind nur zum falschen Zeitpunkt geweckt worden“, sagt Dr. Lutz Graumann: „In der Tiefschlafphase.“ Unser Schlaf teilt sich nämlich in Zyklen von rund 90 Minuten auf, die sich wiederholen.

Wer um die Länge der Zyklen weiß, kann sein Schlafverhalten selbst clever timen, indem er in diesen Abständen rechnet. „Also je nach Einschlafzeitpunkt schlafe ich entweder sechs oder siebeneinhalb Stunden“, erklärt Dr. Lutz Graumann.

Für viele Menschen reichen 7,5 Stunden aus, um fit zu sein – vorausgesetzt, der Schlaf war erholsam. Denn Qualität ist wichtiger als Quantität. Die Qualität wird stark beeinflusst von unserer inneren Uhr beziehungsweise dem zirkadianen Rhythmus. Dazu zählt unter anderem auch, sich nach dem Sonnenlicht zu richten.

Von Tennis-Ass Roger Federer weiß man, dass er bei Turnieren sogar neun Stunden schläft. Auch das macht Sinn. „Zum einen sind es sechs Zyklen à 90 Minuten, zum anderen geht man davon aus, dass die Reparaturprozesse im Körper, gerade die Muskelsynthese, acht Stunden Regeneration benötigen. Mit neun Stunden ist er auf der sicheren Seite“, so Graumann. Dieses Vorgehen empfiehlt er auch Hobbysportlern nach Rennen, harten Einheiten oder während eines Trainingslagers.

Dr. Lutz Graumann
Jens Voegele
Dr. Lutz Graumann, Sportmediziner: „Die Leistungssteigerung findet nicht im Training, sondern in der darauffolgenden Nacht statt. Denn: Gesunder Schlaf ist die wertvollste und wichtigste Regenerations­methode.“

Die Architektur des Schlafs

„Regenerativer Schlaf ist kein linearer Prozess. Er durchläuft verschiedene Stadien, die von Veränderungen der Gehirnaktivität, Augenbewegungen, Herz- sowie Atemfrequenz, Muskelspannung, Hormonspiegel und der Körpertemperatur geprägt sind“, so Graumann.

Um zu verstehen, wie wir schlafen, haben Wissenschaftler im Labor solche Schlafzyklen und ihre einzelnen Phasen untersucht. Beim Übergang vom Wachen zum Schlafen (N1) schlummern wir langsam ein und gehen in den Leichtschlaf (N2). Aus diesem können wir durch kleinste Geräusche oder Bewegungen herausgerissen werden. Haben wir dieses Stadium ungestört durchlaufen, folgt der Tiefschlaf (N3).

„Hier dopen wir uns ganz legal mit dem körpereigenen Wachstumshormon HGH“, erklärt Doc Graumann. Dessen anabole Wirkung lässt uns schneller, kräftiger und ausdauernder werden. „75 Prozent des menschlichen Wachstumshormons werden im Schlaf freigesetzt“, erklärt Graumann; mit ein Grund, warum guter Schlaf so wichtig ist.

Im Anschluss an den Tiefschlaf träumen wir. Im Traumschlaf oder, wissenschaftlich formuliert, dem Rapid Eye Movement arbeitet unser Gehirn erstmals im Schlaf auf Hochtouren. Jetzt werden die am Tage aufgenommenen Informationen verarbeitet. Motorisches Lernen wie zum Beispiel das Abspeichern von Bewegungsausführungen findet in dieser Phase statt.

Doch diese Zyklen sind störanfällig. Manchmal tauchen wir nur ein bis zwei Mal in die Tiefschlafphase ab und sind den Rest der Zeit beispielsweise eher in der Leichtschlafphase. Dies ist auch einer der Gründe, warum wir uns trotz ausreichender Schlafdauer nicht erholt fühlen.

Vieles, was am Tag geschieht, beeinflusst unser unterbewusstes Nachtleben. Dazu zählen etwa Sport, Ernährung, aber auch der Umgang mit Stress. Das Stresshormon Cortisol spielt hier eine entscheidende Rolle. Wie der Name schon sagt, wird es unter Anspannung produziert und beeinflusst so unseren Schlaf-Wach-Rhythmus.

Wer jetzt noch wenig schläft und sich dadurch weniger gut erholt, schüttet es vermehrt aus. Ein Teufelskreis – mit einem enormen Radius. Denn ein zu hoher Cortisolspiegel wiederum beeinflusst wichtige andere Stoffwechselprozesse wie unsere Fettverbrennung. „Menschen, die schlecht schlafen, neigen tatsächlich zu Übergewicht“, so der Doc.

