Dauertest Campagnolo Potenza Rennradschaltung
Campagnolo Potenza im Dauertest

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ROADBIKE-Redakteur Christian Brunker testet die neue Campagnolo Potenza Gruppe.

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Foto: Christian Brunker

Eintrag 1: die ersten 2000 km mit der Campagnolo Potenza

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Björn Hänssler
Mit der 2016 eher überraschend präsentierten neue Gruppe will Campagnolo der dominierenden Ultegra von Shimano Marktanteile abjagen, aus meiner Wahrnehmung aber bislang mit eher überschaubarem Erfolg.

Mit der 2016 eher überraschend präsentierten neuen Gruppe will Campagnolo der dominierenden Ultegra von Shimano Marktanteile abjagen, aus meiner Wahrnehmung aber bislang mit eher überschaubarem Erfolg. Zumindest habe ich noch kein anderes Rad mit der Potenza in freier Wildbahn gesehen, und auch die Zahl der Kompletträder mit Campagnolo Potenza ist übersichtlich, bspw Bianchi oder Colnago statten einzelne Modelle mit der Potenza aus. Preislich ist sie aktuell für rund 650 Euro zu haben, beim Gewicht wiegt sie mit rund 2300 g ein paar Gramm weniger als die Ultegra.

Ich habe die neue Potenza jetzt seit knapp 2000 km auf meinem Canyon Ultimate CF – die Gruppe ist also gerade gut eingefahren. Mir gefällt dabei die Rolle als Exot auf den Straßen – zumal die Potenza bislang sehr zu überzeugen weiß. Korrekt eingestellt schaltet sie sehr geschmeidig und arbeitet absolut geräuschlos ohne Rasseln oder ähnliches.

Ich liebe die extrem gut greifbaren Schalthebel und möchte auch die Daumenhebel nicht mehr missen, die Campa-Schaltlogik gehört für mich zum Besten auf dem Markt. Gleiches gilt für die Bremsen, die mit den Bremsflanken auf den Shamal von Campagnolo sehr gut harmonieren und jederzeit ein sehr gutes und sicheres Gefühl vermitteln.

Noch mehr zum Thema Schaltung finden Sie im Rennrad-Podcast gleich hier im Webplayer sowie aktuell auf iTunes/Apple Podcasts, Spotify, Deezer, CastBox, Google Podcasts und vielen anderen Podcast-Apps und Verzeichnissen.

Eintrag 2 (2200 km): Erste Eier-Erscheinungen

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Christian Brunker
Eine mysteriöse Unterlegscheibe an der potenza-Kurbel.

Eine kleine Auffälligkeit an der Kurbel: Seit der Montage meiner Speedplay-Pedale hatte ich ein leichtes Eiern beim Treten, es fühlte sich an als hätte das Achslager des Pedals etwas Spiel, was sich immer nahe des oberen Totpunkts spürbar machte.

Doch beim ersten Check zeigte sich: Die Achslager sind in Ordnung. Nur hatte sich das Pedalgewinde etwas gelöst. Nachdem ich beide Pedale noch einmal ordentlich festgezogen hatte, war das Problem vorerst beseitigt.

Doch nach einem erneuten Wechsel auf SPD-SL-Shimano-Pedale für einen Schuhtest (die Cleats lassen sich einfach leichter Wechseln) trat das Gefühl wieder auf, diesmal noch etwas stärker, fast so, als würde das Gewinde durchrutschen.

Bei einer detaillierten Untersuchung stieß ich auf eine konusförmige Unterlegscheibe, die auf der Kurbelseite außen auf dem Pedalgewinde saß und locker war (siehe oben). Möglicherweise hatte sich Dreck oder Fett vom Pedalgewinde darunter gesammelt und die Scheibe saß nicht ganz sauber in ihrer Fassung.

Ich habe die U-Scheibe und die Fassung jetzt gereinigt und die Pedale neu eingesetzt. Jetzt bin ich gespannt, ob das Problem jetzt gelöst ist.

Eine Info am Rande: Weder in der Campa Bedienungsanleitung noch im technischen Handbuch ist die Unterleg-Scheibe erwähnt.

Eintrag 3 (2400 km): Neuer Rahmen für die Potenza

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Christian Brunker
Neuer Rahmen für die Dauertest-Gruppe: Canyon Ultimate CF SL.

