Rennrad-Hotspot Girona
Die besten Touren rund um Girona

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Viele Rennrad-Profis haben in Girona ihre zweites Zuhause gefunden. ROADBIKE hat "erfahren", was sie an dieser Stadt so magisch anzieht.

Radreise Girona
Foto: Dan Zoubek

Es dauert etwa 20 Kilometer, dann ist Schluss. Am ersten und im Prinzip auch einzigen nennenswerten Anstieg des Tages verschärft die Gruppe um einen gewissen Simon Gerrans, seines Zeichens bis 2018 Radprofi in Diensten von Teams wie Sky, Orica oder BMC, das Tempo. Vorne treten sie rein, hinten verliere ich den Anschluss. Doch wie es sich für eine Trainingsrunde in der Gruppe gehört, wird an der Kreuzung nach der folgenden Abfahrt gewartet – auf mich und die weiteren Abgehängten des rund 60 Köpfe zählenden Feldes.

"Hey Jack, die Rede war von einer entspannten Sonntagsrunde", beschwere ich mich bei einem generell gut informierten Mitfahrer. Der junge Brite schaut kurz auf seinen Radcomputer, dann entgegnet er: "30er Schnitt? Das ist doch entspannt!"

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Strand in Sicht! Rund 40 traumhafte Kilometer von Girona entfernt liegt das Ferienörtchen Tossa de Mar.

Wir sind mittendrin in der berühmt-berüchtigten "Sunday Salida" rund um das Radsport-Mekka Girona im Nordosten Spaniens. Oder wie die Einheimischen sagen würden: im Herzen Kataloniens. Die Sunday Salida ist die für alle Interessierten offene Ausfahrt des jungen und doch fast schon legendären Radladens "The Service Course", den der kanadische Ex-Profi Christian Meier gemeinsam mit seiner Frau Amber führt. "Der Ursprung der Salida geht darauf zurück, dass Christian auch nach seiner Zeit als Profi zumindest noch einen Tag in der Woche haben wollte, an dem er es sich so richtig einschenken kann", erklärt mir ein deutscher Girona-Insider beim Kaffee nach der ziemlich flotten Aus- fahrt. Das erklärt natürlich so einiges.

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Dan Zoubek

"Zwei Tage sind definitiv nicht genug, um Gironas Reize zu erkunden. Ich komme wieder, keine Frage." Felix Krakow

Den After-Ride-Kaffee genießen wir in der Frühjahrssonne auf einem kleinen Platz in der verwinkelten Altstadt Gironas. Wer beim Kaffee auf den Treppenstufen vor dem "La Fabrica" sitzt, kann fröhliches Profisport- lerzählen mit Stars aus Radsport und Triathlon betreiben. "Den kenn ich doch, wer ist das noch gleich, ach guck mal, da ist doch ..." Das Café ist ein Szene-Treff unter Gironas Radsportlern – und der Ursprung von Christian und Amber Meiers Selbständigkeit. Die einmaligen Trainingsbedingungen und die für Profiradsportler günstigen Lage in Europa hat die beiden in die Stadt gebracht.

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City life Girona: Guide Peter zeigt einige der eindrucksvollsten Gebäude der Stadt.
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... So wie die Kathedrale mit ihrer berühmten Freitreppe. ...
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Auf einer anderen Treppe sitzen die Radsportler und warten auf den After-Ride-Kaffee.

Endstation Paradies

Doch während ihr Mann trainierte oder den Großteil der Saison bei Rennen rund um die Welt unterwegs war, wollte seine Frau nicht nur Däumchen drehen und die Frau des Profisportlers sein. Und so eröffneten die beiden erst das Radsport-Café, bald darauf eine eigene Rösterei um die Ecke – und schließlich den stilvollen Fahrradladen "The Service Course".

Genau wie Christian und Amber hat auch ihr kanadischer Landsmann Peter Gaskill in Girona seine neue Heimat gefunden. Jahrelang war er mit seinem Rad in der Welt unterwegs, bis er irgendwann durch Girona rollte und wusste: "Das ist es!" Mittlerweile ist er als Guide für Kunden von "The Service Course" aktiv – und nimmt mich als solcher mit auf eine seiner

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Dan Zoubek
Kurven satt warten auf den vielen Traumrunden zwischen der Costa Brava und den Pyrenäen.

