Appenzeller Land: Rennrad-Paradies südlich des Bodensees
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Hinter dem Bodensee, vom Säntis spektakulär überragt, lockt das wunderschöne Appenzeller Land Rennradler mit kupiertem Gelände.

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Foto: Peter Mathis

Fakten: Das Appenzeller Land liegt in der Ostschweiz, südlich des Bodensees. Es besteht aus den beiden Halbkantonen "Appenzell Innerrhoden" sowie "Appenzell Ausserrhoden". Es wird begrenzt von St. Gallen im Norden, dem Rheintal im Osten, dem Toggenburg im Westen und den Appenzeller Alpen mit dem 2502 m hohen Säntis im Süden.

Charakter: Das Appenzell ist eine von Weideland, Streusiedlungen und schmalen, verkehrs­amen Sträßchen geprägte sanfte Hügellandschaft. Alpine Pässetouren suchen Rennradler hier vergebens. Ausnahme: die Bergfahrt hinauf zur Schwäg­alp (1300 m, Tour 4). Die Herausforderungen liegen hier eher in den unzähligen kleinen Hügelrampen.

Anreise: Über Ulm kommend auf der Autobahn A 7 bis Memmingen, auf der A 96 zum Grenzübergang Lindau und auf der (österreichischen) Rheintalautobahn A 14 bis zur Ausfahrt Altach. Bei Mäder über die Schweizer Grenze und über Altstätten nach Appenzell (165 km/2 h ab Ulm).

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Hinter dem Bodensee, vom Säntis spektakulär überragt, lockt das wunderschöne Appenzeller Land mit tollen Strecken für Rennradfahrer.

Beste Reisezeit: Hier beginnt die Saison im April und endet im Oktober. Denn das Appenzell liegt durchschnittlich auf 800 Metern.

Karte: Bundesamt für Landestopographie, Blatt 5014 "St. Gallen, Appenzell" (1:50 000).

Info: Appenzeller Land Tourismus, Hauptgasse 4, 9050 Appenzell, Tel.: 00 41/71/7 88 96 41, www.appenzell.info

Touren

Appenzeller Land-Reportage: Perfect World

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Vier traumhafte Rennrad-Touren im Appenzeller Land.

"Das Schweizer Bankgeheimnis wankt, aber Hauptsache, das Appenzeller Käsegeheimnis bleibt." So wirbt der schauspielende Pop-Papi Uwe Ochsenknecht in einem erfrischend ironischen Werbespot für die würzigste ­Käsesorte der Eidgenossen.

Neben so viel Käse hat dieser kleine, in "Appenzell Innerrhoden" und "Appenzell Ausserrhoden" geteilte Kanton aber noch viel mehr Außergewöhnliches zu bieten: In beiden Teilen Appenzells dürfen Frauen heutzutage sogar zur Wahl gehen.

In ­Innerrhoden (das zweite "r" zu unterschlagen fände hier übrigens kaum jemand lustig) gibt es das Frauenwahlrecht seit 1990.

Dieses wurde skurrilerweise jedoch nicht von den Appenzellern und Appenzellerinnen initiiert, sondern ihnen per Bundesgerichtsbeschluss aufgezwungen.

Ein kleiner Trost für die 7500 Einwohnerinnen: Vorzeigedemokratien wie Armenien und Aserbaidschan waren in Sachen Frauenwahlrecht auch nur lächerliche 69 Jahre früher dran.

Und Afghanistan zog den Appenzellern sogar erst im Jahr 2003 nach. Und damit Schluss mit dem Käse! Die beiden Halbkantone Appenzell Außerrhoden und Appenzell Innerrhoden liegen rennradstrategisch günstig südlich des Bodensees, nur einen Katzensprung von der Rheintalautobahn entfernt.

Komplett im geografischen Würgegriff des Nachbarkantons St. Gallen sind die beiden (nach Basel Stadt) kleinsten Kantone der Schweiz das gelobte Land für Intervalltrainingsfans: nie hochalpin, aber immer wellig. Das Gute am Schönen: Die Appenzeller sind Perfektionisten vor dem Herrn. Jede Stichstraße und der kleinste Weg sind geteert und mit sorgfältigst angebrachten Verkehrsschildern garniert.

Was gar nicht nötig wäre, weil der motorisierte Verkehr oftmals gegen null tendiert. Da bleibt dann doppelt so viel Zeit, sich während der Kurbelei umzusehen. Allenthalben sattgrüne Wiesen mit locker hineingestreuten Höfen, die ausnahmslos sauber herausgeputzt, fast schon blankpoliert sind. Müll existiert im Appenzeller Land schlicht nicht.

