Auf dem Bodensee-Königssee-Radweg
Bis zum Echo

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Den Hafen von Lindau bewacht ein Löwe, über den Königssee schallt ein Echo. Dazwischen liegen 453 Kilometer auf dem Bodensee-Königssee-Radweg.

Bodensee Königsee Rennradtouren
Foto: Markus Kirchgessner

Die komplette Tour vom Bodensee an den Königsee in vier Etappen

Etappe 1

Länge115,69 km
Dauer4:49 Std
SchwierigkeitsgradSchwer
Höhenunterschied1199 Meter
Höhenmeter absteigend728 Meter
Tiefster Punkt396 m ü. M.
Höchster Punkt m ü. M.
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Etappe 2

Länge123,69 km
Dauer5:05 Std
SchwierigkeitsgradSchwer
Höhenunterschied1001 Meter
Höhenmeter absteigend1183 Meter
Tiefster Punkt869 m ü. M.
Höchster Punkt m ü. M.
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Etappe 3

Länge114,87 km
Dauer4:49 Std
SchwierigkeitsgradSchwer
Höhenunterschied1149 Meter
Höhenmeter absteigend1317 Meter
Tiefster Punkt692 m ü. M.
Höchster Punkt m ü. M.
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Etappe 4

Länge99,51 km
Dauer4:50 Std
SchwierigkeitsgradMittelschwer
Höhenunterschied872 Meter
Höhenmeter absteigend785 Meter
Tiefster Punkt523 m ü. M.
Höchster Punkt m ü. M.
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Stolz wachen Löwe und Leuchtturm an der Hafeneinfahrt in Lindau. Es ist der Ausgangspunkt unserer Reise gen Osten – Richtung Königssee. Kaum haben wir den Bodensee hinter uns gelassen, schleicht sich das Allgäu fast unmerklich unter die Reifen. Zwischen sanften Hügeln und weiten Weiden verläuft in harmonischem Schwung die meist einspurige Fahrstraße.

Für die akustische Untermalung bimmeln und schmatzen Kühe am Wegesrand. In den kommenden Tagen wird uns der Duft frisch gemähter Wiesen immer wieder über weite Strecken begleiten. Kleine Waldabschnitte dienen der Abkühlung, und kurz vor der Badwirtschaft Malleichen graveln wir plötzlich einen schmalen Anstieg empor, als sollten wir uns die erste Halbe auch wirklich verdienen. "Sind diese ersten 40 Kilometern vielleicht eine Art einführende Zusammenfassung, die die restliche Strecke schon mal andeutet?", rufe ich Markus zu. Ich werde damit schließlich gar nicht so falsch liegen.

Vor unserem ersten Tagesziel Stiefenhofen zeigt sich der BoKö, wie wir ihn mit gespitzten Lippen vornehm bezeichnen, erstmals von seiner anspruchsvollen Seite: zwei unmittelbar hintereinander liegende Anstiege, für die ich gerne aus dem Sattel gehe. Alles in allem jedoch verteilen sich die etwa 4500 Höhenmeter recht ausgeglichen auf die Gesamtstrecke – eine harmonisch angelegte Berg- und Talfahrt."An diesen Anstiegen erkenne ich immer, wer den Radweg auch weiterhin locker nehmen wird", erklärt uns Axel Kulmus, selbst Rennradfahrer und "der Kräuterwirt" aus Stiefenhofen. "Einmal lag hier eine Frau auf der Ofenbank und schlief, weil ihr die letzten drei Kilometer vor Stiefenhofen den Rest gegeben hatten. Sie wollte keinen Kilometer weiter. Unser Haus war ausgebucht, aber sie beharrte darauf, zu bleiben."

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Markus Kirchgessner

Am nächsten Tag: Regen. Als es einmal kurz aufhört, starten wir und sind über jeden trockenen Meter froh. Spätestens beim Rottachsee regnet es sich allerdings ein. Regenschleier schränken die Nahsicht ein, Wolken den Blick bis zur nächsten Kurve. Dicht drängen sich Kühe unter den charakteristisch alleinstehenden Linden und Eichen. Akzeptanz ist das Zauberwort: wahrnehmen, wie die Reifen in den Pfützen greifen, ein Gefühl dafür bekommen, dass der Bremsweg nun ein längerer ist. Und eintauchen in die Atmosphäre, die das ausgedehnte Tiefdruckgebiet zu erzeugen vermag.

"Welche Bergkulisse würden wir eigentlich sehen, wären die Wolken weg?", frage ich Markus auch am nächsten Tag immer wieder – von Oy-Mittelberg, dem höchsten Punkt des BoKö, an dem wir in einer überlaufenden Regenwolke vorbeigeschoben werden, über Hohenschwangau bis zur Wieskirche. Wir müssen wohl bei den Postkartenständern nachsehen. Doch gerade Schloss Neuschwanstein spiegelt mit tief hängenden Regenwolken die Gemütslage seines Erbauers Ludwig II. womöglich sogar realistischer als bei strahlender Sonne, macht die Geschichtsschreibung doch kein Geheimnis aus dessen tiefer Schwermut.Die Ammergauer Alpenvorlandschaft ist abwechslungsreich, sie beinhaltet kleine exquisite Anstiege, wie bei Wildsteig.

Sattgrün, moosgrün, tannengrün, gelbgrün, blaugrün rauschen Wiesen, Tannen, Linden an uns vorüber. Bergauf, bergab, vorbei an mit Schindeln verkleideten Höfen oder weiß gekalkten Ställen windet sich die kleine Fahrstraße. Bei Kilometer 153 in Halblech ist Erstkommunion, die Dorfbewohner sind in Tracht gekleidet, die Musikinstrumente auf dem Kirchplatz deutlich hörbar. Uns zum Nachteil sind Wirtshäuser an solch einem Tag natürlich den Einheimischen vorbehalten.

