Kaufberatung Rennrad
Tipps: So finden Sie ihr perfektes Rennrad!

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Alu oder Carbon? Felgen oder Scheibenbremsen? Welche Schaltung ist die richtige? ROADBIKE gibt Tipps zum Rennradkauf!

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Foto: Benjamin Hahn

Welche Bremsen, welche Schaltung? Ein Carbon- oder Alu-Rahmen? Beim Rennradkauf werden vor allem Rennrad-Neulinge mit einer Vielzahl von Entscheidungen konfrontiert. Da kann man schnell mal den Überblick verlieren. ROADBIKE gibt 11 Tipps für den Rennradkauf.

1. Wie viel Geld muss man für ein Rennrad ausgeben?

Wer sich ein neues Rennrad kaufen möchte, mit dem er auch dauerhaft glücklich werden möchte, sollte mit 900 bis 1000 Euro rechnen. Für das Geld kann man einen Alu-Rahmen und eine Ausstattung mit Shimano Tiagra Schaltung und Felgenbremsen erwarten. Wer Scheibenbremsen haben möchte, sollte bereit sein etwas mehr zu investieren. Diese kosten im Vergleich rund 200 Euro mehr als ein vergleichbares Rad mit Felgenbremse. Rennräder aus Carbon mit Felgenbremse fangen aktuell (Sommer 2020) bei rund 1700 bis 1800 Euro an, mit Scheibenbremse sind es rund 2000 Euro.

Wer einen aktuellen Disc-Renner aus Carbon mit einer Shimano Ultegra Schaltung fahren möchte, sollte mit rund 3000 Euro rechnen. Für die absoluten Top-Rennräder, wie sie auch die Profis fahren, können Sie leicht 8000, aber auch 10.000 Euro und mehr ausgeben.

2. Sollte man ein gebrauchtes Rennrad kaufen? Falls ja, worauf muss man achten?

Generell lässt sich natürlich mit einem gebrauchten Rad durchaus ein Schnäppchen machen, allerdings gibt es einige Dinge zu beachten. Zu allererst: Bei einem Privatkauf hat man in der Regel keine Garantie, also wenn etwas kaputt geht, hat man keinerlei Ansprüche. Deshalb sollten Sie das Rad auf jeden Fall persönlich in Augenschein nehmen, evtl mit einem erfahrenen Freund/Kollegen, und sich nicht nur auf Bilder im Netz verlassen, sowie zumindest eine kurze Probefahrt machen.

Besonders bei Carbon-Rennrädern sollten Sie das Rad auf eventuelle Sturzspuren/stärkere Kratzer untersuchen und im Zweifel die Finger vom Kauf lassen. Denn es ist von außen schwer nachvollziehbar, wie stark der Sturz war und ob der Rahmen in Mitleidenschaft gezogen worden ist.

Der zweite wichtige Aspekt: Auch vom günstigsten Angebot sollten Sie sich nicht verleiten lassen, ein Rad zu kaufen, dass nicht ihrer Größe entspricht (siehe auch Antwort auf die nächste Frage). Preislich sollten Sie außerdem noch einkalkulieren, dass sie einige Verschleißteile wie Reifen, Kette, etc. erneuern müssen. Da können schnell noch 100 bis 200 Euro zusätzlich draufkommen.

3. Wie finde ich die richtige Rahmengröße, und warum ist die so wichtig?

Gerade Neulinge lassen sich von guten Angeboten (oder umtriebigen Verkäufern) leicht dazu verleiten, ein Rennrad zu kaufen, dass nicht ihrer optimalen Größe entspricht, oft mit dem Hinweis, dass man ja die Sattelhöhe einstellen oder die Vorbaulänge entsprechend anpassen könne. Allerdings: Wer viele Stunden im Sattel verbringen möchte, braucht ein optimal passendes Rad, sonst drohen Rücken-, Knie- oder Nackenschmerzen, die jede Lust auf ausgiebige Rennradtouren verleiden.

