Graveln in den Haßbergen
Im Home of Gravel

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Die Haßberge sind ein beschaulicher Gebirgszug im Norden Bayerns – liegt hier möglicherweise der Geburtsort der deutschen Gravel Szene? Wir waren mit dem Gravel Bike auf Spurensuche und haben ein veritables Gravel Revier mit riesigem Wegenetz und erfreulich hoher Biergartendichte entdeckt.

Im Home of Gravel
Foto: Ralf Schanze

Wer das Gravel Bike erfunden hat? Die Antwort ist einfach: Viele! Denn die Geschichten der Gravel Pioniere klingen erstaunlich ähnlich, egal wen und wo man fragt: Man hatte einen Disc-Crosser für den Winter, mit dem man bald auch im Sommer irgendwie viel abwechslungsreicher und auch viel lieber unterwegs war als mit dem auf die Straße beschränkten Rennrad. Diese Entwicklung fand so oder so ähnlich ab Mitte der 2010erJahre an vielen Orten weltweit gleichzeitig statt – aber in den Fränkischen Haßbergen vielleicht sogar einen Tick früher als anderswo.

Schotterpisten und Gravelspaß beim 13. Haßbergritt

UPDATE April 2022 – Gravelbiker aufgepasst: Nach zwei Jahren Pause geht der Haßbergritt wieder an den Start. Ganz neu bei dieser Bike-Veranstaltung der Triathlon-Abteilung des TC Hofheim i.UFr ist – Premiere! – eine eigene Gravelbike-Wertung! Für alle, die ihr Gravel Bike sportlich im Gelände bewegen wollen, wird die Sprintdistanz mit rund 36 Kilometern und 768 hm gefahren. Start ist am 7. Mai um 14 Uhr auf dem Hofheimer Marktplatz. Und das Beste daran: Hassberge Tourismus verlost drei Startplätze. Wie ihr an die begehrten Tickets kommt seht ihr auf hassberge-tourismus.de/radfahren/hassbergritt. Viel Glück!

Vom Crosser zum Gravel Bike

"Angefangen hat alles vor rund acht Jahren. Im Winter sind ein paar Freunde und ich immer vom Rennrad auf das Cyclocross-Rad umgestiegen. Anstatt auf der Straße zu fahren, sind wir dann in den geschützten Wald ausgewichen", erzählt Marcus, als wir nach dem ersten schweißtreibenden Teil unserer Erkundungstour durch die Haßberge in einen gemütlichen Biergarten bei Hofheim einkehren. Die Sonne hat in den ersten Stunden unserer Ausfahrt ihr Werk verrichtet, dementsprechend froh sind wir über die Erfrischung. Stilecht gibt’s leckere Weißwürste und frische Brezen, dazu steht ein Weizenbier vor jedem von uns – natürlich alkoholfrei. Marcus ist Geschäftsleiter in der nur 25 Kilometer entfernten Firmenzentrale von Sram Deutschland und kennt die Region wie seine Westentasche. Wir greifen erst mal hungrig zu, bevor er uns mehr von der fränkischen Erfindung des Gravelns berichtet: "Immer mehr Freunde sind vom Rennrad auf das Gravel Bike umgestiegen. Und aus einer losen Vereinigung wurde eine feste Crew", erzählt er und verweist auf das "K100" und den "Adventsgravel" – zwei kleine, aber feine Events mit jeder Menge wunderschöner Landschaft und vielen Gravel-Kilometern, die hier in der Region stattfinden.

Ralf Schanze

Landschaft und Gravel-Kilometer – dass die Haßberge davon sehr viel zu bieten haben, zeigt unsere Tour durchs unterfränkische Hügelland schnell: Verträumte Auen treffen hier auf endlose Weinberge, romantische Fachwerkdörfchen auf Burgen und Schlösser. Dazwischen winden sich enge Gässchen und verschlungene Wege – auf Schotter versteht sich. Fast ein bisschen wie in einem Gravel-Märchen. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass das Graveln für Marcus hier schnell zu einem täglichen Ritual geworden ist: "Für mich persönlich ist Gravelbiken das Abenteuer vor der Haustür. Völlig frei von dicht gedrängten Straßen mit Verkehr. Und als großer Bub kann ich meiner Technikleidenschaft mit schönem Material frönen", lacht er, während wir den Schatten des Biergartens genießen.

Ralf Schanze

Ein "offizielles" Gravel Revier

Bei diesen Lobeshymnen ist es nicht verwunderlich, dass auch der örtliche Tourismusverband Haßberge den neuen Radtrend schnell erkannt hat. Inzwischen teilen die Verantwortlichen dort die Leidenschaft von Marcus und bauen das lokale Gravel Tourennetz immer weiter aus. Über 700 Kilometer sind es mittlerweile, die man zwischen Burgen, lokalen Brauereien und Fachwerkhäuschen unter die Stollenreifen nehmen kann – eine Tatsache, von der wir uns nach dem letzten Bissen Weißwurst weiter überzeugen wollen: Wir schwingen uns auf unsere Bikes und rollen an bunten Blumenwiesen vorbei hinaus in die sanft hügelige Landschaft. Die Buchenwälder und Waldwiesentäler der Haßberge sowie die ruhigen Auenlandschaften entlang des Maintals haben nichts Lautes, nichts Auftrumpfendes. Aber wer genau hinschaut, wird schnell den Reiz dieser Region im Herzen Deutschlands entdecken. Einen Reiz, der sich oft hinter Burgruinen oder alten Schlössern verbirgt oder in den Gassen historischer Fachwerkdörfer auftaucht. Oft fühlt man sich in den Haßbergen wie ins Mittelalter versetzt.