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Unsere innere Uhr gleicht einem Kreislauf.

Nicht zu spät trainieren

Wann ist der richtige Zeitpunkt fürs Radtraining? Zugegeben eine akademische Frage, denn viele können nicht frei wählen, sondern müssen dann trainieren, wenn sie eine Lücke im Terminkalender finden.

Wer es sich aussuchen kann, sollte sein anstrengendes und intensives Training eher auf den späten Nachmittag verlegen. Denn hier arbeitet das Herz-Kreislauf-System am effizientesten – nach dem zirkadianen Rhythmus. Allerdings: Harte Einheiten zu spät am Abend putschen den Organismus auf, da für die Leistungserbringung sämtliche Systeme hochgefahren werden und der Sympathikus „in Rage kommt“.

Die Folge: Es fällt vielen Menschen schwer, gut einzuschlafen. Daher sollte rund drei Stunden vor dem Zubettgehen nicht mehr intensiv trainiert werden. Für lockere beziehungsweise regenerative, kürzere Einheiten gilt das nicht, sie können sogar entspannen und helfen, Stress abzubauen.

„Wer nur abends Zeit hat zu trainieren, sollte mit dem Cool-down bereits auf dem Rad beginnen, um die entspannende Phase einzuläuten und den Puls herunterzufahren“, so der Mediziner. „Im Anschluss sollte er sich dann nicht mehr mit komplexen Themen beschäftigen, sondern sich bemühen, in den Relax-Modus zu kommen“, empfiehlt Graumann. Wie das gelingt, zeigen folgende Tipps.

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Michael Werlberger
Eine Runde durch die Nacht – macht Spaß, verringert aber auch die Dauer des Schlafs.

Checkliste für gesunden Schlaf

  • Immer zur gleichen Zeit schlafen: Wer aus eigener Beobachtung weiß, wie viel Schlaf er benötigt, sollte einen regelmäßigen Schlafplan einhalten und idealerweise jeden Morgen zur gleichen Zeit aufstehen – auch am Wochenende. Sonst kann es am Montag zu einem unangenehmen „Rebound-Effekt“ kommen.
  • Schlaf vorbereiten: Dr. Graumann empfiehlt, sich einen Alarm rund 60 Minuten vor dem Zubettgehen zu setzen, um dann langsam runterzukommen: Licht dimmen, Fernseher ausmachen, ein Bad nehmen, Buch lesen, Meditationsübungen machen oder drei positive Dinge des Tages reflektieren – all das kann helfen, loszulassen – und zu entspannen.
  • Blaulichtfilter einsetzen: Das Licht von Bildschirmen stört unser Einschlafverhalten extrem, denn es bringt den Hormonhaushalt durcheinander und hält uns so länger wach. Wer abends fernsieht, auf dem Tablet spielt, am Handy Nachrichten liest oder am Computer arbeitet, kann dieses blaue Licht mit der Software F.lux filtern. Sie verringert tageszeitabhängig den Anteil des blauen Lichts. Übrigens: Das Tool Nightshift von Apple ist zu schwach und filtert blaue Strahlen nur unzureichend. Eine andere Möglichkeit, das Wachmacher-Blau zu dimmen, ist das Tragen einer speziellen Brille mit orangefarbenen Gläsern.
  • Licht ausschalten: Der Raum sollte so dunkel wie möglich sein.
  • Cool-down: 16 bis 18 Grad betrachten Wissenschaftler als die ideale Temperatur im Schlafzimmer.
  • Geräuschquellen eliminieren: Den schnarchenden Partner ins andere Zimmer verbannen – nach Ansicht von Schlaf- und Beziehungsexperten eh sinnvoll – oder gute Ohrstöpsel verwenden.
  • Elektromagnetische Strahlung minimieren: Alle Geräte, die Strom verbrauchen, idealerweise aus dem Schlafzimmer verbannen oder komplett ausschalten. Das Handy, wenn es als Wecker fungieren soll, in den Flugmodus schalten; idealerweise zum batteriebetriebenen Wecker oder dem Haustier, das einen weckt, zurückkehren.
  • Kein Kaffee nach 14 Uhr: Die aufputschende Wirkung des Koffeins wirkt nach. Zwar dauert der belebende Effekt bei jedem verschieden lange an, aber dies kann als allgemeingültige Empfehlung gegeben werden: kein Kaffee mehr nach 14 Uhr. Ebenfalls stimulieren Vitamin C und Antioxidantien in Form von Tabletten oder Pulver sowie scharfe Gewürze den Organismus und halten einen wach.
  • Alkohol ist kein Schlummertrunk: Bier und Wein können zwar ab einer bestimmten Dosierung schön müde machen, doch wenn der Organismus die regenerierende Tiefschlafphase erreicht, empfindet er diesen als Störenfried. Solange Alkohol entgiftet werden muss, kann kein erholsamer Schlaf einsetzen. Daher dem Organismus mindestens 90 Minuten nach dem letzten Schluck Zeit geben, damit man wirklich nüchtern ins Bett geht.