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Christian Zimek
Beim Bikefitting wird der Radfahrer komplett vermessen.

Das Problem: Es gibt bei Rennrädern keine einheitlichen Größenangaben, diese unterscheiden sich von Hersteller zu Hersteller mitunter deutlich. Wer auf Nummer sicher gehen will, lässt sich vor dem Kauf von einem Bikefitter komplett vermessen, auch einige Fachhändler bieten einen solchen Service an. Die oftmals zur Rahmengrößenbestimmung verwendete Innenbeinlänge ist zwar ein erster Anhaltspunkt, lässt aber die Länge des Oberkörpers außer Acht. Diese ist aber entscheidend, ob ein Rad zu kurz oder zu lang ausfällt. Und im Gegensatz zur Sitzhöhe, die über die Sattelstütze in einem vergleichsweise großen Bereich angepasst werden kann, lässt sich die Sitzlänge nur schwer verändern, meistens auch mit einem mehr oder weniger großen Einfluss auf das Fahrverhalten.

Deshalb ist es gerade für Einsteiger gerade zu unverzichtbar, das gewünschte Modell in mehreren Größen auszuprobieren, um diejenige zu finden, auf der Sie sich am Wohlsten fühlen.

4. Aero oder Endurance? Wie unterscheiden sich die verschiedenen Rennrad-Varianten?

Rennrad ist nicht gleich Rennrad, es gibt Kategorien mit unterschiedlichen Ausprägungen. Das wichtigste vorab: Natürlich können Sie mit jedem Rennrad grundsätzlich alles machen, aber die Kategorien haben klare Stärken: Aero-Renner beispielsweise sehen windschnittig aus, sind aber meist etwas schwerer, bieten weniger Komfort und haben eine extremere, sportlichere und eher auf Profis zugeschnittene Sitzposition.

Wer etwas aufrechter sitzen und etwas mehr Komfort möchte, ist mit einem Endurance- oder auch Marathonrenner besser beraten. Und bevor Zweifel aufkommen: Natürlich sind diese auch absolut vollwertige und sportliche Rennräder.

5. Was ist ein Gravelbike?

Gravel-Rennräder liegen aktuell voll im Trend. Im Prinzip sind dies Rennräder mit einer eher aufrechteren, auf Langstreckenkomfort ausgelegten Rahmengeometrie, die ab Werk mit breiteren, mehr oder weniger stark profilierten Reifen ausgeliefert werden.

Der große Vorteil: Mit einem Gravelbike ist man nicht wie mit einem klassischen Rennrad auf asphaltierte Straßen oder Wege angewiesen, sondern kann auch problemlos und mit viel Spaß über Waldwege, Schotterpisten und leichtere Trails fahren und somit beispielsweise dem Straßenverkehr ausweichen. Gleichzeitig rollen sie aber auch noch gut über Asphalt. Mit einem zweiten Laufradsatz mit klassischen Rennradreifen ersetzen sie auch problemlos ein "normales" Rennrad.

6. Carbon oder Aluminium: Wo liegen die Unterschiede beim Rahmenmaterial?

War die Entscheidung über das Rahmenmaterial früher eine schwierige Entscheidung, stellt sie sich auf dem aktuellen Rennradmarkt kaum noch bzw. wird sie dem Kunden über den Preis abgenommen. Für weniger als rund 1700 bis 1800 Euro sind nahezu keine Marken-Carbonräder zu bekommen, fast alle in diesem Preisbereich angebotenen Räder sind aus Aluminium.

Im Preisbereich darüber ist hingegen Alu zur Rarität geworden und Carbonräder dominieren den Markt. Die Wahl, die man früher einmal hatte, für das gleiche Geld entweder einen Alu-Rahmen mit höherwertiger Ausstattung oder aber einen Carbonrahmen mit leicht abgespeckter Ausstattung zu kaufen, hat man aktuell nur noch in wenigen Ausnahmefällen.

