RoadBIKE Quicklist: 10 Dinge, die Sie über Scheibenbremsen wissen müssen
Die 10 wichtigsten Fragen zu Scheibenbremsen

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Scheibenbremsen am Rennrad sind auf dem Vormarsch – doch die neue Technik wirft viele Fragen auf. RoadBIKE gibt die wichtigsten Antworten.

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Foto: Daniel Geiger

Scheibenbremsen sind am Rennrad auf dem Vormarsch – es gibt immer mehr auch günstigere Schaltgruppen mit Discs, immer mehr Rennräder mit Scheibenbremsen rollen in die Läden, der Weltradsportverband UCI startet schrittweise die Freigabe von Discs bei Profirennen: 2016 als Testlauf, 2017 kommt voraussichtlich die offizielle Freigabe.

Die Vorteile von Scheibenbremsen:

  • Scheibenbremsen bieten unter allen Bedingungen – auch bei Nässe – zuverlässig hohe Leistung
  • hydraulische Systeme sind präzise und mit recht geringer Handkraft bedienbar
  • bei Discs werden Felge und Schlauch nicht durch die beim Bremsen entstehende Hitze belastet
  • Scheibenbremsen erlauben größere Reifenfreiheit

Doch die am Rennrad noch sehr neue Technik bringt auch viele Fragen und damit Unsicherheit. RoadBIKE beantwortet die 10 wichtigsten Fragen rund um Scheibenbremsen:

Hydraulisch oder mechanisch – welche Scheibenbremse ist besser?

Es gibt zwei Systeme, Scheibenbremsen anzusteuern: mechanisch mit Seilzug, und hydraulisch mit Öl oder Bremsflüssigkeit in einem geschlossenen System.

Mechanische Scheibenbremsen sind günstiger und haben den Vorteil, dass sie mit jedem Brems-/Schaltgriff mechanischer Rennradgruppen aller Anbieter funktionieren. Allerdings bleiben die Nachteile aller mechanischen Bremssysteme: Durch die Zugreibung reagiert die Bremse nicht so direkt und präzise wie ein hydraulisches System, außerdem wird der Druckpunkt durch die sich beim bremsen komprimierende Zughülle spürbar schwammig und unpräzise.

Hydraulische Scheibenbremsen sind teuerer als mechanische, es bedarf spezieller hydraulischer Brems-/Schalthebel. Das Angebot wird allerdings größer und damit günstiger: Shimano bringt eine hydraulische 105 Disc, Sram hat die hydraulische Rival im Programm. Aufwendig und recht anspruchsvoll ist die Montage und Wartung dieser geschlossenen Systeme: Das Entlüften verlangt spezielles Werkzeug und Erfahrung, auch das schleiffreie Ausrichten der Bremsanlagen kann Zeit und Nerven kosten. Doch ist eine hydraulische Disc einmal korrekt justiert, stehen eigentlich nur noch Belagwechsel an, da das geschlossene System extrem wartungsarm ist.

Was bedeuten die verschiedenen Durchmesser der Bremsscheiben?

Am Rennrad sind Bremsscheiben mit 160 mm Durchmesser üblich, es gibt aber auch 140er-Scheiben (an Mountainbikes gibt es zudem 180er und 210er). Generell gilt: Je größer der Durchmesser der Bremsscheibe, um so höher die Bremskraft und um so besser und schneller die Wärmeableitung. Eine 140er-Disc wird durch die geringere Fläche bei gleicher Bremsarbeit heißer als eine 160er. Darum empfiehlt RoadBIKE unbedingt 160er Discs am Rennrad!

Bremsscheiben mit 140 mm Durchmesser sind nur an Querfeldeinrädern sinnvoll, da hier die Scheiben nicht der hohen Belastung durch lange Abfahrten ausgesetzt sind. Sind an Ihrem Rennrad 140er montiert, können Sie mit dem passenden Adapter für die Befestigung des Bremskörpers generell problemlos auf 160-mm-Discs umrüsten.

Alle reden von Achs-Standards – worauf muss man achten?

Leider konnten sich die Rahmen-Bauer bei ihren ersten Disc-Rennern nicht auf einen einheitlichen Standard für die Achsen einigen. So werden bis zum Modelljahr 2015 verschiedene Achsen verwendet.

Neben herkömmlichen Schnellspannachsen gibt es an Disc-Renner Steckachsen mit diesen Durchmessern/Längen:
VR 9/100mm; 12/100mm; 15/100mm
HR 10/135mm; 12/142mm

Für das Modelljahr 2016 gibt es gute Nachrichten:
Da die UCI Scheibenbremsen in Testphasen schon im August/September 2015 und dann ab 2016 zulässt, haben sich die Hersteller dem Vernehmen nach auf einen Achs-Standard für Disc-Renner geeinigt: VR 10/100 mm & HR 12/142 mm. Achten Sie auf dieses Maß, wenn sie einen neuen Disc-Renner kaufen, dann sind Sie auf den aktuellen Stand der Technik.

Worauf muss man bei Disc-Laufrädern achten?

Zur Saison 2016 bringen alle großen Laufradhersteller ihre Disc-Laufräder mit Naben, die sich per Adapter auf alle Achsen anpassen lassen. Achten Sie beim Kauf von Disc-Laufrädern darauf, neue Modelle mit diesen Adaptern zu bekommen, dann sind Sie flexibel und können die Disc-Laufräder problemlos in verschiedenen Rädern verwenden.