Dafür bleibt die Suche nach einem Haus ohne Blumenschmuck garantiert vergebens. Shimano, Campa oder Sram? Kompakt oder Dreifach? Im oder gegen den Uhrzeigersinn? Rennradfahrer müssen sich ständig mit irgendwelchen Fragen auseinandersetzen. Und im Appenzeller Land wird es richtig schwierig, denn die Tourenauswahl ist im gelobten Land einfach zu gut:

Schnell mal hinunter an den Bodensee? Hinaus nach Kreuzlingen und Konstanz? Im bedrohlichen Schatten der windschief dastehenden Churfirsten am Walensee entlang ins Rheintal und wieder hoch nach Appenzell? Oder einmal um den Alleinherrscher des Appenzeller Landes, den Säntis, herum? Fragen über Fragen. Das Appenzeller Land ist eine jahrhundertealte Kulturlandschaft.

Der ursprünglich lateinische Name "abbatis cella", die Zelle, also der Gutsbesitz des Abtes, sagt an sich schon viel über das Verhältnis seiner Einwohner zu den Themen Besitzverhältnis und Fremdherrschaft aus. Als Bauern waren die Menschen früher sehr arm. Die Männer betrieben karge Viehwirtschaft – auf über 800 Meter Seehöhe mit keinem Quadratmeter flacher Wiese ein echter Knochenjob.

Die Frauen verdienten häufig mit kunstvollen Stickereien ein Zubrot. "Die Frauen und die Sauen ernähren das Land", sagte man damals. Der moderne Appenzeller gibt sich bescheiden, aber zufrieden und Touristen gegenüber sehr freundlich.

Gäste sind gerne gesehen, aber wenn sie sich nach einiger Zeit wieder verabschieden, ist das auch in Ordnung. Die Appenzeller bleiben einfach lieber unter sich und wehren sich vehement gegen Einflüsse von außen. Zur Not auch mit schlagenden Argumenten.

Als Hohenemser kann es einem zum Beispiel schon mal passieren, dass man von einem alten Appenzeller vorgehalten bekommt, dass die Hohenemser die Appenzeller einst überfallen hätten. Dabei ist historisch belegt, dass es genau umgekehrt war.

Wer von beiden links- und rechtsrheinischen Nachbarn nun auch immer wen überfallen hatte – der Appenzeller kann ziemlich nachtragend sein. Das angesprochene Scharmützel war nämlich während der "Appenzeller Kriege". Im Jahr 1406.

Die Appenzeller wissen einfach genau, was sie wollen – damals wie heute. Und natürlich, was sie nicht wollen. Als Michael Schumacher vor zehn Jahren in Appenzell Ausserrhoden ein kleines Anwesen mit Luxusvilla, ein paar Stellplätzen für seine Spielzeuge sowie Stallungen für die Pferde von Frau Corinna bauen wollte, biss er herzhaft auf Granit.

Denn per Volksabstimmung und Gerichtsbeschluss bremsten die Appenzeller den Ruhe suchenden PS-Star kurzerhand aus. So müssen sich Rennradler heute dank der eidgenössischen Dickköpfigkeit die sanften Hügel im Angesicht des Säntis nicht mit silbernen, fischmäuligen Flügeltürern teilen.

Hopp Schwiiz! Apropos Säntis: Der Nikolai Walujew unter den Bergen steht alles überragend und – große Symbolik – sehr alleine und ziemlich stur im Appenzeller Land herum. Mit seinen 2502 Meter Höhe überragt er das Rheintal (und Hohenems) um satte zwei Kilometer. Selbst vom Stuttgarter Fernsehturm aus ist der Säntis an klaren Tagen 170 Kilometer entfernt sichtbar.

Nur 10 Kilometer Luftlinie vom Gipfel entfernt liegt der Ort Appenzell. Rennradler, die den weißen Riesen (im April 1999 war die Schneedecke hier oben 8 Meter dick!) umrunden wollen, starten hier. Am besten im Uhrzeigersinn, um das flache Rheintal als Aufwärmstrecke zu nutzen. Hinter Grabs wartet die erste kleine Bergprüfung.

Nach dem Waffenstillstand im Obertoggenburg geht´s dann aber in Neu St. Johann das erste (und einzige Mal im Appenzeller Land) ernsthaft zur Sache: Immerhin 540 Höhenmeter zur Passhöhe an der Schwägalp wollen weggedrückt werden. Kein unmögliches Unterfangen, aber warm kann es einem dabei trotzdem werden – nicht nur ums Herz.

Wer möchte, kann von hier dem Säntis per Seilbahn aufs Haupt schweben und oben den Sechsländerblick nach Deutschland, Österreich, Italien, Liechtenstein und Frankreich genießen. Es geht doch eben nichts über einen weiten Horizont! Die Schweiz sieht man übrigens auch.

Darüber freut sich dann auch Herr Ochsenknecht: "Das tolle an Appenzell: Die Berge, die frische Luft, die Offenheit der Leute, man hat keine Geheimnisse voreinander." Bis auf das berühmte Geschmacksgeheimnis halt. So ein Käse!

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Erscheinungsdatum 09.04.2024