Fünf Fragen an: Manuel Schürholz
„Vielschichte Vorlieben“

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Manuel Schürholz hat gemeinsam mit Kollegen die Marke Bombtrack mitbegründet. Wir sprachen mit ihm über seine Gravel-Leidenschaft.

Copyright: Bombtrack / Matthew Waudby
Foto: Copyright: Bombtrack / Matthew Waudby

Manuel, wie und wann bist du eigentlich zum Gravel-Biken gekommen?

Manuel Schürholz: Ich bin noch Teil der "John Tomac Generation" und MTBler der frühen Phase. Anfang der 1990er-Jahre bin ich gar den damals noch existierenden Grundig-MTB-Cup gefahren und habe mir das Starterfeld mit Fahrern wie Klausmann oder den Fumic-Brüdern geteilt – auch wenn die ein paar wenige Jahre jünger sind. Während die Genannten sich aber stets die vorderen Plätze teilten, war ich selten besser als die letzten Zehn solch eines Rennens. [lacht]

Aufgewachsen bin ich im Schwarzwald, dementsprechend war mein Faible fürs Off-Road-Radfahren schon immer besonders ausgeprägt. Der Gebrauch eines Dropbars im Gelände war für mich durch Tomac nichts Besonderes, auch wenn es schon damals eher außergewöhnlich war. Aber durch den Tomac-Hype habe ich auch damals schon einen Rennlenker an mein Diamond-Back-Stahl-MTB montiert. Aber auch die Erfolge eines Mike Kluge im Cyclocross Anfang der 90er hat die Kombination von "Dreck und Dropbar" bei mir zusätzlich angefeuert.

Durch meinen Umzug nach Köln 1996 kam dann auch das Rennradfahren zu meinen Freizeitbeschäftigungen hinzu und der Asphalt übernahm gar für kurze Zeit. Aber eigentlich nur bis ich die Singletrails des Bergischen Landes entdeckte und lieben lernte. Durch belgische Freunde und die dort seit Jahren regelmäßig stattfindende Events wie etwa das GoGo Hellcross oder aber auch die europaweit stattfindenden Singlespeed-CX-Events führte unser Weg bei Bombtrack unaufhörlich zu dem, was sich heute Gravel nennt. Unser erstes Hook-Gravelbike erblickte bereits 2014 das Licht der Welt. Das Hook ist in der Tat noch heute zentraler Kern unserer Range, die Vorlieben der Gravel-Biker sind aber mittlerweile so vielschichtig wie die Szenen, aus denen sie ursprünglich kommen.

Du bist der Mann hinter Bombtrack. Erzähl uns doch einmal, wofür Bombtrack eigentlich steht. Und wie kam es, dass Graveln bei euch inzwischen der Hauptschwerpunkt ist?

Bombtrack ist eine der Marken der "Cologne Bicycle Group", das Dach unter dem wir seit 1996 Räder produzieren. Am bekanntesten davon ist sicherlich die weltweit führende BMX-Marke Wethepeople BMX, dort liegen auch die Wurzeln unserer Marke Bombtrack. Das Interesse an Fahrrädern im Allgemeinen war aber schon immer universell, und mit wachsendem Alter wuchs auch das Interesse an Rädern mit größeren Laufrädern und anderen Einsatzbereichen. 2008 entschied ich mich deshalb, für die Gruppe den noch heute sehr aktiven Fahrrad-Vertrieb Traffic Distribution zu gründen.

Die Vision einer speziell positionierten Fahrradmarke ließ mich während des damaligen Aufbaus von Traffic aber einfach nicht los. Als ich mittels eines Konzeptes und Business-Planes für meine Idee final grünes Licht (und etwas Spielgeld) von den Chefs der Gruppe bekommen habe, fing ich an, den eigentlichen Traum der Marke Bombtrack in Realität zu wandeln.

Gravel-Bikes haben wir wie oben erwähnt bereits seit 2014 im Sortiment. Schon damals war Gravel bereits ein Hauptschwerpunkt der Marke, unter anderem aber auch, weil wir nicht viel Anderes hatten. Damals positionierten wir uns noch um ein Vielfaches alternativer, als wir es heute sind, und konzentrierten uns ausschließlich auf sogenannte "Special Interest"-Bikes. Wir standen ja ganz am Anfang und suchten unsere Positionierung im Markt, da kamen uns solche Nischen-Bikes, wie sie Gravel-Räder damals noch waren, sehr entgegen.

Copyright: Bombtrack / Joshua Meissner-Manuel
Copyright: Bombtrack / Joshua Meissner-Manuel

Du hast eingangs bereits gesagt: Gravel spricht ganz verschiedene Typen an. Wer sind denn eure Hauptkunden?

In den letzten Jahren haben sich die Typen tatsächlich stark diversifiziert. Gravel an sich ist aber nichts unbedingt Neues. Die Begriffe "Anyroad bzw. "Allroad" kursieren ja schon länger und beschreiben quasi das Ähnliche. Unsere eigentlichen Marken-Wurzeln liegen sicherlich eher in der Subkultur – eine Subkultur, die es aber auch schon seit 20 Jahren gibt. Diese Subkultur war immer ein Sammelbecken von Fahrern, die entweder aus dem Cyclocross gekommen sind, aus der Singlespeedszene hervorgegangen sind oder auch einfach vom klassischen Biketouring kommen. Für uns war das ein toller Start für die Marke, da wir dort persönlich eh schon stark verankert waren.