Befestigt werden die Bremsscheiben an den Naben in aller Regel nach dem 6-Loch-Standard mit 6 Schrauben, Shimano verwendet alternativ Centerlock mit einer Verschlusscheibe ähnlich der zur Befestigung der Kassette auf dem Freilaufkörper. Entsprechend gibt es Bremsscheiben mit 6-Loch oder Centerlock – achten Sie darauf, wenn Sie eine Bremsscheibe nachrüsten müssen oder ein neues Laufrad kaufen. 6-Loch-Scheiben können Sie problemlos mit einem Adapter auf Centerlock-Naben befestigen, Centerlock-Scheiben passen nicht auf Naben mit 6-Loch-Befestigung.

Passt jede Scheibenbremse an jeden Rahmen?

Bis zum Modelljahr 2015 werden die Bremskörper mit zwei verschiedenen Standards an Rahmen und Gabel montiert, beide vom Mountainbike übernommen. Post-Mount (befestigt mit 2 M5-Schrauben in Fahrtrichting) und IS2000 (befestigt mit zwei M5-Schrauben 90 Grad versetzt zur Fahrtrichtung). Per Adapter lässt sich jeder aktuelle Bremskörper (also bis einschließlich Modelljahr 2015) an beiden Standards befestigen.

Im Modelljahr 2016 kommt für Rennräder Shimanos neuer Standard Flat-Mount (ähnlich Post-Mount, aber filigraner und mit engerem Lochabstand). Auch Sram bringt 2016 Flat-Mount-Bremskörper. Diese sind nicht mehr kompatibel zu den bisherigen Befestigungen Post-Mount und IS2000 – Flat-Mount-Bremskörper passen nur an Flat-Mount-Rahmen und -Gabeln.

Kann man Bremsanlage und Scheiben verschiedener Hersteller kombinieren?

Bei gleichem Durchmesser der Bremsscheiben kann theoretisch jede Scheibe mit jedem Bremskörper kombiniert werden. Je nach Dicke der Scheibe kann es aber vorkommen, dass die korrekt justierte Bremse an einer anderen, ersatzweise montierten Scheibe schleift. Da Die Bremsanlagen aufeinender abgestimmt sind, ist es aber nicht empfehlenswert, andere Discs zu verwenden. Auch Quietschen oder schlechte Bremsleistung sollten zuerst über einen Belagwechsel verbessert werden – bringt das keinen Erfolg, kann man mit anderen Scheiben experimentieren.

Was sind gesinterte und organische Beläge?

Es gibt zwei Arten von Bremsbelägen: gesinterte metallische Beläge und organische Beläge.
Gesinterte Beläge sind härter, verschleißen daher weniger schnell, bieten aber häufig etwas geringere Bremsleistung und neigen eher zum Quietschen. Shimano montiert serienmäßig gesinterte Beläge.
Organische Beläge sind weicher, verschleißen daher etwas schneller, bieten größere Reibung und damit tendenziell Bremsleistung, sie neigen dazu im Allgemeinen kaum zum Geräuschen. Sram montiert serienmäßig organische Beläge.

Was ist Einbremsen?

Wesentlich für die volle Bremsleistung von Scheibenbremsen ist das Einbremsen: Neue Beläge und Scheiben brauchen erst einmal richtig Temperatur, damit sie Ausgasen und so die volle Haftreibung entwickeln können. Neue Scheibenbremsen – auch nach einem Belagwechsel – müssen Sie mehrmals an einer längeren Abfahrt (10 bis 20 Widerholungen) aus möglichst hohem Tempo bis zum Stillstand herunterbremsen, damit die Bremsanlage heiß wird. Sie spüren, wie die Bremsleistung immer besser wird. Wiederholen Sie diese Prozedur, bis die Scheibe eine bläuliche Färbung erhält und beginnt leicht zu dampfen und zu riechen – dann ist die Anlage eingebremst. Nur durch dieses Einbremsen verhindern Sie zudem, dass die Beläge später durch große Hitze verglasen und deutlich an Leistung verlieren.

Der Druckpunkt der Scheibenbremse ist weich oder schwammig – woran liegt das?

Ein wandernder oder schwammiger Druckpunkt ist ein klares Indiz für Luft um System. Nach der Montage und immer, wenn das System geöffnet wurde, muss die Hydraulik unbedingt entlüftet werden. Auch beim Transport, nach langem Stillstand oder extremen Einsätzen kann das System Luft ziehen. zum Entlüften ist spezielles Werkzeug und etwas Erfahrung nötig – in aller Regel ein Fall für den Händler.

Was tun, wenn die Bremse quitscht oder schleift?

Dauernde Geräusche am Rad hasst jeder Rennradfahrer – klar darf auch die Bremse nicht schleifen oder quietschen. Doch gerade das kann bei Scheibenbremsen vorkommen. Doch es gibt Abhilfe:

Schleifende Scheiben sind entweder ein Indiz für schlecht ausgerichtete Bremskörper, oder für durch Hitze verzogene Scheiben. Checken Sie am Schlitz zwischen Belägen und Scheibe, ob die Scheibe einen Schlag hat – diese lässt sich mit einem Richtwerkzeug wieder geradebiegen, oder ob die Beläge nicht parallel zur Scheibe stehen – dann müssen Sie den Bremskörper neu ausrichten.

Quietschende Bremsen sind meist ein Zeichen für verglaste Beläge. Bauen Sie die Beläge aus und checken, ob die Oberfläche glasig aussieht – wenn ja, rauen Sie diese mit einer Feile an. Es gibt auch "Anti-Quietsch-Spray", das erstaunlich gut funktioniert.

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5 / 2024
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Erscheinungsdatum 09.04.2024