Powernap: Die extra Schicht Schlaf für zwischendurch

Der Mittagsschlaf war jahrelang verpönt, da er alten Menschen oder den nicht leistungsfähigen vorbehalten war. Eben denjenigen, die nachts ihren Schlaf nicht fanden und ihn tagsüber nachholen mussten. Doch das Nickerchen am Nachmittag ist eine ideale Erfrischung für jeden – ob Schreibtischarbeiter oder Sportler.

Vor allem, wenn Zeitpunkt und Dauer richtig gewählt werden, steckt dieser Nap voller Power. Zwischen zehn und 25 Minuten sollte die Extraschicht Schlaf dauern, so die Meinung von Experten. Denn eines darf nicht passieren: Man darf nicht aus der REM oder Tiefschlafphase herausgerissen werden, da man sich sonst schlaftrunken und kaputt fühlt. Wer länger schlafen will beziehungsweise kann, sollte dann schon den kompletten, 90 Minuten dauernden Zyklus, den er auch in der Nacht mehrmals durchläuft, absolvieren.

Schlafen ist gesund
Benjamin Hahn Fotografie
Schlafen auf dem Arbeitsplatz – regeneriert, erfreut aber sicherlich nicht den Arbeitgeber.

Neben der Schlafdauer ist die Tageszeit ein wichtiger Faktor, der berücksichtigt werden muss. Unsere Körpertemperatur fällt jeden Tag zwischen 14 und 16 Uhr ab, das Gleiche geschieht zwölf Stunden später übrigens auch, wenn wir schlafen. Diese Verringerung der Körpertemperatur signalisiert dem Gehirn, das „Schläfrigkeitshormon“ Melatonin zu produzieren, was zur Folge hat, dass wir müde werden.

„Dieses klassische Nachmittagstief sollten wir uns zunutze machen und mit dem Powernap füllen“, empfiehlt der Arzt Dr. Lutz Graumann. „Wir schlafen leichter ein und fühlen uns beim Aufwachen eher erfrischt. In Studien hat man auch herausgefunden, dass die kognitive Leistungsfähigkeit, sprich die Gedächtnisleistung, durch solch ein Mittagsschläfchen zunimmt und durch die Entspannung auch Stresshormone wie Cortisol weniger werden“, so der Mediziner weiter.

Schlummertrunk und Betthupferl

Es gibt verschiedene Lebensmittel, die einen tatsächlich besser schlafen lassen können. Denn diese Betthupferl besitzen entweder das „Schlafhormon“ Melatonin oder die Aminosäure Tryptophan, die als Zulieferer des Botenstoffs Serotonin für den Schlaf-Wach-Rhythmus von großer Bedeutung sind.

Sehr reich an Melatonin ist beispielsweise die Sauerkirsche Montmorency. Zwei Gläser Saft, über den Tag verteilt, sollen für einen tieferen und längeren Schlaf sorgen, so Studien. Walnüsse, Hafer und Bananen enthalten, verglichen mit anderen Lebensmitteln, ebenfalls viel Melatonin. Die Bildung von Tryptophan wird über den Verzehr von kohlenhydratreichen Speisen verbessert.

Generell gilt aber, vor dem Schlafengehen kleine Mengen an leicht verdaulichen Kohlenhydraten zu sich zu nehmen und zu diesem Zeitpunkt auf schwer Verdauliches wie Protein, Ballaststoffe und Fett zu verzichten. Außerdem sollte die letzte große Mahlzeit zwei bis drei Stunden vor der Nachtruhe eingenommen werden.

Schlafen ist gesund
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Bestimmte Nahrungsmittel können den Schlaf verbessern

„Oftmals lässt einen der Verzehr von sogenanntem Soulfood besser einschlafen“, sagt Dr. Lutz Graumann. „Mit einem Glas warmer Milch mit Honig oder dem nach Zimt duftenden Milchreis verbinden wir positive Erinnerungen an unsere Kindheit, die uns in eine relaxte Stimmung versetzen.“

Tipp für Sportler am Abend vor dem Rennen: Um das Leberglykogen, das der Organismus nachts „verbrauchen“ will, zu schützen, vor dem Einschlafen etwas Zuckerhaltiges essen oder trinken.

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Erscheinungsdatum 09.04.2024