Nach rund 2400 Kilometern habe ich meiner Dauertestgruppe einen neuen Rahmen spendiert. Die Wahl fiel schließlich auf ein Canyon Ultimate CF SL, um die Umstellung nicht zu groß zu machen. Allerdings verlief die Montage nicht ohne Probleme, die erste Frage war die nach dem passenden Innenlager-Adapter. Denn leider stellt Canyon auf seiner Homepage zwar die Innenlagerbreite, nicht aber den Durchmesser online. Der Canyon-Chat konnte mangels Erreichbarkeit (eine Woche lang immer wieder versucht) leider nicht weiterhelfen. Erst die direkte Nachfrage ergab: Die Innenlager der Ultimate-Rahmen haben einen 41er Durchmesser. Damit ließ sich dann der passende Adapter heraussuchen.

Doch auch die weitere Montage hielt einige unerwartete Schwierigkeiten bereit. Zum einen standen die Schraubenköpfe der Lenkerklemmung am Vorbau so weit heraus, dass sich die Züge beim Einschlagen daran verhaken konnten. Erst als die Außenhüllen auf absolute Minimallänge gekürzt wurden, löste sich das Problem. Das zweite Problem trat am Schaltwerk auf: Mit der montierten 32er Kassette stießen die Umlenkröllchen ganz leicht an der Kassette an, erst als die Einstellschraube für den Abstand ganz reingedreht wurde, hörte das leichte Knirschen auf. Gut gefiel aber die große Öffnung am Tretlager des Ultimate, die das Verlegen der Züge deutlich erleichterte.

Als schwierig erwies sich dann die Einstellung der Schaltung. Sie ist zwar leicht zum Funktionieren zu bringen, aber Perfektion ist schwer zu erreichen. Auf einer der ersten Touren knackte die Kette bei genau einem Gang (kleines Kettenblatt, drittes Ritzel von oben). Da muss ich noch Arbeit reinstecken. Eventuell kann mir der Campa-Stand beim Maratona Dles Dolomites weiterhelfen, denn das ist mein nächstes Ziel.

Nachtrag:
Ja, am Campa-Stand konnte man mir helfen und hat die Schaltung etwas nachjustiert. Allerdings hat es nicht den ganzen Maratona gehalten, was aber an mir und nicht der Gruppe lag. Der Grund: Ich hatte die Campa-Kette mit einem Sram-Kettenschloss zusammengefügt, weil man sich so das etwas aufwendige Nieten der Campa-Kette spart. Das funktionierte auch eigentlich ganz gut, aber ein paar Mal bei hunderten Kettenblatt-Wechseln verhakte sich die Kette am Umwerfer, was ein ziemlich unangenehmes Geräusch verursachte. Vermutlich ist die Kette am Kettenschloss nicht ganz so flexibel wie eine genietete Kette. Und genauso verhakte sich die Kette beim Anstieg auf den Valparola. Bislang hatte ich nach einem solchen Hakler keine Einschränkungen, aber oben auf dem Valparola konnte ich dann nicht mehr auf das große Kettenblatt schalten. Erst der technische Service machte mich wieder flott. Beim Check nach dem Maratona ließ sich der Umwerfer irgendwie nicht mehr richtig einstellen, die Kette ging einfach nicht mehr richtig auf das große Kettenblatt, auch wenn äußerlich fast keine Schäden zu erkennen waren. Nur ein schwarzes, in das Leitblech eingeklicktes Teil hatte es rausgerissen. Das ist laut Campa aber nur für das Runterschalten wichtig.

Nach der Montage eines neuen Umwerfers hingegen funktionierte die Schaltung aber wieder problemlos. Vermutlich hatte das Kettenverhaken dazu geführt, dass sich der Umwerfer irgendwie verzogen hat. Also doch keine Sram-Kettenschlösser bei Campa-Ketten verwenden.

Eintrag 4 (3665 km): Kurbel-Update

Das Eiern beim Treten ist wieder da. Ich hatte meine Speedplay-Pedale zur Wartung demontiert, denn deren Achslager müssen regelmäßig neu gefettet werden (das ist aber ein Thema für sich…). Auf den ersten kürzeren Runden danach habe ich nichts Besonderes festgestellt, nach zwei längeren Fahrten hatte ich aber wieder auf der Kurbelseite dieses leichte Eiern. Noch unterwegs hatte ich das Pedal mit dem Minitool festgezogen, aber es fühlte sich nicht wirklich locker an. Es brachte aber auch keine wirkliche Besserung. Wieder zuhause habe ich das Pedal wieder demontiert und auch die Konusscheibe aus dem Kurbelarm genommen und gereinigt. Dabei fiel mir auf, dass die Fassung in der Kurbel auch nicht mehr wirklich rund aussieht (siehe Bild).