Ralf Schanze

Die historischen Altstädte, oft noch mit Stadtmauern und Tortürmen, sowie die Schlösser und Ruinen schaffen eine geradezu zauberhafte Atmosphäre. Die Fachwerkstadt Zeil am Main wartet mit einem der schönsten fränkischen Kleinstadtmarktplätze und malerischen Winkeln auf. Bamberg, dessen Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, lohnt ebenfalls einen Besuch. Im Herbst spielt das Mittelalter in der Region auch heute noch eine besondere Rolle – etwa wenn im Oktober Händler und Lagergruppen im Schloss Burgpreppach ihre Lager aufschlagen oder Ratsdamen und Ratsherren in der Fachwerkstadt Ebern einmarschieren.

Auch zahllose urige Biergärten locken in den Gassen der Fachwerkdörfer. Mit großen, Schatten spendenden Kastanien, abgewetzten Holzbänken und blank polierten Tischen, die wohl so manche Geschichte von feucht-fröhlichen Trinkgelagen erzählen könnten. Apropos Bier: In der nahen Umgebung halten mehr als 300 Brauereien die hiesige Braukunst hoch und produzieren eine verlockende Vielfalt an Gerstensaft. Aber auch der gute Frankenwein ist hier zu Hause: Die wärmespeichernden Keuperböden und etwa 1700 Sonnenstunden pro Jahr sorgen für seine besondere Güte.

Ralf Schanze

Nachmittags lenken wir unsere Gravel Bikes auf den sogenannten Rennweg – was aber nicht bedeutet, dass wir jetzt besonders schnell fahren müssten. Die drei bis sieben Meter breite und über 60 Kilometer lange Waldstraße war früher ein Eilboten- und Kurierweg und verläuft auf den Kammhöhen der Haßberge. Zur Zeit Karls des Großen stellte der Rennweg eine Volkstumsgrenze zwischen dem westlich gelegenen, fränkisch besiedelten Grenzland des Frankenreiches und den östlichen, von Slawen und Wenden unterwanderten Gebieten dar. Viele lieben seine Stille und Unberührtheit, die schattigen Wälder, den Gesang der Vögel. Andere schätzen die immer wieder auftauchenden malerischen Ausblicke. Der Rennweg meidet als Höhenweg die meisten Ansiedlungen. Mit dem Gravelbike lassen sich beiderseits des Weges talwärts immer wieder interessante Abstecher unternehmen.

Ralf Schanze

Feierabend im See

Zwischen Hallstadt bei Bamberg und Sulzfeld im Grabfeld rollen wir im zügigen Tempo durch den Wald. Der Schotter knirscht unter unseren Reifen. Ein Grünspecht keckert einen Gruß aus dem Wald. Purpurfarbige Kartäusernelken, in zartem Lila gewandete Flockenblumen und gelbes Johanniskraut malen Farbtupfer an den Wegesrand. Die Äste der Buchen sind in diesem Jahr über und über mit Bucheckern bedeckt. Brombeeren in Hülle und Fülle verführen uns zum Naschen und sorgen immer wieder für kurze Zwischenstopps. Bei diesem Gravel Genuss vergeht die Zeit wie im Flug und erst, als unsere Beine schwer und müde werden, wird uns bewusst, dass wir bereits den ganzen Tag unterwegs sind. Die Gesichter sind warm und rot von der Sonne des Tages und der Anstrengung der Tour, die Haut und Trikots verschwitzt. Wir kommen noch an einem kleinen Badesee vorbei. Was für ein Geschenk! Schwups liegen die Gravel Bikes auf der Wiese und mit einem lauten "Platsch", ein paar verunglückten Arschbomben und Jubelschreien landen wir im kühlenden Nass. Lassen uns rücklings treiben im Wasser und blicken in den blauen Abendhimmel, an dem schon der Mond aufgezogen ist.

Ob das Graveln in Deutschland wirklich hier in den Haßbergen seinen Ursprung gefunden hat? Wenn es nach Marcus geht, dann ja, wie der uns mit einem Schmunzeln erzählt. Inwieweit das wirklich stimmt, werden wir natürlich nie erfahren. Nach unseren Erfahrungen ist es aber alles andere als unwahrscheinlich. Denn beste Voraussetzungen zum Graveln bietet die unterfränkische Burgen- und Schlösserregion auf jeden Fall. Von schönen Schotterstraßen bis hin zu urigen Biergärten.

Ralf Schanze

Infos für's Gravel Abenteuer in den Haßbergen:

Unterkunft:

  • Brauhaus 3 mit Sram Gravel Experience – Exklusive Ferienwohnung in unberührter Natur mit Gravelbike-Teststation unterstützt von Sram. brauhaus3.de
  • Landhotel Rügheim: Auszeit im Grünen mit Naturbadeteich, Sonnenterrasse und fränkischen Schmankerln. landhotel-ruegheim.de

Essen & Trinken:

    • Fränkischer Hof in Hofheim i. UFr.: Typisch fränkische feinbürgerliche Küche in prächtiger, denkmalgeschützter Fassade. fraenkischer-hof- hofheim.de
    • Bärental in Sulzfeld: Aus der Region für die Region. Von Herzen und aus Respekt und Verantwortung vor dem Tier und der Natur wird hier "From Nose to Tail" serviert. baerental-sulzfeld.de
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Erscheinungsdatum 03.09.2024