7. Felgenbremse oder Disc: Was ist besser?

Scheibenbremsen sind aktuell zwar noch etwas teurer als Felgenbremsen, aber die Entwicklung im Rennradbereich geht ganz eindeutig in Richtung Scheibenbremse. Sicher anhalten lässt sich mit beiden Systemen.

Für die Scheibenbremse spricht, dass sie unter allen Wetterbedingungen ähnliche gute Perfomance bietet, während Felgenbremsen besonders bei Regen und Nässe leichte Nachteile haben, insbesondere bei Laufrädern mit Carbon-Bremsflanke. Außerdem ist für eine starke Bremsung viel weniger Handkraft nötig als bei der Felgenbremse und die Bremskraft lässt sich leichter dosieren.

Für die Felgenbremse spricht hingegen nicht nur das geringere Gewicht, sie ist auch in der Wartung leichter.

8. Claris, Sora, Tiagra oder 105: Wie unterscheiden sich die verschiedenen Schaltgruppen?

Egal ob Campagnolo, Sram oder Shimano: Alle Gruppenhersteller haben verschiedene Schaltungen im Angebot, die sich in ihrer Wertigkeit und vor allem im Gewicht unterscheiden. Marktführer, vor allem im günstigeren Bereich, ist Shimano. Die einfachste, an günstigen Rennrädern zu findende Schaltgruppe ist die Claris, die allerdings nur 8-fach ist, d.h. eine Kassette mit acht Ritzeln bietet. Mit einem Ritzel mehr wartet die darüber angesiedelte Shimano Sora auf, dann folgt die Shimano Tiagra, die bereits über ein 10 Ritzel verfügt und nach Einschätzung der ROADBIKE-Redaktion die günstigste Gruppe ist, mit der man solide und dauerhaft Spaß auf dem Rennrad hat. Endgültig im grundsoliden Bereich ist man mit Shimanos Klassiker 105 angelangt, die mit ihren 11 Ritzeln quasi die identische Technik wie die aktuellen Shimano-Topgruppen Ultegra und Dura Ace enthält und sowohl als Felgen- wie auch Scheibenbrems-Version erhältlich ist.

9. Worauf sollte man bei der Übersetzung achten?

Aktuell sind die meisten Räder entweder mit einer 50/34er Kompaktkurbel ausgestattet, aber auch sogenannte "Semi-Kompaktkurbeln" mit 52/36 sind vergleichsweise häufig zu finden. Fast völlig verschwunden sind die eigentlichen "Standard-Kurbeln" mit einer Kettenblatt-Kombination 53/39, nur auf älteren Gebrauchträdern können diese noch zu finden sein. Für Anfänger sind allerdings nur Kompakt-, bzw. Semi-Kompaktkurbeln empfehlenswert, um auch steilere Anstiege gut bewältigen zu können. Die früher noch öfter zu sehenden Dreifach-Kurbeln sind hingegen aus dem Rennradbereich nahezu völlig verschwunden.

Passend dazu sollte am Hinterrad eine Kassette mit entsprechend großem Ritzel montiert sein, 28er Ritzel sind hier aktuell der kleinste Standard, wer nicht ausschließlich im Tiefland fährt, sollte aber besser zu einem 30er oder gar 32er Ritzel greifen. Es gibt sogar mittlerweile 34er Ritzel, damit sollten auch steilere Anstiege gut zu bewältigen sein.

Die meisten aktuellen Rennrad-Gruppen bieten Kassetten mit 11 oder 12 Ritzeln (=Gänge) an, ältere Gruppen haben dagegen meist nur 10 oder noch weniger Ritzel. Das wirkt sich in der Abstufung aus: Je mehr Gänge, desto feiner sind die Schritte dazwischen.

Zwar lässt sich die Gangabstufung auch nach dem Kauf noch perfektionieren, vor allem wenn Sie ihren Renner einfach mal eine Zeit lang gefahren sind und besser einschätzen können, was sie genau brauchen, aber wenn Sie gleich auf das richtige Pferd setzen, sparen Sie natürlich Geld und Aufwand. Greifen Sie im Zweifel immer zu kleineren Gängen, also beispielsweise einer 50/34er Kurbel und einem 32er oder gar 34er Ritzel.