Naja, jedenfalls habe ich den Sitz ebenfalls gereinigt und die Konusscheibe wieder eingesetzt. Anschließend habe ich die Pedalachse neu gefettet, eingeschraubt und richtig festgezogen. Mal schauen, ob das Eiern jetzt wieder verschwunden ist…

Nachtrag: Ich habe die Eurobike genutzt, mal bei Campagnolo nachzufragen. Das Ergebnis: Das lose Teil, ich habe es Konusscheibe genannt, sollte eigentlich fest in der Kurbel eingepresst sein und sich eben nicht lösen. Man werde umgehend eine neue Kurbel schicken. Ich bin gespannt und werde berichten.

Eintrag 5 (4000 km): Ersatzkurbel und Überraschung

Schnell kam die neue Kurbel, und mit ihr eine Überraschung: Für das Modelljahr 2018 hat Campagnolo die Potenza-Gruppe vom bisherigen Power-Torque- auf das Ultra-Torque-System umgestellt, wie es bei Campas Top-Gruppen Super Record, Record und Chorus zum Einsatz kommt. Dabei wird der linke Kurbelarm nicht mehr auf die fest mit der Kettenblattseite verbundene Achse gesteckt, sondern die Achse wird in der Mitte des Innenlagers über eine Verzahnung verbunden. Schön und gut, aber sofort kommt die Frage auf: Muss ich jetzt auch meine Innenlagerschalen wechseln? Rasche Antwort von Campa: Ja. Also noch mal warten, bis die entsprechenden Lagerschalen eintrudeln.

Bis dahin möchte ich auch mal Positives berichten, weil dieser Dauertest-Blog sonst so negativ klingt. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich fahre die Potenza immer noch verdammt gerne! Besonders positiv fällt mir immer auf, wie geschmeidig der Wechsel vom großen aufs kleine Kettenblatt funktioniert, selbst unter Last auf kurzen, steilen Rampen nie ein hakeln oder knirschen, sondern einfach nur ein sauberer Schaltvorgang. Des Öfteren ertappe ich mich dabei, herunterzugucken um zu checken, ob die Kette wirklich schon gewechselt hat. Zudem liebe ich die Ergonomie meiner Schaltgriffe und die intuitive Campa-Schaltlogik. Verschaltet habe ich mich damit noch nie – im Gegensatz zu Sram-Gruppen, mit denen ich auch immer wieder mal unterwegs bin.

Auch das Feintuning der Schaltung unterwegs hat astrein funktioniert. Sowieso mein Tipp: Eine gute Grundeinstellung bekommt man am Montageständer hin, aber nach ein paar 100 km mit neuen Zügen oder beim Schalten unterwegs zeigen sich oft noch kleine Hakler oder Unsauberkeiten, weil manche Gänge einfach nicht so flutschen wie sie sollen. Deshalb: Schaltet es nicht zackig auf ein kleineres Ritzel, die Einstellschraube mal eine halbe Umdrehung reindrehen und weiterfahren und weiterschalten. Das Spiel so lange wiederholen, bis die Schaltung sauber läuft. Wandert die Kette nicht mehr nach oben, ist die Zugspannung zu gering geworden und die Einstellschraube muss wieder eine Viertelumdrehung rausgedreht werden. Dann müsste es passen.

Eintrag 6 (5600 km): Winter und Feintuning

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Christian Brunker/RoadBIKE
Das Schaltwerk der Campagnolo Potenza

So, die Campagnolo Potenza hat jetzt auch den Winter über gut durchgehalten und viele Fahrten bei reichlich Dreck überstanden. Allerdings habe ich das Gefühl, dass das Runterschalten nicht mehr ganz so gut funktioniert. Vielleicht sind die Züge nun doch ein wenig verdreckt – diesen Eindruck habe ich zumindest unterwegs.

In der Werkstatt schaltet die Gruppe tadellos. Das einzige, was mir jetzt unterwegs auffiel, war ein leichtes Rattern bei 34-32, also dem kleinsten Gang. Beim Check in der Werkstatt wurde ein leichtes Vibrieren des Schaltwerkkäfigs als Ursache ausgemacht, resultierend aus einem zu geringen Abstand des oberen Umlenkröllchens zum größten Ritzel. Doch wie passt man den Abstand an? Die kleine Schraube hinten am Schaltauge war bereits komplett reingedreht.

Ein Blick ins Internet in den Support-Bereich von Campagnolo half jedoch weiter: Für den Abstand ist eine kleine Schraube an der Unterseite des Schaltwerks zuständig (siehe Foto). Damit ließ sich der Abstand in der Tat gut anpassen, das Rattern in seitdem Geschichte und auch die kleinste Gang-Kombination läuft nun wieder reibungslos.

Apropos reibungslos. Für das Frühjahr werde ich die Potenza mit neuen Zügen ausstatten und dabei auch alle Teile einer Grundreinigung unterziehen. Ich werde berichten.

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Erscheinungsdatum 09.04.2024