Tour: Côtes du Rhône
Vier Rennradtouren an der Côtes du Rhône

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Mehr als Mont Ventoux und Lavendelfelder: mit dem Rennrad durch die Wein­berge der Côtes du Rhône. ROADBIKE zeigt 4 Rennradtouren im schönen Frankreich.

Côtes du Rhône Rennradtour
Foto: Ralf Schanze

Die Sonne hat sich längst verabschiedet, als wir im kleinen Landhotel Maison Sadina in Seguret ankommen. Von der Schönheit der Provence haben wir bislang kaum etwas gesehen, als uns ein freundliches „Bonjour“ entgegenschallt. Vor dem Haus hat Besitzer Hervé Lefevre, übrigens weder verwandt noch verschwägert mit dem Manager des Profiteams Deceuninck-Quick-Step, den Grill angeworfen. Auch aus der Küche duftet es verführerisch.

Jetzt, in der Nebensaison, sind wir die einzigen Gäste in Monsieur Lefevres Kleinod. Kurz nach unserer Ankunft bittet er auch schon zu Tisch. Während der Chef persönlich den ersten Gang serviert, erzählt er, wie er vor vielen Jahren als Urlauber in diese Gegend kam und sich in die Provence verliebte. So kaufte der ehemalige Manager das kleine Hotel und setzte sich hier mit seiner Frau zur Ruhe. Der Abend entwickelt sich zu einer netten, lustigen Unterhaltungsrunde, abgerundet von einigen Gläsern Côtes du Rhône, dem Wein der Region.

Côtes du Rhône Rennradtour
Ralf Schanze
Anhalten und durchatmen in Dörfern, in denen hier und da auch die Zeit stehen geblieben scheint.

Am nächsten Morgen können wir unter den ersten Sonnenstrahlen endlich einen Blick auf die umliegende Landschaft werfen. Rund um das Hotel breitet sich eine Ebene mit Obst- und Gemüsegärten, Olivenhainen, bewaldeten Hängen und Weinbergen aus. „Die kleinen Landstraßen rufen doch förmlich nach unseren Rädern“, sagt Conny. Also heißt es „au revoir“ und schon rollen wir durch die frische Morgenluft. Bereits nach wenigen Kilometern ist klar: Der Aufenthalt hier kommt einem Sechser im Rennrad-Lotto gleich. Das Weinbaugebiet der Côtes du Rhône könnte direkt einem Bilderbuch entstammen. Ein Stück Provence deluxe. Ein fruchtbarer Garten Eden zum Verlieben, mit kleinen Örtchen, die jährlich um den Titel des schönsten Dorfs Frankreichs wetteifern. Dazu: wunderbare Sträßchen zum Radfahren. Ein Paradies, das sich je nach Jahreszeit und Region in ganz unterschiedlichen Farben präsentiert: zartgrün im Frühling, lila von blühenden Lavendelfeldern im Sommer, rot gefärbt nach der Weinlese, immer begleitet von den Ockertönen der bizarren Felslandschaften. Und über all dieser Farbenpracht thront erhaben der karge Gipfel des Mont Ventoux.

Der sagenumwobene Berg steht natürlich auch auf unserem Programm, doch zunächst geht es durch schier unendliche Hügelketten mit Weinreben. Die Griechen und Römer brachten die Traube in die Region. Im Mittelalter übernahm der Klerus schließlich die Rebfelder, denn die Päpste von Avignon waren von jeher begeisterte Weintrinker. „Ein Tag ohne Wein ist ein Tag ohne Sonne“, steht auf einem Plakat am Straßenrand.

Côtes du Rhône Rennradtour
Ralf Schanze
Die leuch­tenden Lavendelfelder sind nicht nur etwas fürs Auge, sondern auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Provence.

Dem stimmt Corinna Faravel zu. Die deutsche Winzerin, ursprünglich in der nicht für ihren Wein bekannten Gegend um Wuppertal zuhause, betreibt im Ort Lafare seit vielen Jahren das Weingut La Martinelle. Auf einem Fass entdeckt Conny gar die Aufschrift „Mont Ventoux“. Corinna erzählt uns, dass sich 51 Gemeinden von Malaucène über Apt bis Carpentras zu der Herkunftsbezeichnung Appellation Ventoux zusammengeschlossen haben. Größtenteils wird Rotwein produziert, dessen volle Aromen weit über die Region hinaus beliebt sind. Der Ventoux steht also nicht nur für Radsport-Genuss.

Als wir am nächsten Morgen mit den Rennrädern in Richtung des viel besungenen Berges rollen, zeigt der sich von seiner berühmten launischen Seite. Schwere Regenwolken und eisiger Wind machen uns beim Kampf gegen den 1912 Meter hohen Riesen der Provence zu schaffen. „Aber irgendwie gehört das zum Mythos dieses Berges ja dazu“, erkennt Conny, der sich seit Monaten auf diesen Tag gefreut hatte. Also möglichst schnell rauf auf den Gipfel und gleich wieder runter ins Tal von Sault, eines der Hauptanbaugebiete für Lavendel. Von Mitte Juni bis Anfang August taucht der Lavendel die Felder in charakteristisches Blau. Zusammen mit goldenem Getreide bilden die endlosen Bänder der Lavendelfelder dann ein farbenfrohes Patchworkmuster.

Wir stoppen vor einem Bauernhof, der Eingang ist mit Lavendelsträuchern dekoriert. Und auch im Hofladen strömt uns dessen betörender Duft entgegen. Besitzerin Evelin erklärt, dass erst der Aufschwung der Parfümindustrie im 19. Jahrhundert zum organisierten Anbau des Lavendels in der Provence führte. Früher wuchs der wilde Lavendel in Höhen von bis zu 1000 Metern.

Wir haben den unverkennbaren Duft noch in der Nase, als wir wieder auf die Räder steigen. Die Strecke führt uns weiter Richtung Nesque-Schlucht. Ein von einer Serpentinenstraße durchzogener Canyon prägt die Landschaft zwischen Villes-sur-Auzon und Monieux. Immer wieder bieten sich berauschende Ausblicke auf die Felslandschaft des Rocher du Cire. Spätestens jetzt scheint auch Conny besänftigt: „Die Provence ist für Rennradfahrer eben doch viel mehr als nur der Mont Ventoux.“

Côtes du Rhône Rennradtour
Ralf Schanze
Ein Highlight der Tour ist natürlich auch das gute Essen.

Den mächtigsten Anstieg bietet der Kultberg Mont Ventoux. Die bekannteste Route führt von Bédoin auf den Gipfel (21 km/1600 Hm), leichter gestaltet sich die Anfahrt ab Sault (25 km/1200 Hm).

Ein Naschkatzen-Paradies ist das Haus von Nougat-Meister André Boyer in Sault. Neben tradi­tionell hergestelltem Nougat aller Art locken etwa provenzalische Makronen. nougat-boyer.fr

Flotte Leihrenner für den Ritt durch die Region bietet das Team von L’Etape du Ventoux in gleich drei Ortschaften: Bédoin, Malaucène und Beaumes-de-Venise. letapeduventoux.fr

Hier finden Sie die Touren-GPS-Daten zum kostenlosen Download:

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Erscheinungsdatum 09.04.2024