10. Fachhandel oder Direktversender – wo sollte ich mein Rennrad kaufen?

Direktversender wie Rose, Canyon oder Radon sparen sich die Marge für den Händler und können daher oftmals ein besseres Preis-Leistungsverhältnis anbieten. Wer also für sein Geld den maximalen Gegenwert bekommen möchte, kommt oftmals an den großen Direktversendern nicht vorbei.

Allerdings hat der Online-Kauf auch Nachteile: Es fehlt der persönliche Ansprechpartner vor Ort, Probefahrten mit Rädern in verschiedenen Größen sind nicht oder nur mit hohem Aufwand möglich (bspw. am Canyon Headquarter in Koblenz oder den Rose Bike Towns).

Gerade Einsteiger profitieren davon, wenn sie fachkundig beraten werden und die Produkte in Augenschein nehmen und ausprobieren können. Und auch im Anschluss an den Kauf ist ein Anlaufpunkt für Service, Wartung und Reparaturen hilfreich, wenn man nicht in der Lage oder willens ist, alle Arbeiten selbst auszuführen.

Allerdings: Nicht jeder Fahrradladen führt auch Rennräder, bzw. hat Expertise in diesem Bereich, von daher sind mitunter längere Wege nötig, besonders wenn beispielsweise eine bestimmte Marke im Blick ist. Gleichzeitig arbeiten die Versender daran, ihren vor-Ort-Service zu verbessern. Entweder indem sie mit bestimmten Händlern kooperieren oder einen mobilen Werkstattservice anbieten.

11. Was brauche ich jenseits des Rennrads an Ausrüstung unbedingt? Und welches Budget muss ich dafür noch einkalkulieren?

Leider ist es mit der Anschaffung eines Rennrads noch nicht getan. Zu den absoluten Basics gehört außerdem eine spezielle Radhose mit Trägern und integriertem Polster. Diese wird ohne Unterwäsche direkt auf der Haut getragen – keine Sorge, dafür sind sie gemacht. Die Träger sorgen für den sicheren Halt. Klassische Baumwoll-Unterwäsche saugt sich mit Schweiß voll, wird nass, wirft Falten und verursacht so Scheuerstellen, die sich umso schmerzhafter bemerkbar machen, je länger die Fahrt dauert.

Idealerweise kombinieren Sie die Hose mit einem Radtrikot, das ebenfalls Schweiß nicht aufnimmt und speichert, sondern zur Kühlung an die Umgebung abgibt und sich so trocken anfühlt. Für Hose und Trikot sollten zusammen rund 100 Euro einplanen. Unverzichtbar ist außerdem ein Helm, er ist in der Regel der einzige Schutz, den Sie beim Fahren haben. Deshalb sollten Sie niemals ohne losfahren. Gute, nicht zu schwere und ordentlich belüftete Helme gibt es ab rund 60 Euro.

Die meisten Rennräder werden ohne Pedale ausgeliefert – ein Fakt, der manche Neulinge überrascht. Und auch, wenn die Vorstellung, fest mit seinem Fahrrad verbunden zu sein, viele erst einmal abschreckt, sollten Sie sich von Anfang an an die Klickpedale gewöhnen. Wenn Sie das Aus- und Einklicken zu Beginn regelmäßig üben, geht ihnen der Vorgang bald in Fleisch und Blut über.

Und, keine Sorge, sollten Sie dennoch einmal hinfallen, weil Sie den Fuß nicht rechtzeitig aus dem Pedal bekommen haben: Das ist wirklich jedem Rennradfahrer schon mal passiert. Für Pedale samt passender Rennrad- oder auch MTB-Schuhe sollten Sie zusammen noch einmal rund 100 bis 120 Euro einplanen.

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Erscheinungsdatum 05.03.2024