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Markus Kirchgessner

Also reden wir unseren Mägen gut zu, die nächste Wirtschaft komme sicher bald. Wir sind schließlich in Bayern, dort hungert man nicht, dort kehrt man ein. Tatsächlich, in Bad Saulgrub im "Bayrischen Paradies" erwartet uns eine kleine Karte mit ausgezeichneten Produkten aus der näheren Umgebung – es kann sehr einfach sein, hungrige Radler glücklich zu machen.

Eine besondere halbe Stunde, wenn die Welt nach eineinhalb Tagen im Regen wieder aufersteht, wird uns mit Einfahrt ins Murnauer Moos im Licht der Abendsonne präsentiert. Mit jeder Umdrehung atmen wir feuchtes Moor und leichten Wind. Schilf und Moosblumen stehen wie frisch gewaschen in der weiten Ebene. Und noch bevor die Sonne die Wolken besiegt, hört man, dass sich die Kühe wieder bewegen, ein Schmatzen, zaghafte Schritte, schließlich ist das Bimmeln der Kuhglocken wieder allgegenwärtig. Im Glück dieser wärmenden Vorabendstunden nehmen wir kaum wahr, dass einige der Wegabschnitte durchs Moos nicht asphaltiert sind.

Erstaunlich, dass wir, nur mit Frontbag, Rahmentasche und "Arschrakete" bepackt, für alle Widrigkeiten ausgestattet sind: Regenkleider, Abenddress, Badehosen und Fotoausrüstung, Pumpe und Reparatur-Set, Wasserflaschen und Riegel haben Platz. Mehrtagestouren mit dem Rennrad sind gut machbar, auch wenn das Rennrad dabei von seinem Luxus der Leichtigkeit einbüßt.

"Kann es sein, dass nach Kochel zwar die Wirtshausdichte zunimmt, aber gleichzeitig auch die unasphaltierten Wege?", fragt Markus tags darauf mit einem Blick auf seine schmalen Rennrad-Pneus. Je weiter sich die Route nach Osten bewegt, umso häufiger und gröber werden die Gravel-Abschnitte. Passenderweise bekennt Thomas Albrecht, ehemaliger Rennradprofi, der heute das Hotel Post in Rohrdorf betreibt: "Zwischen Kochel und dem Tegernsee fahre ich am liebsten auf der Straße." Seine Radfahrerfahrung und die Tatsache, dass seine Frau, seine Kinder und er selbst die Ferien am liebsten auf dem Rad verbringen, sind im Hotel und Gasthof allgegenwärtig, unter anderem steht eine gut ausgestattete Werkstatt zur Verfügung. "Bei diffizileren Reparaturen schau ich lieber mal mit drauf!", lacht Albrecht.

Etliche Wirte entlang dem Bodensee–Königssee-Weg sind auf Radler eingestellt, mit Fahrradställen, Reparaturmöglichkeiten und einer, "wenn es sich anders nicht ausgeht", auch späten Mahlzeit. Das kann leicht passieren. Beispielsweise wenn, wie in Rottau, die Dorfstraße "wegen Blasmusik heute gesperrt" ist. "Die Radler sind mir die Liebsten. Die ham Hunger und Durscht!", sagt Frau Weiß von der Forelle in Eisenärzt augenzwinkernd. Vor ihrem Gasthof rauscht die Traun – unsere letzte Pause vor dem Ziel.

In der Gegend wurde einst Eisen gewonnen und Salz transportiert. Salz, das Gold des Mittelalters, und dessen Gewinnung haben in den vergangenen Jahrhunderten zu Kahlschlägen geführt, die auch in früheren Zeiten schon Katastrophen herbeiführten: Hänge rutschten ab und verschütteten Dörfer, und so verlagerte sich die Salzgewinnung, die in den Alpen begann, immer weiter ins Trauntal hinein. "Selbst die Traun ging uns teils über die Ufer. Aber so schlimm wie drunt’ in Berchtesgaden war es hier nicht." Erst wenige Tage zuvor wurde die Königsseer Ache zum reißenden Fluss, ließ Keller volllaufen und machte Häuser unbewohnbar.

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Markus Kirchgessner

Unsere Tour konfrontiert uns fast täglich mit überschwemmten Wegen und erinnert so stets an die Katastrophe im Ahrtal und den umliegenden Regionen. Beim Durchfahren fragen wir uns, wie nah der Klimawandel wohl schon gekommen ist. Die meisten der vielen Seen hingegen, die den Radweg flankieren, hüllen sich in ihrer Klarheit und Ruhe in unschuldige Weltvergessenheit – kein Wässerchen scheint hier getrübt.Am Königssee angekommen, umrahmt von den mächtigen Bergen des Berchtesgadener Landes, endet die Tour mit einer Fahrt im Elektroboot.

Dass nur solche den Königssee befahren dürfen, geht auf Prinzregent Luitpold im Jahr 1909 zurück. Wollte er die Natur schützen – oder es vor allem schön leise haben, wenn der Trompeter "Das Brautlied" spielt und das Echo vom Königssee es aus der Wand zurückwirft? Uns ist in diesem Moment jedenfalls klar: Wir sind am Ziel einer unvergesslichen Reise. Einer mit kleinem CO2-Fußabdruck.

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4 / 2024
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Erscheinungsdatum 05.03.2024