Lieblingsrunden: den Coast Loop ans Mittelmeer und wieder zurück. Erste wesentliche Erkenntnis der Runde: zu zweit Seite an Seite plauschend fährt es sich deutlich entspannter als im von einem Ex-Profi angeführten Feld. Zweite wesentliche Erkenntnis: verlässt man die malerische Altstadt Gironas, geht es erstmal durch die für südeuropäische Großstädte so typischen Außenbezirke mit ihren ewig langen Straßen und eintönigen Häuserblöcken. Und die dritte Erkenntnis schließlich: Kaum haben wir die Stadt hinter uns, wird es richtig schön. Und vor allem: so unheimlich grün. Eine Seite Spaniens, die zumindest viele Strandurlauber kaum kennen. "Wie gesagt: für die meisten hier ist das ja auch nicht Spanien", erklärt Peter, der selbst wiederholt zwischen Katalonien und Spanien unterscheidet.

Lockruf der Pyrenäen

Wir rollen flach bis zum Städchen Llagostera, dann beginnt der Aufstieg des Tages nach Sant Grau. Eigentlich heißt der Berg Montagut, doch ähnlich wie mancher Anstieg auf Mallorca wird er im Radfahrer-Volksmund meist nach dem am Hang liegenden Kloster benannt: der Ermita de Sant Grau. Wir klettern die weiten Kurven durch den Wald, als Peter meint: "Man soll im Leben ja eher nach vorne als zurück blicken, aber jetzt wäre doch mal ein guter Zeitpunkt." Ich drehe den Kopf, bin verzaubert und muss kurz anhalten, um den Moment aufzusaugen. Durch eine Lichtung in der Baumreihe sehe ich das in der Sonne liegende Llagostera, dahinter Girona nebst Hausberg Rocacorba – und am Horizont die mächtigen, schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen. Auch das Hochgebirge ist von Girona aus per Rennrad zu erreichen – allerdings wäre das so früh in der Saison keine gute Idee. Stichwort: schneebedeckt.

Wir klettern stattdessen weiter Richtung Sant Grau, überwinden die Passhöhe und gehen in die Abfahrt über. Und schon ist wieder Staunen angesagt. Wenige Minuten liegen zwischen dem Blick auf die weißen Pyrenäen und dem, was da jetzt vor mir auftaucht: eine vielfach gewundene Straße durch den Wald und dahinter das funkelnde Meer. "Viele wissen ja gar nicht, dass sie von Girona aus in 40 Kilometern an den Stränden der Costa Brava sind", sagt Peter. Dann schießen wir Richtung Küste, durch eine Abfahrt mit genialer Mischung aus mal engen und mal schnellen Kurven und geraden Highspeed-Passagen.

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An der "wilden Küste"

Unten biegen wir auf die Küstenstraße zwischen Tossa de Mar und Sant Feliu de Guíxols. In ständigem Auf und Ab und mit bestem Meerblick windet sich die Straße entlang der Küste. "Diese 20 Kilometer gehören definitiv zu dem Schönsten, was die Mittelmeerküste dem Rennradfahrer zu bieten hat", schwärmt Peter, ehe wir uns auf den welligen Rückweg nach Girona machen.

Zurück in der Stadt wartet erst ein heißer Kaffee, dann die heiße Dusche und schließlich noch die Sightseeing-Tour durch die Altstadt – diesmal aber per pedes. Links, rechts, hoch und runter geht es durch das Labyrinth der schmalen Gassen, vorbei an Cafés, Bars, Bäckereien, kleinen Läden und vor allem mitten durch die weit ins erste Jahrtausend zurückreichende Geschichte der Stadt. Nicht umsonst haben die Location-Scouts der Blockbuster-Serie Games of Thrones die Stadt für sich entdeckt. Und wie auf Bestellung stehen wir vor den Kathedrale Santa Maria mit ihrer imposanten Freitreppe, die auch in der berühmten Serie eine große Rolle spielt.

Wir erklimmen die Stufen, umrunden das prächtige Gotteshaus und steigen weiter empor bis auf die Stadtmauer. Leuchtend liegt die Stadt in der Abendsonne vor uns, dahinter wie gemalt die weißen Gipfel der Pyrenäen. Morgen geht es wieder in die Heimat, aber eins steht fest: Girona ist definitiv noch die eine oder andere Reise wert. Denn hier gibt es noch jede Menge zu entdecken.

Höhepunkte

Gironas Hausberg heißt Rocacorba. Vom Stadtkern bis zum Gipfel sind es gut 30 Kilometer und 1000 Höhenmeter. Zudem finden sich im näheren und weiteren Umfeld der Stadt zahllose weitere spannende Anstiege.

Den besten Kaffee der Stadt zu küren fällt bei dem großen Angebot schwierig. Heißer Kandidat ist aber das Espresso Mafia. Hier röstet Ex-Profi Christian Meier seine Bohnen und steht ab und an selbst an der Espressomaschine.