Heutzutage ist die Szene viel diverser und sehr breit aufgestellt, und auch wir sind über die Jahre in diese Richtung mitgewachsen. Interessierte können sich heutzutage auch bei uns das Rad aussuchen, welches dem gewünschten Gravel-Einsatzweck am nächsten kommt. Das geht vom Performance-Sektor und den 700C-Carbon-Bikes bis hin zum Bikepacking-/Touring-Bereich und den dort etablierten, breiten 27.5"-Reifen.

Über die Jahre hat sich diesbezüglich unser Sortiment angepasst, und heutzutage haben wir eigentlich für jedes Interesse mindestens ein passendes Model – und das in verschiedenen Spezifikationen. War der Werkstoff Stahl in den letzten Jahren mit Abstand das Nonplusultra für den Gravel-Biker, halten sich die Verkäufe in allen Materialien mittlerweile die Waage. Besonders durch die erweiterte Zielgruppe der Rennradfahrer und den damit zusammenhängendem, immer stärker aufkommendem Performance-Gedanken, spielen Carbon und Alu verkaufsmäßig auch bei uns eine immer größer werdende Rolle.

Was muss ein gutes Gravel-Bike eurer Ansicht nach ausmachen?

Durch die so diversen Einsatzbereiche von Gravel-Bikes lässt sich das, meiner Meinung nach, nicht eindeutig beantworten. Ich persönlich liebe das bergige Terrain und brauche demnach ein Gravel-Bike, das zum einen dafür tauglich ist, zum anderen aber genau dort immer noch Vorteile gegenüber einem klassischen Mountainbike liefert. Ebenfalls liebe ich es, mit meinem Gravel-Bike mehrtägige Touren zu fahren und benötige so Mounts aller Art, sowie eine Geometrie, die auch auf der Langstrecke funktioniert.

Andere Fahrer sind vielleicht im nördlichen Flachland zu Hause und machen eher kürzere, sportliche Ausfahrten auf langen, geraden Feldwegen hinterm Haus. Von der Materialwahl, den Laufradgrößen bis hin zu den Kettenstrebenlängen gibt es so eine Vielzahl von Aspekten, die je nach gewünschtem Einsatz ein gutes Gravelbike ausmachen können.

Copyright: Bombtrack / Matteo Dunchi
Copyright: Bombtrack / Matteo Dunchi

Zum Abschluss der Blick in die berühmte Glaskugel: Wie sehen deiner Meinung nach die Gravel-Bikes der Zukunft aus?

Die Pandemie und Ihre Folgen hatte im letzten Jahr viele unserer Projekte für einen Moment in die Warteschleife gekickt. Projekte, die eigentlich auf Trends reagieren sollen. Radfirmen wie wir waren plötzlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt, und es fiel uns nicht leicht, Ideen und Entwicklungen wie geplant durchzuziehen. Zudem sind in den letzten zwei Jahren viele Events ausgefallen, die normalerweise aufgrund Ihrer Diversität stets auch diverse Trends hervorbringen oder Annahmen bestätigen. Dennoch wurde und wird ja durchgehend viel Rad gefahren, und natürlich haben wir viele Zuschriften und Kommentare bekommen, sowie mit Fahrern, Vertrieben, Shops und diversen Blogs gesprochen.

Es gleichen sich fast alle Aussagen, so scheinen sich in erster Linie die bereits länger anhaltende Trends etabliert zu haben. So steigt die Nachfrage nach sportlich orientierten 700C-Gravel-Bikes nach wie vor immens und wir sind gespannt, wie die Ankündigung der UCI und der Gravelrace-Serie in den USA nächstes Jahr, dies noch befeuert. Während 27.5"-Laufräder mit breiteren Reifen für die Fahrer in extremeren Gefilden weiterhin die erste Wahl zu sein scheinen.

Im schweren Gelände verstärkt sich auch der Wunsch nach einer Federgabel, die Anfragen bei uns nach Kompatibilität haben sich im letzten Jahr vervielfacht. Grundsätzlich ist es sehr interessant zu sehen, wie sich die Wünsche eines vom Rennrad-zum-Gravelbike kommenden Fahrers, zu denen mit einem Mountainbike-Background unterscheiden. So scheint die heimatliche Topografie – neben den Events – tatsächlich auch in naher Zukunft noch die größten Trends zu schreiben.

Manuel, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Werner Müller-Schell.

Fazit

Manuel Schürholz gründete im Jahr 2013 gemeinsam mit Kollegen die Marke Bombtrack. Neben seiner Tätigkeit in der Fahrradindustrie ist der 45-jährige Kölner selbst leidenschaftlicher Gravel-Biker. Im Jahr kommt er so auf stolze 9.000 Kilometer

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Erscheinungsdatum 05.09.2023