Der hipste Radladen in Girona ist The Service Course. Von unfassbar heißen Traumrädern bis zu edlem Equipment gibt es hier alles, was das Herz begehrt.

Infocenter

Auf dem Rennrad die Hügel rund um die Stadt erklimmen oder per Fuß durch die Gassen der Altstadt schlendern: Girona lohnt sich für den Kurztrip genau wir für das ausgedehnte Trainingscamp.

Auf der Mauer

Am Ruhetag oder nach der Tour lohnt ein ruhiger Spaziergang durch die traumhafte Altstadt Gironas. Ein Highlight: der Gang über die Stadtmauer, am besten im Licht der Abendsonne.

Zur Mutter Gottes

Wenn es zur Mutter des Gottes der Berge geht, muss man wohl nicht mehr vieler Worte machen. Ungefähr so lässt sich der Name des Anstiegs Mare de Déu del Mont übersetzen. Von Girona aus sind es etwa 50 Kilometer und 1300 Höhenmeter bis zum Kloster auf diesem Gipfel der katalanischen Pyrenäen. Siehe Karte auf Seite 96.

Zum schnellen Sonntag

Die Sunday Salida ist ein Klassiker unter den Ausfahrten in Girona. Jeden Sonntag um 9:30 Uhr treffen sich die Teilnehmer vor dem The Service Course, um etwa drei bis vier Stunden lang ziemlich flott über die Straßen rund um Girona zu jagen. Dabei gilt: nach dem Anstieg wird gewartet.

Entdecken

Fakten

Mit seiner historischen Altstadt um die Kathedrale Santa Maria gilt Girona als ein Must-See in Katalonien. Die Stadt zählt rund 100 000 Einwohner, davon sind ein gefühltes Drittel aktive oder ehemalige Radprofis aus aller Welt. Sie lieben die Stadt für ihre hervorragenden Trainings- bedingungen und die gute Anbindung zu den wichtigsten Rennen der Welt.

Beste Reisezeit

Dank milder Temperaturen und hoher Bandbreite von Touren am Mittelmeer bis ins Hochgebirge bittet Girona das ganze Jahr über zum Rennrad-Trip. Im Hochsommer wird es allerdings an der Küste voll und im Hinterland mitunter sehr heiß.

Anreise

Bahn: Wer rechtzeitig bucht, kommt ab Frankfurt/Main für rund 130 Euro mit einem Umstieg in Paris nach Girona. Reisezeit: ca. 12 Stunden
Auto: Für die rund 1250 Kilometer von Frankfurt nach Girona fallen Sprit- und Mautkosten von etwa 190 Euro an. Fahrzeit ohne Stau: etwa 12 Stunden Flugzeug: Der 120 Kilometer von Girona entfernte Flughafen Barcelona wird von vielen deutschen Städten aus bedient. Direkt vor den Toren der Stadt liegt zudem der Flughafen Girona, der von Ryanair angeflogen wird. Flugzeit ab Frankfurt: etwa 2 Stunden.

Unterkunft

Hotel Nord 1901: Direkt gegenüber des Radladens The Service Course liegt das hübsche, kleine und auf Radsportler eingestellte Hotel. Die Poolbar lädt zum stilvollen Regenerieren nach der Tour. Einfacher und günstiger sind die zum Hotel gehörigen Appartements mit ein oder zwei Schlafzimmern.

Essen & Trinken

La Fábrica: Nicht nur unter den Rennradfahren hat sich das Café im Herzen der Altstadt schnell zu einem Kult-Treff entwickelt. Hier trifft man sich nach der Ausfahrt zu Kaffee und mehr – oder auch zum leckeren Sportler-Frühstück.

Brots de Vi: Schickes Ambiente, ausgefallene Speisen und vor allem richtig gute Küche mit regionalen Zutaten bietet das Restaurant in Gironas Altstadt. Tipp: das hausgemachte Hummus und ein Glas Naturwein. Wichtig: unbedingt vorher einen Tisch reservieren.

Katalanisch für Radsportler

Die wichtigsten Vokabeln für den Girona-Trip: Rennrad:

Bicicleta de carretera

Luftpumpe: Bomba d‘aire

Energieriegel: Barra energètica

Hungerast/Schwächeanfall: Defalliment

Ein(en) Milchkaffe/Wasser/Bier bitte: Un cafè amb llet/aigua/cervesa, si us plau.

Wie komme ich nach ...: Com puc arribar a ...

langsamer: més lent schneller: més ràpid

Hier finden Sie die Touren-GPS-Daten zum kostenlosen Download:

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5 / 2024
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Erscheinungsdatum 09.04.2024